Coronaprävention im Privatleben: Mit Rumtee am Lagerfeuer
Mit den steigenden Coronazahlen wachsen die Risiken. Und das in der Vorweihnachtszeit. Vor jedem Besuch also ein Schnelltest? Eine Entscheidungshilfe.
Schön war sie gewesen, diese Phantasie, das Coronamonster zum Jahresende mit ein paar Böllerschüssen auf Nimmerwiedersehen zu verabschieden, der Impfung sei dank, und sich über das vergangene Coronajahr voller Entbehrungen auszutauschen im wohligen Gefühl, dass der Albtraum vorbei ist. Ist er leider nicht. „Ich werde keine Silvesterparty besuchen. Alle Partys sind Orte, wo man sich anstecken kann“, hat Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), verkündet, „Reduzieren Sie Ihre Kontakte!“
Die Frage lautet, wie genau das gehen soll, die Kontakte reduzieren, noch dazu in der geselligen Vorweihnachtszeit. Eine Möglichkeit besteht natürlich darin, erstmal alle Kontakte zu Ungeimpften zu kappen. Soviel sind das ja nicht, fast 80 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland sind vollständig geimpft. Leider ist unter den Ungeimpften aber nicht nur die abgedrehte Bekannte F., die an die Vorsehung glaubt und die moderne Medizin für Teufelszeug hält, sondern auch die eine oder andere Verwandte, die man zur Weihnachtszeit gerne getroffen hätte.
M. zum Beispiel ist eigentlich warmherzig und zugewandt. M. hat eine Krebserkrankung hinter sich und schweres Rheuma, schluckt kiloweise Medikamente und hat eine tiefe Abneigung, ja Angst davor, sich „noch mehr ungeprüfte Chemie in den Körper jagen zu lassen“, zumal sie doch ohnehin „völlig zurückgezogen lebt“, wie sie sagt.
M. ist immerhin bereit, dem seltenen Besuch einen soeben gemachten negativen Schnelltest von Lidl zu präsentieren. Der frisch gemachte Schnelltest, negativ, könnte zum Accessoire der Saison werden, ein Mitbringsel auch unter Geimpften bei Privatbesuchen. Der Auftakt jeder Privatparty könnte nicht ein Gläschen Prosecco, sondern sogar eine Runde Schnelltesten sein, wo man sich erst im Beisein der andern in der Nase herumbohrt und sich dann neugierig über die eigene und die Testkassetten der andern beugt und auf das erlösende leere Feld beim Buchstaben „T“ hofft.
Kinder können Virusschleudern sein
Diese Art Auftakt bei Privatbesuchen ist ohnehin angesagt, wenn Minderjährige oder junge Ungeimpfte mit im Haushalt wohnen. Unter den 12- bis 17-Jährigen sind nur 40 Prozent vollständig geimpft, unter Grundschulkindern noch viel weniger. Dabei sind, so neueste Zahlen etwa aus Brandenburg, die Inzidenzen in diesen Altersgruppen sehr hoch. Kinder können zu Virusschleudern werden und das völlig unschuldig.
Selbst durchgeführte Schnelltests bieten allerdings keine vollständige Sicherheit, das räumt auch das Robert Koch-Institut in einem epidemiologischen Bulletin ein. Die in Deutschland verfügbaren Tests hätten eine „klinische Sensitivät“ von 40 bis 80 Prozent, so das RKI. Die Sensitivität gibt an, bei wieviel Prozent der Infizierten ein Test die Viruslast auch erkennt. Bei mindestens 20 Prozent der Infizierten tut er das nicht.
„Ein negatives Testergebnis schließt eine Infektion nicht aus“, warnt das RKI und fordert, nach wie vor die berühmten AHA-L-Regeln einzuhalten. Was bedeutet, Maske auf, Abstand halten, Hände waschen, Lüften. Lüften: Im Winter ein unbeliebter Ratschlag.
Die Schutzmaßnahmen sind eine ganz persönliche Kombi. Endgültige Sicherheiten gibt es nicht. Impfen zum Beispiel: Leider nicht mehr so effektiv wie vor der Verbreitung der hochansteckenden Deltavariante des Virus, aber besser als nichts.
AstraZeneca nach 5 Monaten unwirksam
Laut dem jüngsten Wochenbericht des RKI sind unter den Corona-Infizierten – bis zum Alter von 59 Jahren – rund 42 Prozent geimpft gewesen. Unter den Corona-Patient:innen in den Krankenhäusern aber war der Anteil der Geimpften deutlich geringer. Der Impfeffekt als Schutz vor schweren Verläufen ist da. Aber eben begrenzt, auch zeitlich.
Wer mit BioNTech geimpft ist, hat nach einem halben Jahr nur noch 47 Prozent Impfschutz. Wer AstraZeneca bekam, ist nach einem halben Jahr gar nicht mehr geschützt, so eine schwedische Studie. Wer nur mit Astra vorliebnehmen musste, sollte schon nach fünf Monaten, die anderen nach sechs Monaten eine Auffrischungsimpfung erhalten.
Man sollte immer ein paar Schnelltests und eine gewisse Auswahl an Masken zuhause haben. Maske ist nicht gleich Maske. In Bayern muss man jetzt wieder im öffentlichen Nahverkehr die unangenehmen, aber protektiveren FFP-2-Masken tragen, davor reichten auch die hellblauen dünnen Fähnchen, „medizinische Maske“ genannt, aus, um U-Bahn fahren zu dürfen. In Berlin darf man zwar im Supermarkt mit den Hellblauen einkaufen, soll aber in der U-Bahn eine FFP-2-Maske tragen.
FFP-2-Masken gelten als sicherer und sind daher in der anschwellenden vierten Welle vorzuziehen. Ansonsten ist es eine persönliche Entscheidung, wo man hingeht. Ins Restaurant mit Geimpften? Wenn die letzte Impfung aber AstraZeneca war und schon länger zurückliegt? Soll man vielleicht vorher zuhause einen Schnelltest machen und die andern auch? Kann man.
Lagerfeuer in Waschtrommel
Vielleicht geht man auch in die Geschäfte zum Geschenkekauf besser mit FFP-2-Maske und nicht unbedingt am Samstag um 14 Uhr, wenn das Deltavirus begeistert in Form von Aerosolen durch die Menge fliegt. Ins Kino? Ja, vielleicht, aber nur in den großen unausgelasteten Filmpalast in die Nachmittagsvorstellung, wenn die Reihen leer sind.
Private Treffen mit den Freund:innen? Kann man, womöglich mit Schnelltest vorher. Vielleicht aber auch wieder in der Variante „Nomadland“: Man packt sich warm ein, Thermoskanne mit Rumtee dazu und wandert plaudernd durch die Dämmerung. Vielleicht kann man bei irgendjemandem im Garten ein Lagerfeuer entfachen.
Als Feuerkorb eignet sich die ausgebaute Waschtrommel einer ausrangierten Waschmaschine, das machen Camper in den USA auch so. Improvisation ist gefragt. Das jedenfalls passt auch zur Weihnachtszeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe