Corona und politische Unvernunft: Zwischen Hoffnung und Angst
Durch Impfungen kann Corona im Sommer unter Kontrolle sein. Doch vorher droht die dritte Welle. Gefragt ist Vernunft – notfalls gegen die Politik.
E igentlich sind die Aussichten in diesem Frühjahr großartig. Doch fehlende Verantwortung in der Politik gefährdet den greifbaren Erfolg. Anders als vor einem Jahr ist klar, dass die Coronapandemie gestoppt werden kann. Und inzwischen lässt sich sogar recht genau vorhersagen, wann der Großteil der erwachsenen Deutschen geimpft sein wird: Schon im Juni könnten alle Impfwilligen eine Erstimpfung erhalten haben, wenn alles nach Plan läuft.
Das war bisher nicht der Fall – Lieferprobleme bei den Herstellern, vermeidbare Organisationsprobleme in den Bundesländern und unvorhergesehene Nebenwirkungen des AstraZeneca-Vakzins haben den Impfstart überschattet.
Doch all das ist lösbar. Die angekündigten Liefermengen steigen ab Ende April drastisch an. Die Probleme bei der Terminvergabe sollten deutlich geringer werden, wenn dann auch in den Hausarztpraxen in größerem Umfang geimpft wird. Denn dort kann – ohne die Impfreihenfolge komplett aufzugeben – flexibler und pragmatischer agiert werden. Und auch die neuen Beschränkungen beim Einsatz von AstraZeneca werden die Impfkampagne insgesamt nicht aufhalten, denn es gibt trotz einiger Verunsicherung zum Glück noch genug Menschen, die damit geimpft werden dürfen und wollen.
Die Hoffnung, die dieses absehbare Ende der Krise aufkommen lässt, wird indes überschattet von der Angst, was bis dahin noch geschehen kann, wenn Politik und Gesellschaft so untätig bleiben wie zuletzt. Im März hat sich die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen innerhalb von nur drei Wochen verdoppelt.
Mittelfristig düstere Prognosen
Mit dem Ferienbeginn hat sich der Anstieg der Zahlen zwar gerade verlangsamt, aber die mittelfristigen Prognosen bleiben düster. Intensivmediziner warnen vor einer starken Überlastung der Kliniken ab Mai. Auch eine aktuelle Prognose des Robert-Koch-Instituts zeigt dramatische Szenarien: Ihr zufolge reicht der Fortschritt beim Impfen in den nächsten beiden Monaten noch nicht, um einen starken Anstieg der Infektions- und Todeszahlen zu verhindern. Selbst wenn die Kontakte noch einmal um 50 Prozent reduziert werden, drohen demnach im Mai und Juni mehr als 1.000 Coronatote pro Tag – und damit mehr als auf dem Höhepunkt der zweiten Welle.
Um diese Entwicklung zu vermeiden oder zumindest zu mindern, müssen die Kontakte – und zwar vor allem die in geschlossenen Räumen – in den nächsten Wochen noch stärker verringert werden als im ersten Lockdown im vergangenen Jahr. Doch statt intensiv für diese letzte Anstrengung bis zur erlösenden Impfung zu werben, haben viele Ministerpräsident*innen mit diversen Lockerungen zunächst das gegenteilige Signal geschickt: So ernst sei die Lage gar nicht. Eine Mehrheit der Bevölkerung hat es für diese Öffnungen nie gegeben; nachgegeben hat die Politik vielmehr einer lautstarken Minderheit.
Angesichts der steigenden Zahlen ist zwar damit zu rechnen, dass diese Fehlentscheidungen teilweise korrigiert werden. Doch vermutlich betreffen künftige Beschränkungen erneut vor allem den Privatbereich. In Unternehmen, wo ein Großteil der Indoorkontakte stattfindet, blieb es bisher meist bei freundlichen Appellen. Auch in Schulen herrschte vielerorts Präsenzpflicht, ohne dass Tests und Technik für ausreichend Sicherheit sorgten.
Das muss sich nach Ostern unverzüglich ändern. Und wenn die Politik nicht handelt und auch Verwaltung und Unternehmen nicht von sich aus auf unsicheren Präsenzbetrieb verzichten, müssen die Betroffenen selbst aktiv werden – und für die wenigen Wochen, auf die es jetzt ankommt, Urlaub nehmen oder sich notfalls krankmelden.
So etwas kann natürlich nur ein letztes Mittel sein. Doch wenn die Zahlen dramatisch steigen und es gegen alle Vernunft dabei bleiben sollte, dass die Verantwortlichen nichts unternehmen, kann es notwendig werden, dass die Vernünftigen sich selbst schützen.
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