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Corona und die Berliner RestaurantsSie werden müder, sie werden mürber

Seit Anfang Mai 2020 begleitet die taz Gas­tro­no­m*in­nen durch die Pandemie. Wie geht es ihnen angesichts steigender Inzidenzen?

Der Blick nach vorn, irgendwie: Mengling Tang in ihrem Restaurant Foto: Karsten Thielker

„Wir gehen durch die Hölle“, sagt Arzu Bulut, eine der beiden Geschäftsführerinnen der beiden Restaurants Osmans Töchter in Charlottenburg und Prenzlauer Berg. In den nun fast zwei Jahren, in denen die taz drei Berliner Restaurants durch die Pandemie begleitet (siehe Kasten), mussten Bulut und Lale Yanik ihre glamourösen Restaurants für raffinierte, moderne und liebevoll zubereitete türkische Küche in der Wielandstraße und in der Pappelallee immer wieder schließen und öffnen. Sie mussten Anträge auf Überbrückungsgelder und Kredite stellen.

Die 49-jährige Gastronomin erzählt: Sie haben mit einem Lieferdienst zusammengearbeitet. Das Liefern wieder sein lassen. Einen professionellen Online-Versand von Meze versucht aufzuziehen, für den sie sogar von einer Gründer-Show auf Vox eingeladen wurden.

Sie haben die Tische in ihren Restaurants wegen der coronabedingten Abstandsregeln auseinandergerückt, weniger Reservierungen angenommen, Tische nach draußen gestellt, wieder mehr Reservierungen angenommen. Sie haben Mit­ar­bei­te­r*in­nen in Kurzarbeit geschickt, sich gefreut, wenn sie nach den beiden Lockdowns in den darauf folgenden Sommern wieder öffnen durften. Doch dann schlug der Personalmangel in den Berliner Restaurants zu.

Arzu Bulut und Lale Yanik haben Monate durchgearbeitet, sie sind müde. Und nun, berichtet die Gastronomin, stecken sie nach zwei Jahren Pandemie aufgrund der neuen Inzidenzzahlen und der 2G-Plus-Regel seit Mitte Januar schon wieder knietief in der Flaute.

Ihre Stimme wird klein

Einige Berliner Bars und Restaurants wie das Café Einstein und das Rotbart haben davor bereits kapituliert und erst mal bis Ende des Monats dichtgemacht. „Lale und ich hatten in der letzten Zeit gar nicht mehr das Gefühl zu leben“, sagt Bulut, die sonst sehr schwungvoll wirkt, mit ziemlich kleiner Stimme.

„Wir sind ein Restaurant und keine Arztpraxis“, seufzt sie. „Wenn man eine Gaststätte betreibt, weil man Lust darauf hat, und plötzlich ist alles nur noch ein Überlebenskampf, dann muss man neu überlegen.“ Und schließlich berichtet sie, dass sie sich seit einiger Zeit den Kopf darüber zerbrechen, ob sie nicht eines ihrer beiden Restaurants schließen sollen. „Die Restaurants laufen den Umständen entsprechend“, sagt sie. „Aber wir können einfach nicht mehr.“

„Das spiegelt die Stimmung bei den Berliner Gastronominnen und Gastronomen leider ganz gut“, bestätigt Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Berlin. Zwar gebe es derzeit nur Zahlen für die Berliner Hotels, die 2021 nur knapp sechzig Prozent des Jahresumsatzes von 2019 erzielen konnten, doch gehe er davon aus, dass dies auch gut auf die Situation der Gastronomie übertragbar sei.

Das Ende ist noch nicht erreicht

„Berlin hat bereits zehn Prozent seiner Hotels verloren“, so Lengfelder. Er befürchtet, „dass auch zehn Prozent der Berliner Gaststätten pleite seien, wenn nicht noch mehr. Das Ende der Fahnenstange ist längst nicht erreicht.“ Man müsse annehmen, dass viele die Zeit mit ihren Reserven überbrückt haben, die nun langsam aufgebraucht seien.

Auch auf das Personalproblem kommt Lengfelder zu sprechen. Das sei „nach wie vor dramatisch“, sagt er. Jobs in der Gastronomie sind in Berlin traditionell schlecht bezahlt, so dass man sich – wie im letzten Lockdown geschehen – in der Kurzarbeit und ohne Trinkgelder die Berliner Mieten kaum mehr leisten kann. „Viele haben sich in den letzten zwei Jahren andere Jobs gesucht“, weiß Lengfelder.

Tatsächlich haben bis zur Pandemie in den Berliner Hotels und Gaststätten um die 92.000 Menschen gearbeitet. Inzwischen sind es nur noch 80.000. Hinzu kommen die Probleme mit den Auflagen: Viele Betriebe hätten bislang nicht einmal die Überbrückungshilfen für den letzten Winter erhalten. Da wirkt es wie der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, wenn nun die Gäste seit Mitte des Monats geimpft, genesen und getestet sein müssen, um überhaupt ein Restaurant betreten zu dürfen.

Zunehmend genervt

Die Stimmung, findet auch Mengling Tang, hat sich seit Mitte Januar verschärft. Die eigentlich sonst so humorvolle Inhaberin des gehobenen chinesischen Restaurants Peking Ente in einem der DDR-Wohnblöcke aus den 1980er Jahren in der Voßstraße wirkt in den zwei Jahren, in denen sie der taz berichtet, zunehmend genervt. „Ich bekomme immer öfter Ärger mit Gästen, die über die Regeln meckern und Ausnahmen wollen – und wenn ich dann auf die Kontrollen des Ordnungsamts hinweise, werde ich beschimpft“, erzählt sie. Sie berichtet von vielen Schwierigkeiten, auf die sie niemand vorbereitet hat.

Schwierigkeiten wie diese: Wer sich beispielsweise mit Johnson & Johnson hat impfen lassen, gilt neuerdings nach einer Auffrischungsimpfung in einigen Bundesländern wie auch Berlin als geboostert.

Kinder unter sechs Jahren brauchen gar nichts nachweisen, Schulkinder sollen ihren Schulausweis zeigen: Aber was ist mit den Siebenjährigen, die noch nicht eingeschult sind?

Die Zukunft ist ungewiss

Was soll Tang den Gästen aus dem Ausland sagen, deren QR-Code nicht lesbar ist, und was jenen, die zweimal genesen und zweimal geimpft sind und sich deshalb nicht mehr testen lassen wollen?

Die 47-jährige Tang ist eine so resolute wie fröhliche Frau, die herzlichen Kontakt zu ihren Stammgästen pflegt. Während des Telefonats mit der taz klappern im Hintergrund die Töpfe in ihrem Restaurant, das die Eltern nach der Flucht aus China 1999 eröffnen konnten und das sie nun weiterführt. Beim Lockdown hat sie so viele ihrer Gäste wie möglich selbst mit ihrem chinesischen Essen beliefert – einem Essen übrigens, mit dem nur wenige chinesische Restaurants in dieser Stadt konkurrieren können.

Obwohl sie sich von der deutschen Politik sehr aufgefangen fühlt, wirkt sie nach zwei Jahren verzagter. „Ich weiß wirklich nicht, wie wir in einem halben Jahr dastehen“, sagt sie.

Und dabei klingt ihre Stimme so klein wie die ihrer Kollegin Arzu Bulut von Osmans Töchter in Prenzlauer Berg.

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8 Kommentare

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  • In anderen Artikeln in der TAZ wird sich darüber mokiert, dass Menschen die Coronamaßnahmen als psychisch belastend empfinden.



    Die Situation ist für JEDEN in anderer Form schwierig. Für Betreiber, Gastronomen, Fitnesstrainer, Lehrer, Gäste, Schüler, Patienten usw.

    Vielleicht sollte man das einfach anerkennen. Keiner ist "Schuld". Man darf trotzdem sagen, dass einen die Situation belastet, dass man mit bestimmten Maßnahmen nicht oder schwer klarkommt und dass es auch erleichternd ist, darüber zu meckern.

    Der Kreislauf - "arme Arbeitnehmer, hohe Mieten, Geringverdienerjobs, Gäste, die sich keine Restaurantbesuche oder großen Trinkgelder mehr leisten können, arme Arbeitnehmer" ist in mehreren Branchen ein Thema und sollte unbedingt immer wieder zum Thema in Medien gemacht werden!

    Aber nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer! Natürlich braucht der Gastronom Mitarbeiter, die er sich leisten kann, die bereit sind, zu dem Gehalt zu arbeiten, das er sich leisten kann. Aber wenn die dann auch nur knapp überleben oder stundenlange Anfahrten haben, sollte man deren Position auch bedenken und gemeinsam überlegen, wie das insgesamt besser werden könnte!

  • @Andreas



    ja, Sie haben recht, bei TUI,Lufthansa usw. frage ich mich auch wie viel oder wie wenig unternehmerisches Risiko so ein Unternehmen denn überhaupt noch tragen muß bevor es mal nicht unterstützt wird und aus eigenen Kräften mit einer Krise fertig werden muß. Ich bin selber Einzelunternehmer im landw. Dienstleistungsbereich und lerne jeden Tag dass es keine Garantie auf Bestand, Gewinn oder gar Wachstum gibt. So ist das nun mal als Unternehmer. Freiheit zu gewinnen-Freiheit zu scheitern! Beides ist möglich.

  • Ich habe einen nahen Verwandten, der seit zwanzig Jahren in der Gastronomie arbeitet - wohlgemerkt, der höheren und Spitzengastronomie, in Restaurants und Hotels.

    Diese Branche ist durch und durch von Ausbeutung geprägt. Nie deklarierte, geschweige denn bezahlte, Überstunden, die zum Teil das gesetzliche Höchstmaß massiv überschritten, Übergriffigkeiten durch Chefs und Kollegen (man kann schon sagen, dass auffällig viele Spitzenköche offenkundig psychopathische Züge haben), absolut beschissene Arbeitszeiten (an allen Feiertagen und Wochenenden), extreme körperliche Belastung (sehr viele Köche haben wegen des ganzen Stehens und Rennens Rücken- und Gelenkschäden) und dazu natürlich eine schlechte Bezahlung. Da haben es Kellner fast noch am besten, denn die kriegen anders als das Küchenpersonal wenigstens noch Trinkgeld und können halbwegs pünktlich Feierabend machen. Die ganze Branche ist extrem privatleben- und vor allem familienfeindlich.

    Mein Verwandter arbeitet inzwischen glücklicherweise für die Vorstandskantine eines großen Unternehmens. Da wird man auch nicht reich, aber wenigstens hat man normal Feierabend und Urlaub, also auch ein planbares Privat- und Familienleben, und man braucht keine körperliche Gewalt von Gastro-Primadonnen zu fürchten.

    Corona war nur der Katalysator. Die Gründe für den Personalmangel haben die Gastronom_innen im großen und ganzen ganz allein selbst zu verantworten.

    • @Suryo:

      Ha, ganz genau. Man stelle sich mal vor, die ganzen gastronomischen Einrichtungen hätten nur noch von 7 bis 17 Uhr geöffnet, und nur noch Mo-Fr, und vor allem an KEINEN Feiertagen, dann heulen auch alle wieder rum, weil sie nirgends essen gehen können! Es ist einfach so in der Gastronomie, die Arbeitszeiten waren schon immer nicht die besten. Wir betreiben selbst ein familiengeführtes Unternehmen im ländlichen Raum (Gastro und Hotellerie), und wir bemühen uns nach Kräften, hier und da mal einen Sonntag oder Feiertag frei zu geben. Aber das ist nicht so leicht, denn die Schlange an arbeitswilligen ist leider nicht so lang, man könnte fast sagen, sie ist schon im Minusbereich.Und dabei zahlen wir schon über Tarif, obwohl wir gar nicht tarifgebunden sind. Es wird jede Überstunde bezahlt, es gibt Feiertagszuschlag, Trinkgelder werden unter ALLEN Mitarbeitern gerecht aufgeteilt usw. Aber es sind ja keine Leute im Arbeitsmarkt zu haben, denn die, die "dauerrumhartzen", zählen ja nicht als arbeitslos. Das ganze System ist im Arsch. Sorry, abgeschweift... Ich gehe jetzt mal wieder im Geld baden, dass wir vom Staat kassiert haben in der ganzen Coronakrise, und dass wir von unseren Mitarbeitern ausgebeutet haben. Sie können ja weiter alle über einen Kamm scheren und die Gastronomie verteufeln, die Sie sicher nie besuchen, denn es ist ja alles SO UNFAIR.



      Und da soll man nicht aggressiv werden, echt!

    • @Suryo:

      Oder es sind am Ende eben doch die Gäste, die es alles möglichst billig haben wollen. Und oft auch billig brauchen, weil sie selbst wenig Geld haben. Es ist ja nicht so, dass Gastronchefs nicht wissen wohin mit der Kohle. Und dass man am Wochenende und Abends arbeitet könnte daran liegen, dass das nun mal die Hauptzeiten sind in der Menschen essen gehen.

  • Das Personalproblem ist doch selbst verschuldet. Die Gastronomie hat jahrelang davon profitiert, dass ihre Mitarbeiter nur deswegen ein der Tätigkeit angemessenes Gehalt bekommen haben, weil ein erheblicher Teil davon (unversteuerte) Trinkgelder waren. Es ist ganz gut, wenn das Irgendwann nicht mehr so weitergeht.

    Ich hatte im Sommer den Eindruck, dass die Gastronomie extrem gut besucht war, da war ein großer Nachholbedarf. Überhaupt habe ich den Eindruck, dass man in den letzten Jahren immer mehr auswärts gegessen hat, es immer mehr Restaurants gibt und diese auch gut besucht sind, jedenfalls in den großen Städten. Natürlich ist eine Pandemie auch ein Stück weit unternehmerisches Risiko.

    PS: Wo gibt's denn Kinder, die mit 7 noch nicht eingeschult sind?

    • @Ruediger:

      @RUEDIGER Es sind ja nicht nur die unversteuerten Trinkgelder. In der Gastronomie läuft sehr viel Bargeld um. Sagt ein mir bekannter Mensch aus der Branche Ladenbau / Innenausstattung, der Aufträge aus der Gastronomie nur bekommt, wenn er bereit ist, ohne Rechnung zu arbeiten.

      Und der Eindruck, dass immer mehr auswärts gegessen wird, den hatte ich auch. Aber der Markt ist extrem preissensitiv. Viele Gäste würden sich empören, wenn die Preise auf einmal inkl. Mindestlohn kalkuliert würden.

    • @Ruediger:

      "Natürlich ist eine Pandemie auch ein Stück weit unternehmerisches Risiko". Ja, aber nur für Kleinunternehmer.



      Ein mit mir befreundetes Pärchen mit Kneipe, hat mittlerweile ihre Altersvorsorge aufgebraucht. Die Hilfe war ein Tropfen auf dem heißen Stein. Deren Angestellte waren Studenten die ebenfalls am Arsch sind. Miete, Versicherungen u.s.w. sind weiter jeden Monat fällig. Gastronomie lässt sich nicht einfach so über einen Kamm scheren. Nur weil im Sommer es wieder besser lief heißt das nicht das die Verluste wieder wett gemacht wurden. TUI hat da weniger Sorgen. mit ihrem unternehmerischen Risiko.