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Corona und PflegepersonalGemischte Impfbereitschaft

Viele PflegerInnen zögern laut einer Umfrage, sich impfen zu lassen. ArbeitgeberInnen dürfen keinen Druck ausüben. Die Folgen sind unklar.

Wie hoch ist die Impfbereitschaft? Probedurchlauf im Impfzentrum Bamberg Foto: Nicolas Armer/dpa

Berlin taz | Für Marco Desel ist die Sache klar: „Ich lasse mich impfen“, sagt der 44-jährige Krankenpfleger aus Gelsenkirchen. Er arbeite viel mit Covid-19-PatientInnen, auch auf der Intensivstation, und kenne die zum Teil schweren Verläufe der Krankheit. Er wolle nicht nur sich schützen, sondern „auch meine Familie“.

Desel ist Mitbetreiber der Face­book-Gruppe „wir-sind-die-pflege“ mit 70.000 Mitgliedern. Dort und in anderen Foren tobt der Streit unter Pflegekräften und ÄrztInnen, ob man sich nun impfen lassen soll oder nicht – wobei PflegerInnen ganz oben stehen auf der Dringlichkeitsliste der Impfordnung.

Viele Pflegekräfte „wollen sich nichts vorschreiben lassen“, begründet Desel die Impfabneigung mancher KollegInnen, „noch dazu geht es um einen Impfstoff, der noch nicht lange getestet ist“.

Eine unlängst im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichte Umfrage ergab, dass sich von den ÄrztInnen und PflegerInnen in der Intensivmedizin jedeR vierte ÄrztIn und jedeR zweite PflegerIn nicht impfen lassen möchte. Viele der Befragten hatten Angst vor Nebenwirkungen und Langzeitschäden. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach äußerte sich „überrascht“ über diese Impfzurückhaltung.

Auch Geimpfte brauchen Schutzkleidung

Eine Impfpflicht für medizinisches Personal soll trotzdem nicht kommen. „Wenn es keine staatliche Impfpflicht gibt wie etwa bei den Masern, kann auch kein Arbeitgeber seine Beschäftigten in der Pflege zwingen, sich impfen zu lassen“, sagt Anja Sollmann, Rechtsanwältin und Referentin für Rechtsfragen beim Pflegeberufsverband DBfK Nordwest. Der Verband ist gegen eine Impfpflicht und setzt stattdessen mit Online­ver­an­stal­tun­gen auf Aufklärung über die Möglichkeiten, Vorzüge und Risiken einer Impfung.

Sollmann erklärte, auch wenn es keine Impfpflicht gebe, sei es „denkbar,“ dass ArbeitgeberInnen moralischen Druck auf Pflegekräfte aufbauen könnten, sich impfen zu lassen. Wenn einE ArbeitgeberIn eines Pflegedienstes bei einer Neueinstellung frage, ob geimpft worden sei, müsse aber nicht wahrheitsgemäß geantwortet werden.

In Personalfragebögen dürften ArbeitgeberInnen BewerberInnen zwar fragen, ob sie zum Beispiel an chronischen Krankheiten litten. Dies betreffe aber nur Krankheiten, die sie an der Ausführung ihres Jobs hindern könnten, erklärte Sollmann. Probleme könnte es bei ambulanten Pflegediensten geben, wenn etwa PatientInnen forderten, nur noch von geimpftem Personal aufgesucht zu werden, so die Referentin. „Vielen ist nicht klar, dass auch Geimpfte weiterhin Schutzkleidung tragen und die Hygieneregeln einhalten müssen.“

Schon lange sei es üblich, dass Pflegekräfte gegen Hepatitis geimpft werden, gibt Krankenpfleger Desel zu bedenken, „da wird nicht so ein Hype drum gemacht“. Jede Impfung habe ihre Risiken. Auf seiner Station, auf der man viel Kontakt mit Covid-19-PatientInnen habe, gebe es jedenfalls „keinen, der sagt, ich lasse mich nicht impfen“.

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9 Kommentare

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  • Obwohl ich Impfungen grundsätzlich gut heiße, würde bei sachlicher Überlegung keinen Impfstoff akzeptieren, der in Weltrekordzeit und unter politischem Druck zugelassen wird und noch nicht einmal die Frage beantworten kann, ob die Impfung auch davor schützt, andere nicht anzustecken. Von den logischerweise unbekannten möglichen Landzeitfolgen rede ich erst gar nicht.

    Wer das anders sieht, mag seine berechtigten Interessen und Sichtweisen haben. Damit habe ich kein Problem.

  • "Auf seiner Station, auf der man viel Kontakt mit Covid-19-PatientInnen habe, gebe es jedenfalls „keinen, der sagt, ich lasse mich nicht impfen“.

    Es scheint also so zu sein, dass die Ablehnung der Impfung abnimmt, je näher man am Geschehen dran ist.

    Das ist natürlich nicht repräsentativ, aber doch ein interessanter Eindruck.

  • Ich war vor einigen Jahren im Rahmen eines Pflegestudiengangs in den USA. Bei dieser Studienreise gab es verschiedene Möglichkeiten, zu hospitieren. Wenn jemand hierzu in eine Klinik in die Pflege wollte, war eine Influenza-Impfung vorgeschrieben. Die ist in den USA interesannter Weise im klinisch-pflegerischen Bereich verpflichtend. Ich hätte gerne Einblick in die stationäre Pflege in den USA gehabt, wollte mich allerding nicht grippe-impfen lassen (wie auch in meinen ganzen 20 Jahren Pflegepraxis nicht).



    Ich persönlich empfinde eine Impfung auch als großen Eingriff in den Organismus und treffe da gerne selbst die Abwägung, wobei es durchaus sinnvoll ist, bestimmte Impfungen verpflichtend zu machen - wie etwa Hepatitis. M. E. ist zu Covid noch immer zu wenig bekannt, es sieht aber so aus, dass bei jüngeren Menschen das Risiko auf schweren Verlauf relativ gering ist. D. h. für mich, dass die Pflegenden gefälligst selbst entscheiden sollen, ob sie sich einen in einem Bruchteil der normalen Entwicklungszeit gefertigten Impfstoff verabreichen lassen.



    Und: Gibt man den Pflegenden neben anstrendenden Arbeitszeiten, permanenter Dauerbelastung und sehr mäßigem Gehalt noch weitere Pflichten, in denen sie keinen Profit sehen, ist das nicht gerade eine taugliche Motivation, den Beruf zu ergreifen oder drin zu bleiben.

  • Tja, wir aus dem medizinischen Bereich haben eben schon so viele miese Präparate der Pharmakonzerne anwenden bzw schlucken müssen, dass wir etwas skeptisch sind:

    Vioxx, Valsartan, Acomplia, Avandia, ach: schaut selber:



    de.wikipedia.org/w..._von_Arzneimitteln

    Vioxx hatte ich 3 Wochen geschluckt, bis es von meinem behandelnden Arzt stillschweigend wieder abgesetzt wurde ...

    Ich hoffe ja für alle Impfbegeisterten, dass es wirkt und nebenwirkungsfrei ist.

    Kommentar bearbeitet. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.



    Die Moderation

    • @Azmo:

      Neuere Studien zeigen jedoch, dass die ursprünglichen Bedenken möglicherweise unbegründet sind, laut einer Überprüfung erhöht Rosiglitazon (Handelsname Avandia) das Herzinfarktrisiko nicht. Die Rohdaten seien in der Originalstudie, die zusätzlich nicht verblindet war, mehr oder weniger bewusst manipuliert worden. Das wirtschaftliche Interesse an der neuerlichen Vermarktung des Medikaments ist aktuell jedoch gering, da das Patent bereits ausgelaufen ist.

  • Ich finde, dass ein/e jede/r das Recht haben muss, für sich selbst abzuwägen, die Impfung durch zu führen oder nicht. Selbstverständlich auch das Pflegepersonal. Und bei der aktuellen Datenlage zu Corona (Risikogruppen, Sterblichkeit etc.) und der noch nicht jede/n überzeugende Datenlage zu den Risiken der Impfung kann es doch nicht verwundern und darf es vor allem nicht entrüsten, wenn junge Menschen (ob in der Pflege oder nicht) ohne Vorerkrankung der Impfung skeptischer gegenüberstehen als ältere Menschen mit Vorerkrankung.



    Jedweder Druck auf das Pflegepersonal - der auch hier in diesem Artikel subtil geäußert wird, wie ich finde - ist absolut unangebracht und anmaßend. Erst wird auf Balkonen geklatscht, dann werden große Töne über eine endlich auch finanziell angemessene Wertschätzung dieses Berufsstands gespuckt, dann passiert natürlich in dieser Hinsicht rein gar nix und dann wird man zum Buhmann weil man sich doch gefälligst zu impfen hat. Mich wundert, dass diesen Beruf überhaupt noch jemand machen will...

  • RS
    Ria Sauter

    Ja, so kenne ich das auch von Pflegekräften aus meinem Bekanntenkreis.



    Sie warten keinesfalls auf die Impfung für sie. Im Gegenteil, sie wollen abwarten.



    Lauterbach ist überrascht? Dann hat er keine Ahnung von der Wirklichkeit!

  • Ich persönlich warte ja jetzt drauf, dass Jens Spahn, Angela Merkel und Christian Drosten sich a) vor einer ARD-Abendnachrichten-Kamera impfen lassen und b) anschließend drei Monate lang in einem Corona-Hotspot ihrer Wahl Krankenhaus-Pflegedienst schieben. Das, schätze ich, würde die Impf-Skeptiker (vielleicht) überzeugen.

    • @mowgli:

      Schauen sie mal, Bibi geht voran:

      www.tagesschau.de/...s-samstag-185.html

      Aber das wird nicht viel helfen. Israel im allgemeinen und Netanjahu im Besonderen trauen ja die wenigsten etwas Gutes zu.