Corona und Gender: Geld für Männer
Die Grünen rügen die Verteilung der Gelder im Konjunkturpaket. Die meisten Mittel kommen männerdominierten Branchen zugute.
Obwohl Frauen eine große Last während der Coronapandemie schultern, weil sie die Ausfälle in der Kinderbetreuung privat kompensieren müssen und häufiger in Gesundheitsberufen und im gebeutelten Gastgewerbe arbeiten, werden sie durch die staatlichen Coronahilfen weniger unterstützt als die Männer. In Fragen der Geschlechtergerechtigkeit sei die Bundesregierung „auf einem Auge blind“, sagte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Ulle Schauws, am Freitag beim Vorstellen einer Studie.
Die Politikwissenschaftlerin Claudia Wiesner von der Hochschule Fulda hatte die Verteilungswirkung des „Konjunkturpaketes“ auf die Geschlechter analysiert. Das Paket war in der Coronapandemie wegen der dadurch bedingten Ausfälle und Einschränkungen im Sommer von der Bundesregierung auf den Weg gebracht worden.
73 Prozent des Gesamtvolumens, nämlich 121 Milliarden Euro, entfielen auf Branchen und Bereiche, in denen mehrheitlich Männer vertreten sind, sagte Wiesner. Nur 4,25 Prozent dagegen gingen an Branchen, in denen mehrheitlich Frauen arbeiteten.
Die Förderung von Infrastruktur und Investitionen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Innovation sowie die Förderung von Bildung und Gesundheit käme vor allem Männern zugute, denn die Unterstützungen beträfen nur bauliche Investitionen; es gebe keine direkte Förderung von Beschäftigung in Bildung, Erziehung und Gesundheit, so Wiesner.
Nur ein Bruchteil geht in den Kulturbereich
Im Baugewerbe betrage der Frauenanteil an den Beschäftigten nur ein bis 15 Prozent, im IT-Bereich 17 Prozent, erklärte die Wissenschaftlerin. Nur eine Milliarde Euro des Konjunkturpakets entfalle auf den Kulturbereich, in dem viele Frauen tätig sind.
Wiesner rügte, dass erwerbstätige verheiratete Frauen ein niedrigeres Kurzarbeitergeld oder ein niedrigeres Arbeitslosengeld I als die Männer bekommen, wenn sie zuvor nach Steuerklasse V besteuert wurden. Das Kurzarbeitergeld bemisst sich nach dem zuvor erzielten Nettoentgelt, dieses wiederum ist niedrig, wenn frau nach Steuerklasse V besteuert wird.
Denn die Steuerbelastung in der Klasse V ist hoch, weil der Mann im Gegenzug die Steuerklasse III in Anspruch nimmt, die eine relativ günstige Besteuerung vorsieht. Die Kombination beider Klassen wird oft von ungleich verdienenden Paaren gewählt.
Ulle Schauws erklärte, die Grünen forderten die Abschaffung der Steuerklasse V und des Ehegattensplittings. In einem Antrag an den Bundestag hatten die Grünen gefordert, die Coronamaßnahmen einem „Geschlechtergerechtigkeits-Check“ zu unterziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten