Corona in Sachsen: Wieder epidemische Notlage
Der sächsische Landtag debattierte über die Coronalage. Die radikalisierten Proteste und die Bedrohung von Ministerin Köpping wurden verurteilt.

Dieser Michael Kretschmer, Sachsens CDU-Ministerpräsident, macht währenddessen im Landtag in einer Sondersitzung militante Impfgegner und die hinter ihnen stehende AfD-Propaganda mitverantwortlich für die Rekordinfektionszahlen in Sachsen. Dem zur Beatmung im Krankenhaus liegenden AfD-Abgeordneten Ivo Teichmann wünschten er und andere hingegen baldige Genesung.
Bedauern von Kretschmer
In der Sitzung ging es erstmals in einem Bundesland um die Feststellung der epidemischen Notlage, nachdem diese auf Bundesebene ausgelaufen war. Mit ihr schöpft Sachsen die länderbezogenen Möglichkeiten des Paragrafen 28 im Bundesinfektionsschutzgesetz aus. Zugleich wird Rechtssicherheit für die bereits in der letzten Coronaschutzverordnung getroffenen harten Restriktionen geschaffen.
Dagegen stimmte am Ende nur die AfD, deren ungeimpfte Abgeordnete von der Zuschauertribüne herab die Debatte mit lärmenden Rufen begleiteten. Kretschmer bedauerte in einer leidenschaftlichen Rede, dass die Länder zu solchem Handeln gezwungen seien, „weil der Bund nicht will“ oder sich verspäte. Das sei eigentlich „ein abenteuerliches Verfahren“. „Ratlos und fassungslos“ mache ihn auch eine FDP, „die sich bei vielen Fragen selbst im Weg steht“. Zugleich äußerte Kretschmer „großes Zutrauen“ in den designierten neuen Kanzler Olaf Scholz.
Langen Beifall gab es von den demokratischen Fraktionen für die durchaus umstrittene Sozialministerin Petra Köpping (SPD). Am Freitagabend waren etwa 30 Coronaleugner mit Fackeln vor ihr Wohnhaus bei Grimma gezogen, flüchteten aber feige bei Eintreffen der Polizei. Köpping selbst nannte die Aktion „widerwärtig und unanständig“. Kretschmer, der selbst schon Opfer solcher Attacken wurde, sprach von Einschüchterung und verlangte beschleunigte Strafverfahren bei deren Ahndung. Neben weiteren Bundespolitikern nannte auch Scholz das Vorgehen eine „Bedrohung“, die man zurückweisen müsse.
„Hase- und-Igel-Spiel“ bei den Demos
Die Angriffe auf Köpping reihen sich ein in immer zahlreicher und militanter werdende Auftritte von Impfgegnern bundesweit, mit Schwerpunkt in Thüringen und Sachsen. In Thüringen sind Versammlungen eigentlich nur bis zu 35 Personen gestattet, in Sachsen mit 10 Personen. In Plauen und Auerbach im Vogtland und in mittelsächsischen Gemeinden kamen aber am Wochenende teils mehrere Hundert Menschen zusammen. Bei den „Montagsspaziergängen“ im erzgebirgischen Zwönitz wurde offen dazu aufgerufen, Kretschmer „abzuschießen“.
Wegen des nur milden und teils nachsichtigen Verhaltens der Polizei wurde Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) sogar von Albrecht Pallas kritisiert, Polizist und innenpolitischer Sprecher des Koalitionspartners SPD. An diesem Montag nun wollte Wöller Härte zeigen, lief aber zumindest vor dem Landtag in Dresden ins Leere. Die angekündigte Entschlossenheit des Innenministeriums ist aber offenbar vor allem auf erheblichen Druck des Sicherheitsdienstes im Landtag zurückzuführen.
Polizisten auf dem Vorplatz sprachen von einem „Hase- und-Igel-Spiel“ der Demonstranten und verwiesen auf deren flexible Rückzugstaktik. Denn am Montagabend nach Redaktionsschluss waren in mindestens fünf weiteren sächsischen Städten Demonstrationen geplant, etwa in Bautzen und Freiberg. Dort war zuletzt Rechtsextremist Jürgen Elsässer vom Compact-Magazin aufgetreten. Die Polizei wollte diesmal größere Aufmärsche unterbinden. Mittlerweile unterstützen auch Bürgermeister und Kommunalvertreter diesen Schutz geltenden Rechts konsequenter als bisher.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Wahlerfolg der Linken
Keine Zeit, jetzt lang zu feiern