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Corona in GroßbritannienLkws dürfen wieder in die EU

Paris und London haben sich auf eine Lockerung der Verkehrssperre geeinigt. Voraussetzung für Einreisen nach Frankreich ist ein negativer Coronatest.

Nach 48 Stunden Ausharren in Ashford: Lkws dürfen wieder nach Frankreich übersetzen Foto: Simon Dawson/reuters

Dover dpa | Nach 48 Stunden Grenzschließung dürfen Lastwagen wieder von Großbritannien nach Frankreich übersetzen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Fahrer einen negativen Coronatest vorlegen können. Verbände rechnen angesichts der schieren Menge an Lkws nicht damit, dass sich der Rückstau in der südostenglischen Grafschaft Kent rasch auflöst. Viele Fahrer werden deshalb das Weihnachtsfest nicht mit ihren Familien verbringen können.

Nach Schätzungen des britischen Verbands der Speditionsunternehmen RHA warten mittlerweile 8.000 bis 10.000 Fahrzeuge auf die Ausreise nach Frankreich. Das Land hatte wegen der rasanten Ausbreitung der neuen Coronavirusvariante die Grenzen zu Großbritannien auch für den Warenverkehr geschlossen.

Der britische Verkehrsminister Grant Shapps teilte mit, es seien ausreichend Schnelltests, die ein Ergebnis nach 30 Minuten anzeigen, in die Region geschickt worden. In der wichtigen Hafenstadt Dover kamen Mitarbeiter des Gesundheitsdiensts NHS an. Sie sollen gemeinsam mit Armeeangehörigen die Tests durchführen. RHA-Chef Richard Burnett betonte, dass auch der Einsatz von Schnelltests für erhebliche Verzögerungen in der Lieferkette sorgen würden.

Burnett warnte vor Gesundheitsrisiken. Zahlreiche Fahrer hätten noch immer keinen Zugang zu Sanitäranlagen. Zudem seien logistische Fragen ungeklärt, etwa die Unterbringung positiv getesteter Fahrer und die Reinigung ihrer Fahrerkabinen. Mehr als 2.000 Lastwagen parken auf einem stillgelegten Flughafen, Hunderte weitere auf der Autobahn. Minister Shapps lockerte unterdessen erneut die Ruhezeiten: Lkw-Fahrer dürfen nun elf statt neun Stunden am Steuer sitzen.

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6 Kommentare

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  • > Ein harter Brexit würde die Formalitäten vervielfachen und die benötigte Zeit zum Abfertigen eines LKW von ca. 2 Minuten auf im allerbesten Fall 20 Minuten erhöhen

    und, was vielleicht nicht jedermann klar ist: Letzteres wird die Kapazität der Transportverbindung auf etwa 10 % der vorherigen Kapazität senken. Bis die nötigen Ressourcen in Form von Software, ausgebildeten Sachbearbeitern, zusätzlichen LKW, Gebäuden und Hafenanlagen allesamt bereit stehen, was mindestens etliche Monate dauern dürfte.

  • Tja, würde man beim Warenverkehr auf die Bahn und das Schiff setzten, hätte man solche Probleme nicht.

    • @Senza Parole:

      Die ganze Thematik wurde schon bei der Diskussion der Folgen eines No Deal Brexit erörtert, Geschätzt wird, dass rund 40% der Lebensmittelversorgung in Großbritannien aus der EU kommen, davon ein sehr hoher Teil und vor allem frische Lebensmittel per LKW über Fähre auf der Dover/Calais Verbindung. Ein harter Brexit würde die Formalitäten vervielfachen und die benötigte Zeit zum Anbfertigen eines LKW von ca. 2 Minuten auf im allerbesten Fall 20 Minuten erhöhen (letzteres ist der Fall bei der etablierten und politisch unproblematischen Finnland / Norwegen Verbindung). Die Verbände der Transportunternehmen und die Lebensmittelindustrie warnen buchstäblich seit Jahren vor dem Kollaps dieses Frachtverkehrs.

      Dazu kommen noch essentielle Güter wie Chemikalien, mit denen Trinkwasser aufbereitet wird, die warnenden Geruchsstoffe, die in Erdgas für Haushalte gemischt werden, viele Medikamente, die man nicht lagern kann, und so weiter und so fort.

      Dazu kommt, dass heute viele hochverarbeitete Lebensmittel genau wie Autos in einer Just-in-Time Produktion angefertigt werden. Fehlt eine wesentliche Komponente, kommt kein Produkt vom Band.

      Die Reaktion der britischen Regierung auf diese Problematiken war der Abschluss zahlloser Non-Disclosure-Agreements mit betroffenen Unternehmen, die in Aussicht gestellte aber nie erfüllte Gegenleistung waren Informationen zur Planung.

      Tatsächlich gibt es heute nicht mal eine fertige Software für die Abwicklung der Importzölle. Wie auch - die Tarife und Warengruppen kennt niemand.

      Halleluja.

  • Und übrigens befürworten auch ganz viele Stellungnahmen von Wissenschaftlern, Epidemiologen, Drosten, Leopoldina und so weiter eine Suppressionsstrategie.

    Die ostasiatischen Länder, Neuseeland und Australien, und auch Finnland zeigen sehr deutlich, dass das geht - und auch für die Wirtschaft besser ist (von Friedhofsgärtnereien vielleicht mal abgesehen).

  • Es ist wenig dagegen einzuwenden, wenn man die Situation der LKW Fahrer auf sichere Weise verbessern kann.

    Aber absolut inakzeptabel ist es, dass es keine entschiedene und massive Reaktion auf die Beobachtung von nicht nur einer, sondern (mit der südafrikanischen) sehr wahrscheinlich gleich zwei Varianten des Virus, die sich deutlich schneller ausbreiten (und mit deutlichen Hinweisen darauf, dass sie auch jüngere Menschen schneller infizieren). Zwar haben wir noch keine wissenschaftlich endgültigen Ergebnisse, das ist so schnell auch gar nicht möglich, aber offensichtlich wird in UK eine Verdopplung trotz Lockdown innerhalb ein bis zwei Wochen beobachtet, und während die alte Variante aufgrund des Lockdown abnimmt, nimmt die neue rapide zu. Das ist nicht mehr plausibel nur mit statistischen Ausreißern zu erklären, beizpielsweise gehören selbst ganz im Norden in Schottland schon 15% der Fälle zur neuen Variante.

    Das es die Impfungen gibt, ist klasse, aber sie allein werden dieses Problem nicht löschen. Wenn auf diese neue Situation nicht sofort und massiv reagiert wird, ist die Gefahr gross dass wir sehenden Auges in eine Katastrophe laufen. Schon jetzt sind die Kapazitäten der Intensivstationen am Anschlag, die übrigens eine bescheuerte Regelgrösse sind, denn es wird auch viele Leute geben die an Langzeitfolgen leiden werden, das Tracking der Gesundheitsämter versagt schon lange, und die wirtschaftlichen Schäden aus dem halbherzigen Umgang mit der Pandemie werden auch immer grösser.

    Mit einem mutierten Virus, dass sich in einer Woche Verdoppelt, womöglich in einem Monat verzehnfacht. und und zwei Monaten verhundertfacht, würde unser Gesundheitssystem mit Sicherheit endgültig kollabieren.

    Wir brauchen endlich ein schnelles, entschiedenes, konsequentes, wirkungsvolles, und solidarisches Vorgehen, nämlich eine ZeroCovid Strategie.

    Guter Text hierzu, der auch von Wissenschaftlern unterstützt wird:

    medium.com/@mamasu...tegie-dea488ece9d8

    • @jox:

      Erklärung: Die Impfungen werden das Problem nicht lösen, denn sie können zwar grundsätzlich bis vielleicht Ende 2021 eine ausreichende Immunität herstellen (da die neue Variante absehbarerweise eine höhere Reproduktionszahl R hat, muss man einen höheren Teil der Bevölkerung impfen).

      Aber die Impfungen sind nicht schnell genug:



      Die neue Variante ist wahrscheinlich in einigen Dutzend Fällen schon da, wir sind also in einer vergleichbaren Situation zu den Heinsberg / Ischgl Brandherden, das heißt spätestens bis März dürften uns die Infektionszahlen mit dieser Variante buchstäblich um die Ohren fliegen.