Corona-Impfskeptiker im US-Basketball: Superstar in der Mangel
Für ungeimpfte Profis in den USA wie Kyrie Irving von den Brooklyn Nets wird der Spielraum kleiner und die Karrierebedrohung größer.
K yrie Irving ist unbestritten einer der besten Basketballer auf diesem Planeten. Er ist auch ein – sagen wir mal so – spezieller Typ. Seine Crossover-Dribblings sind toll, aber es gibt eben auch noch ein Leben neben dem Basketball – und das verläuft manchmal in Schlangenlinien. Vor vier Jahren hat der Aufbauspieler der Brooklyn Nets, damals noch in Boston unter Vertrag, in den Raum gestellt, die Erde könnte unter Umständen flach sein.
Er hätte ebenso gut behaupten können, die Sonne kreise um die Erde und Charles Darwin sei ein Hochstapler. Für all diesen Quark gibt es in den Staaten Käufer, aber Sympathie für die Flat-Earther-Verschwörungstheorie zu zeigen, ist ein Grund, am Verstand des 29-Jährigen zu zweifeln.
Es kam, wie es kommen musste: Unter Einflussnahme der NBA und deren Chef Adam Silver, der wie Irving an der Duke studiert hatte (Silver: „Er hat da wohl andere Kurse als ich besucht“), schwor Irving dem Unsinn ab und entschuldigte sich für seine absurden Mutmaßungen. Diese alte Geschichte wird in den US-Medien gerade wieder gern ausgegraben, um zu illustrieren, was für merkwürdige Schrullen dieser Kyrie Irving manchmal hat.
Zum Beispiel hat er sich noch nicht gegen Corona impfen lassen. Bei einem Medientag ließ er sich nur zuschalten, während seine geimpften Kollegen physisch anwesend waren. Auf die Frage eines Journalisten, ob er geimpft sei, erwiderte der Ballartist, das sei Privatsache.
Hauptsache, es leuchtet grün
Vor ein paar Monaten war das eine Selbstverständlichkeit, aber die vor allem politische Bewertung des Sars-CoV-2-Virus hat dazu geführt, dass diese Entscheidung nun in der Öffentlichkeit regelrecht zerpflückt wird. Die Tendenz ist klar: Wer sich bis dato noch nicht hat impfen lassen, ist ein potenzieller Flat-Earther, ein realitätsvergessener Trottel. Sieht man ja exemplarisch an Leuten wie Kyrie Irving.
Hier wie dort gilt: Es gibt zwar nur eine indirekte Impfpflicht, aber eine direkte, über die Impfung vermittelte Bekenntnispflicht: Wer ein guter Staatsbürger sein will und kein Sozialschädling, der macht mit. Jenseits des beklatschten Einverständnisses und des geächteten Neins gibt es nicht viel.
Wir leben mittlerweile in einer Gesellschaft, in der eine individuelle Gesundheitsentscheidung zum Maß aller Dinge wird, zu einem totalitären Prinzip: Ob man am öffentlichen und zunehmend auch beruflichen Leben überhaupt noch teilnehmen kann, hängt von der Bereitschaft ab, sich den Schuss geben zu lassen. Dabei ist nebensächlich, ob es sich um einen kerngesunden Sportler mit bester medizinischer Vorsorge handelt oder um die Oma im Heim, Hauptsache, die Nadel ist drin und der Gesundheitspass leuchtet grün.
Irvings Arbeitgeber ist in einer Stadt zuhause, die, was die Bekämpfung von Corona anbelangt, einen strengen Ritus bevorzugt, weswegen sich nun auch New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio des Impfverweigerers angenommen hat. Er möchte das störrische Dummerchen auf den rechten Weg führen. „Ich bin ein Fan von Kyrie. Ich möchte an ihn appellieren: Lass Dich impfen!“, sagt er. „Wir wollen dich zurück!“
De Blasio freut sich, dass nun einige Teams in der NBA komplett geimpft sind. Der Demokrat hatte im August verfügt, dass ungeimpfte Profis in New York in Innenräumen weder trainieren noch spielen dürfen. Für Irving könnte dies bedeuten, dass er keine Heimspiele für die Nets bestreiten darf.
Und nun? Ist Kyrie Irving raus? Bestreitet er nur Auswärtsspiele? Wie geht es anderen Profisportlern, die ähnlich denken? Müssen sie aus dem Sportbetrieb ausgesondert werden, weil sie der Kollektivierung einer Impfentscheidung skeptisch gegenüberstehen? Es sind Fragen, die der Sport allein nicht beantworten kann. Sie sind zu groß. Und ihre Sprengkraft ist enorm.
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