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Corona-Bonus bei SchulnotenMamas Dreisatz zählt nicht

Anna Klöpper
Kommentar von Anna Klöpper

Die Ungleichheit an den Schulen wird jetzt noch größer. Der Vorschlag der GEW, benachteiligten Schülern einen Bonus beim Zeugnis zu geben, ist gut.

Ein Junge bekommt Unterstützung von seiner großen Schwester beim Lernen Foto: Petra Schneider/imago

I n Krisenzeiten ist es in der Regel so, dass die mit dem dicksten Polster und den größten Reserven am besten über die Runden kommen. Das gilt in der Coronakrise in besonderem Maße auch für SchülerInnen: Die, die zu Hause ohnehin Ressourcen haben, aus denen sie schöpfen können – engagierte Eltern, einen internetfähigen Computer, eine gewisse Tages- und Lernstruktur, Geld für Nachhilfe –, werden die wochenlang geschlossenen Schulen problemlos wegstecken. Die, die das alles nicht haben – eben nicht, davon darf man einfach mal ausgehen.

Anders gesagt: Es wird noch ungerechter als ohnehin schon in den Schulen zugehen. Denen, die haben, wird gegeben – nämlich gute Noten und eine Versetzung ins nächste Schuljahr. Für alle, die fünf Wochen – vielleicht werden es auch mehr sein – weit weg von Dreisatz und Rechtschreibfitness verbracht haben, wird es noch schwerer sein als in Zeiten vor Corona. Die ohnehin vorhandene Chancenungleichheit an den Schulen wird noch größer werden. Zu pessimistisch? Hoffen wir’s mal. Tatsächlich wird es jetzt darauf ankommen, wie beweglich und kreativ die Kultusministerien sind. Der Vorschlag der Lehrergewerkschaft GEW, benachteiligten SchülerInnen einen „Coronabonus“ auf die Zeugnisnote zu schlagen, ist deshalb gerade richtig gedacht.

Zwar ist noch unklar, was sich die Gewerkschaft darunter eigentlich genau vorstellt – die Bewertung bei einigen Schülern einfach auszusetzen, wird es wohl kaum sein, das würde eine intransparente Bevorzugung nur begünstigen.

Aber über das Wie könnten die Kultusminister sich ja gemeinsam den Kopf zerbrechen – gemeinsam, weil von einem ebensolchen Vorgehen auch abhängen wird, wie entschlossen und zügig in den einzelnen Ländern tatsächlich agiert werden wird.

Klar ist nur: Alle Leistungen, die die SchülerInnen in den „Coronaferien“ beim Homeschooling erbracht haben, sollten nicht zensiert werden. Wenn Mama und Papa den Dreisatz beherrschen, ist das schön für sie, zählt aber nicht.

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Anna Klöpper
Leiterin taz.eins
Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.
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7 Kommentare

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  • In der Not (Lehrermangel und Coronakrise) bemerkt man plötzlich wie wichtig und wertvoll (grundständig ausgebildete und erfolgreich seiteneinsteigend-nachqualifizierte) Lehrer sind!!!



    Boni im Schulwesen, wer erfindet solchen Quatsch, sollen Schüler Bildungs-Ausfall-Boni, graduiert nach planungstechnischem oder gebäudetechnischem Unterrichtsausfall, Eigenkrankheit, Lehrerkrankheit, ..., hitzfrei bis hin zu Pandemie, erhalten? Ein Problem der Leistungsbewertung besteht nur bei Abschlußklassen!



    Vorschlag hier: nach Lockerung der strengen Corona-Vorschriften Konsultationen zu den zuvor zurück gegebenen, korrigierten und berichtigten häuslichen Ausarbeitungen in kleineren Gruppen tagesverteilt organisieren und danach eine schriftliche Leistungskontolle (Test / Klassenarbeit) dazu. Aber für diese Gruppen laufen die Bewerbungen mit dem Halbjahreszeugnis bereits. Gut waren immer meine Schüler mit der Empfehlung beraten, schon zu Beginn eines Schuljahres ein gesichertes Notenpolster zu schaffen, sich nicht allzu sehr oder allein auf Endspurtnoten zu verlassen, denn Unterrichtsausfall aus "zehn" verschiedensten Gründen kann es immer geben.



    Hier mein Vorschlag für alle Nicht-Abschlußklassen: Verlängerung des Schuljahres 2019/20 in allen Bundesländern mit Aussetzung von Jahreszeugnissen und Versetzungsvermerk auf 6 Wochen nach ursprünglich geplantem Beginn des neuen Schuljahres. Ferner sollen Anträge der Sorgeberechtigten auf --freiwilliges-- Wiederholen des letzten Schuljahres sofort bis spätestens zum 01.12.20 nach Zustimmung der Schule früher aber bis Unterrichtsbeginn Jan. 2021 möglich sein. So sehe ich eine weitgehendst gerechte Lösung.

  • Kann die Autorin eine Quelle angeben für diese Forderung der GEW?

  • Bevor die bewusst von unserem Bildungssystem Benachteiligten wild umsich treten wirft man ein paar Brotkrumen hin.



    Ein Bonus ist ein Armutszeugnis an das Bildungssystem denn ohne jeden Zweifel wäre passend zugeschnittene und nachhaltige Förderung und Unterstützung der richtige Weg.



    Aber das kostet natürlich - im Gegensatz zu irgendwelchen Boni.

  • Hausaufgaben dürfen generell nicht bewertet werden. Da braucht es kein "sollten".

  • Den Bonus bekommen dann also die Schüler, deren Eltern besonders eloquent darlegen können, warum gerade ihre Kinder benachteiligt sind.

  • "Anders gesagt: Es wird noch ungerechter als ohnehin schon in den Schulen zugehen. Denen, die haben, wird gegeben – nämlich gute Noten und eine Versetzung ins nächste Schuljahr."

    Besser gesagt: Die bereits vorhandenen Bildungsunterschiede werden durch den zeitlichen Wegfall der Schulen noch vergrößert - eben weil Schulen nicht nur der Hort Ungerechtigkeit sind, sondern wenigstens zu einem Teil die Unterschiede ausgleichen können.

    Weniger maliziös und peppig - dafür aber logisch.

    • @pitpit pat:

      Wenn die nächste Schnellzugbrücke von denen konstruiert und erbaut wird, die mit Bonuspunktesammlungen durchs Leben gehen, dann ist es keine gute Idee.

      Ungleichheit her oder hin. Und diese Bonuspunkte Sammlung werden ja nicht nur im Schulbereich sondern auch im Hochschulbereich diskutiert.

      Zur Abschaffung von Ungleichheit das Bildungsniveau nivellieren ist für eine Gesellschaft fatal.

      Das ändert selbstverständlich nichts daran, dass die Bildungsmöglichkeiten und die reale intellektuelle Bildung von Kindern in Deutschland heutzutage abhängig sind von den Herkunftsfamilien.

      Was macht eigentlich Finnland gerade? Wie wäre der Blick über den Tellerrand?



      Wie gehen die mit der Ungleichheit in dieser Situation um? Deutschland ist ja in Sachen Bildungschancen nicht gerade Vorreiter*in...

      Und eine - weitere - Perspektive:



      Und wie wäre es damit, die intellektuelle Bildung mal so ein bisschen zu rahmen durch die Anerkennung anderer Kompetenzen?



      Es ist seit Jahren Politik, dass alle Kids auf die Hochschule sollen. Auch die, die intellektuelle Leistung nur mit Mühe erbringen. (Was meinerseits eine Beschreibung ist, Abwertung.) Es wird so diskutiert, dass handwerkliche oder emotionale Kompetenz als weniger wert erscheinen.

      Warum eigentlich? Warum wird jemand, der Mathe nicht kann als weniger Wert betrachtet in seinem Lebenslauf und quar Entlohnung?



      Warum bekommt dann jemand in Konsequenz in der Altenpflege weniger Geld als im Ingenieursberuf.