Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen: Schluss mit Subunternehmen
Die Bundesregierung will große Schlachtbetriebe zum Einsatz eigener Arbeiter verpflichten. Es ist eine späte Reaktion auf alte Missstände.
Anlass sind die jüngsten Ausbrüche von Coronainfektionen bei ausländische Arbeitern in einigen Zerlegebetrieben. Dabei gerieten die seit langem bekannten Defizite in den Wohnheimen und an den Arbeitsplätzen selbst wieder ans Licht. „Diese Missstände sind unwürdig und gefährlich“, betont Heil, der sein Vorhaben in einem Zehn-Punkte-Plan zusammengefasst hat.
Demnach wird das Arbeitsschutzgesetz dahingehend novelliert, dass Risikobranchen künftig stärker kontrolliert werden. Der Minister will den dafür zuständigen Ländern eine verbindliche Kontrollquote vorgeben. Noch unklar ist, wie die Unterbringung der Werksarbeiter verbessert werden kann. Die Bundesregierung will prüfen, wie die Unternehmen zur Einhaltung von Mindeststandards in den Wohnheimen verpflichtet werden können. Die Unternehmen werden darüber hinaus dazu verpflichtet, die Behörden über die Wohn- oder Einsatzorte ausländischer Arbeiter zu informieren.
Kernpunkt ist das Verbot von Werkvertragsgestaltungen. Ab dem 1. Januar 2021 ist das Schlachten und Verarbeiten von Fleisch nur noch Betriebsangehörigen, also eigenen Arbeitern erlaubt. Das gilt für große Betriebe, deren Kerngeschäft dies ist. Handwerkliche Schlachtbetriebe sind davon ausgenommen.
Höhere Strafen für Verstöße
Weitere Vorschriften ergänzen den Schutz der Arbeitnehmer. Unter dem Namen „Faire Mobilität“ will Heil sicherstellen, dass Unternehmen diese in ihrer Heimatsprache über die hier geltenden rechtlichen Vorschriften informieren. Auch sollen die Arbeitszeit digital erfasst und Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz mit künftig 30.000 Euro statt bisher mit 15.000 Euro bestraft werden. Schließlich werden ausländische Botschaften durch das Arbeits- und das Landwirtschaftsministerium zeitnah über Krankheitsausbrüche bei Arbeitern aus deren Ländern informiert.
Das Paket will Heil schnell umsetzten. Dazu braucht er eine Mehrheit im Bundesrat. Die CDU unterstützt das Vorhaben. „Es gibt Zustände in der Fleischindustrie, die sind nicht haltbar“, räumt Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner ein. Der Einsatz von Subunternehmen gehe zulasten der Arbeiter. Rückendeckung gibt es auch von den Grünen, die allerdings weitergehende Forderungen erheben. „Die brutale Preistreiberei zulasten von Tieren, Bauern, Umwelt und Arbeitnehmern muss beendet werden“, verlangt Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter und erneuerte die Forderung nach einer Tierschutzabgabe. Diese könne artgerechte Haltung finanzieren.
Die Missstände in den Zerlegebetrieben großer Konzerne sind seit Jahren bekannt. Getan wurde dagegen zu wenig, wie sich jetzt zeigt. Dominiert wird dieses Geschäft von wenigen Fleischkonzernen. An die Spitze steht das Unternehmen Tönnies, dessen Besitzer vielen auch als Präsident von Schalke 04 bekannt ist. Auf dem zweiten Platz steht Westfleisch, dessen Name den meisten Menschen erst durch den heftigen Ausbruch von Corona-Infektionen in der vergangenen Woche geläufig geworden ist. Der Handlungsdruck steigt mit den Ausbrüchen auch, weil damit die Lockerung der Beschränkungen für die Bevölkerung in der Umgebung zurückgefahren werden muss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe