Corona-Aufbaufonds der EU: Europa will sich schuldig machen
Die EU-Kommission ist zuversichtlich, dass der Corona-Aufbaufonds bald starten kann. Er umfasst 750 Milliarden Euro. Doch noch ist vieles unklar.
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Die EU wird zu einem der weltweit wichtigsten Emittenten von in Euro gehandelten Bonds und grünen Anleihen. Dies kündigte Haushaltskommissar Johannes Hahn am Mittwoch in Brüssel an. Er sei zuversichtlich, dass der 750 Milliarden Euro schwere Corona-Aufbaufonds, für den die Anleihen platziert werden, pünktlich starten kann, sagte Hahn – trotz einer Klage beim Bundesverfassungsgericht.
„Ich habe keinen Plan B“, sagte Hahn mit Blick auf den „Hängebeschluss“, den die Karlsruher Richter erlassen hatten. Dieser Beschluss führt dazu, dass Deutschland bis auf weiteres kein grünes Licht für die EU-Schulden geben kann. Neben Deutschland stehen noch neun weitere Länder auf der Bremse. Dies mache ihm jedoch keine Sorge, so Hahn.
Er gehe fest davon aus, dass bis Ende Juni alle 27 EU-Länder den so genannten Eigenmittelbeschluss ratifizieren, der für den Gang an die Anleihemärkte nötig ist. Die Botschaft sei klar, so Hahn: „Sobald die Kommission rechtlich dazu in der Lage ist, Kredite aufzunehmen, sind wir bereit loszulegen.“
Brüssel bricht damit ein Tabu. Noch vor einem Jahr wäre es undenkbar gewesen, dass sich die EU in großem Stil Geld leiht. Vorschläge für Eurobonds und Corona-Anleihen lagen zwar auf dem Tisch. Doch Deutschland und die „geizigen Vier“ (Holland, Österreich, Schweden und Dänemark) sträubten sich. Das Verschuldungsverbot im EU-Vertrag stehe dagegen, argumentierten sie.
Erst die Corona-Krise und ein deutsch-französischer Kompromiss machten den Weg frei, beim EU-Gipfel im Juli 2020 wurde das schulden-finanzierte Programm „Next Generation EU“ auf den Weg gebracht. Da hatte die EU-Kommission bereits erste Erfahrungen mit der Schuldenaufnahme gemacht – mit dem Kurzarbeitergeld SURE, das sich als großer Erfolg erwies. Nun folgt der zweite, entscheidende Schritt. Insgesamt geht es um 800 Milliarden Euro, die die EU-Kommission bis 2026 für den Corona-Aufbaufonds aufnehmen will. Dies führt zu einem Kreditvolumen von rund 150 Milliarden Euro pro Jahr.
Zurückzahlung unklar
Etwas weniger als ein Drittel davon, nämlich 250 Milliarden Euro, soll in „Green Bonds“ – also grünen Anleihen – begeben werden. Damit will Brüssel umweltverträgliche Technologien fördern und den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft vorantreiben. Wie das genau funktionieren soll, ließ Hahn jedoch offen.
Unklar ist auch, wie die EU die Anleihen zurückzahlen will. Ein fertiges Konzept gibt es nicht; erst Ende Juni will die EU-Kommission erste Vorschläge für neue Eigenmittel, also Steuern und Abgaben, vorlegen. Klar ist nur, dass alle Anleihen bis 2058 zurückgezahlt werden sollen – aus dem EU-Haushalt.
Kritiker fürchten, dass dies zu massiven Kürzungen führen dürfte. Die EU werden den Gürtel nach der Coronakrise enger schnallen und große Ausgabenposten kürzen müssen, so die Sorge. Optimisten halten dagegen, dass Brüssel neue Einnahmen durch die Digitalsteuer oder die langdiskutierte Finanztransaktionssteuer erschließen werde. Diese eigenen Abgaben wären auch eine Premiere für Europa.
Dauerhafte Schuldenfinanzierung
Zudem fordern Frankreich und Italien, die EU dauerhaft durch Schulden zu finanzieren, auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) liebäugelt mit diesem Gedanken. Die aktuelle Beschlusslage lässt dies jedoch nicht zu. „Next Generation EU“ ist auf die Coronakrise begrenzt und soll danach auslaufen.
Auch Eurobonds für die Eurozone sind nicht geplant. Die Kommission setzt vielmehr auf „EU-Bonds“ mit Laufzeiten von 3 bis 30 Jahren sowie auf „EU-Bills“ mit Laufzeit von unter einem Jahr. Der Tabubruch wird mit unverdächtigen Namen getarnt.
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