Choreografin über Miss Black Germany: „Schönheit ist unterschiedlich“
Die Wahl zur Miss Black Germany soll für Diversität in der Modebranche sorgen. Joelle Bertelmann trainiert die Kandidatinnen.
taz: Frau Bertelmann, von US-Model Ebonee Davis stammt dieser Satz: „Mir wurde gesagt, dass schwarze Models entweder so aussehen, als ob sie direkt aus einem afrikanischen Dorf importiert wurden, oder wie weiße Models, die in Schokolade getaucht wurden.“
Joelle Bertelmann: Das hat sie Anfang 2017 gesagt, oder?
Genau. Ist die Modebranche auch bei uns so rassistisch, dass nur eine Wahl zur Miss Black Germany hilft?
So würde ich das nicht sehen. Natürlich setzen wir mit der Miss Black Germany Wahl ein Zeichen pro Diversität. Letztlich geht es aber darum, dass wir eine tolle Show auf die Beine stellen werden, da spielt die Politik keine Rolle. Zumal die Situation für dunkelhäutige Models mit den Jahren einfacher geworden ist.
Sie sagen, „mit den Jahren“ sei es einfacher geworden. Von welchen Zeiträumen sprechen wir da?
Als ich angefangen habe zu modeln – das war so mit 14, 15, 16 …
… Sie haben uns leider noch nicht gesagt, wann Sie geboren sind.
Das war… – oh, schwieriges Thema! Ich will ja eigentlich nicht verraten, wie alt ich bin. Wenn du dein Alter sagst – egal mit welchen Leuten du zu tun hast –, dann beeinflusst das immer auch die Arbeit. Orientieren wir uns lieber an der großen Zeit der bekannten Models: Claudia Schiffer, Naomi Campbell, Heidi Klum. Gerade Naomi Campbell hatte es anfangs sehr, sehr schwer. Erst eine Freundin hat sie dazu gedrängt, dran zu bleiben. Und dann hat sie den Durchbruch in den USA und schließlich weltweit geschafft. Ich glaube, das hat uns alle gepusht.
Die Wahl zur Miss Black Germany findet am Freitag, den 18. Mai, im Berliner Loewe Saal statt. Beginn ist um 21 Uhr. Dann werden sich 25 Frauen zwischen 18 und 28 Jahren in Szene setzen.
Wie beurteilen Sie den deutschen Markt für dunkelhäutige Models?
Mit der wachsenden Präsenz von dunkelhäutigen, kaufkräftigeren Menschen in Deutschland wächst natürlich auch die Nachfrage nach dunkelhäutigen Models. Vor 15 Jahren waren dunkelhäutige Menschen in weniger elitären Jobs tätig, zumindest nach meinem Empfinden.
Bei der wichtigsten Modenschau Südamerikas, der São Paulo Fashion Week, wurde 2009 eine 10-Prozent-Quote für schwarze Models eingeführt. Staatsanwältin Deborah Affonso koordinierte die Arbeitsgruppe. Sie sagte: „Wir wollen keine Quoten für Rassen einführen, aber die soziale Integrierung fördern.“ Was hielten Sie von einer 10-Prozent-Quote bei der Wahl zur Miss Germany?
(überlegt lange) Interessant! Das fände ich sinnvoll – solange, bis es normal ist, dass Deutschsein nicht mehr nur hellhäutig sein bedeutet.
Wie sind Sie Model geworden?
Meine Tante hat mich damals – wann genau kann ich nicht verraten …
… wegen des Alters ...
… zu einer Miss Wahl gebracht. Vorher bin ich vor allem auf afrikanisch geprägten Veranstaltungen gelaufen. Ich habe früh bemerkt, dass es Spaß macht, sich auf einem Laufsteg zu inszenieren. Ein wahnsinnig schönes Gefühl, das hat mir viel Selbstvertrauen gegeben.
modelte bis 2009 selbst. Sie stammt aus einem kleinen Dorf nahe Freiburg. Sie wohnt seit 2004 in Berlin und arbeitet seit 2009 als Catwalk-Trainerin und Choreografin – auch für die Kandidatinnen, die zur Wahl der Miss Black Germany stehen.
Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Miss Wahl?
Die fand im … – oh Gott, das darf man eigentlich gar nicht laut sagen – … Kinzigtal statt. Gesucht wurde die Miss Kinzigtal.
Offenburger Raum, Südbaden.
Gengenbach um genau zu sein, da wurde ich dann Dritte. Es ging weiter zur Miss Schwarzwald, wo ich sogar Erste wurde. Die Schlagzeile in der Lokalzeitung lautete dann: „Schwarze wird Miss Schwarzwald“.
Hat Ihre Hautfarbe bei der Wahl selbst auch irgendeine Rolle gespielt?
Gute Frage (überlegt). Eher nicht, würde ich sagen … obwohl … na gut, doch. Es gab schon welche, die gesagt haben: Wow, da ist diesmal ja noch eine Schwarze mit dabei. Da hat schon jeder geguckt.
Ganz klischeehaft könnte man vermuten, dass im Schwarzwald bei solchen Wahlen eher „Schwarzwald-Mädel“ bevorzugt werden, mit blonden Zöpfen, dieser typischen Tracht – …
… und mit Bommelhut!
Und dann gewinnt eine schwarze Frau.
Tja, was soll ich sagen: Offenbar ging das. Erst bei der Baden-Württemberg-Wahl war mein Siegeszug dann zu Ende. Man muss leider sagen, dass ich nicht die einzige war, der es so ging. Es gab noch nie eine schwarze Miss Germany.
Sie glauben, was regional funktioniert, klappt auf nationaler Ebene nicht?
Damals habe ich mir darüber nicht so viele Gedanken gemacht. Hat halt nicht geklappt. Ich habe einfach weitergearbeitet, bin weiter gelaufen. Aber das System begünstigt schwarze Models sicher nicht.
Sie stammen aus einem kleinen Dorf bei Freiburg. Welche Erfahrungen haben Sie mit Alltagsrassismus gemacht?
Als ich jünger war, da war ich die einzige Dunkle im Dorf. Sogar die „dunkelste“, weil meine Mutter und meine Schwester beide etwas heller sind. In meiner Kindheit war es so, dass schwarz sein als hässlich galt. Man fand es einfach nicht schön, ich fand es einfach nicht schön. Erst mit der Pubertät hat sich das für mich geändert – und mit Tic Tac Toe.
Die Band Tic Tac Toe? Lee, Jazzy und Ricky, ehrlich?
Die drei waren unglaublich wichtig, für alle Schwarzen in der Region. Die fanden wir total toll! Über die haben sich alle gefreut, das waren gute Botschafterinnen.
Weil die klare Ansagen machten und selbstbewusst rüberkamen?
Jaaa, total. Wir konnten dann rumlaufen und einen auf Tic Tac Toe machen. Die Leute dachten natürlich, dass wir schwarzen Mädels alle so drauf sein müssten wie Tic Tac Toe.
Und – waren Sie so drauf?
Man hat versucht, sich entsprechend anzupassen, obwohl man vielleicht gar nicht so drauf war. Es ist jedenfalls ein Unterschied, ob man eine Rolle aufgedrückt bekommt oder sie freiwillig nimmt. Teilweise hat man schon gedacht, man müsste plötzlich so sein, wie es die anderen von einem erwarteten, das hat man vielleicht auch eher unterbewusst so verarbeitet.
Das heißt, Sie haben die aufgedrückte Rolle ein Stück weit angenommen?
Natürlich. Die Gesellschaft formt einen. Man weiß, man ist anders, weil es die anderen so sehen. Man weiß aber nicht genau, woraus das Anderssein nun bestehen soll. Vielmehr denkt man: Ich bin natürlich genauso wie die anderen. Für mich spielt meine Hautfarbe ja keine Rolle, sondern …
… nur für die weiße Mehrheitsgesellschaft.
Genau. In der Grundschule hatte ich eine Freundin, die mir irgendwann sagte: „Meine Eltern erlauben mir leider nicht, dass ich dich einlade, weil du schwarz bist. Tut mir leid.“ Ach o.k., hab ich gedacht, dann eben nicht. Erst Jahre später wurde mir bewusst: Wow! Was ist das denn für eine Einstellung?
Besteht der Kontakt noch?
Nein, aber nicht wegen der Geschichte. Das hat sich einfach verlaufen, wie so viele Bekanntschaften.
2009 gründeten Sie eine Agentur für Models mit Migrationshintergrund und arbeiten seither als Choreografin und Catwalk-Trainerin. Die Agentur gibt es nicht mehr, aber welche Menschen haben Sie bevorzugt „gescoutet“?
Mir geht es vor allem um Persönlichkeit, um Typen. Das können ganz normale Leute von der Straße sein. Jeder kann modeln, jeder kann schön sein lernen. Schönheit kommt von innen, und das ist keine Floskel. Es lässt sich viel verändern, wenn man sich nicht schön findet: Haare, Haltung, Make-up, Gangart, sich notfalls sogar operieren lassen. Na gut … OPs sind jetzt nicht so mein Ding. Man kann aber schon mit Körperhaltung und Technik sehr viel bewirken und das unter anderem durch ein Catwalk-Training erreichen.
Schauen Sie sich auch Techniken von „Germany’s next Topmodel“ ab?
Von manchen Dingen und Personen – Bruce Darnell oder Jorge zum Beispiel – lasse ich mich inspirieren, aber generell funktionieren meine Workshops anders: Mach nicht aus einem Löwen eine Giraffe, sondern die beste Löwen-Version.
Ist GNTM zu uniform?
Ich würde mir nie erlauben, über die Arbeit anderer zu reden.
Aber?
Kein aber. Ich respektiere Heidi Klums Arbeit. Meckern, kritisieren, das können alle. Ich will nicht meckern, ich will was tun. Deshalb sage ich: Schönheit ist sehr unterschiedlich. Jeder kann schön sein. Früher waren große Rundungen hässlich. Seit Kim Kardashian „vorgeprescht“ ist, sind Rundungen plötzlich wieder „in“. Gott sei Dank wird Schönheit vielfältiger.
Was eine Mrs.-Black-Germany-Wahl dann überflüssig macht. Das muss das Ziel sein, oder?
Ganz ehrlich: Natürlich verstehe ich den politischen Aspekt, am Ende soll es aber vor allem um den Spaß an der Sache gehen. Wir wollen niemanden ausschließen, sondern eine zusätzliche Plattform zum bestehenden Angebot bieten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch