Chinas Wirtschaft wächst weiter: Der Lockdown hat's gebracht

Die Volksrepublik verzeichnete 2020 ein deutliches Plus. Neben wachsender Ungleichheit könnte aber auch Corona nochmal zum Problem werden

Eine Frau mit Gesichtsmaske betrachtet einen kleinen Überwachungsroboter

Die Wirtschaft in China wächs: Auch Messen können wieder statt finden Foto: Chinatopix/ap

PEKING taz | Chinas Wirtschaft hat 2020 deutlich zugelegt und die Erwartungen vieler Beobachter übertroffen. Der Leiter des nationalen Statistikamtes, Ning Jizhe, sagte am Montag, dass die Zahlen „in die Annalen der Geschichte eingehen“ würden. Während der Rest der Welt im Coronajahr in die Rezession abdriftete, legte die Volksrepublik im vierten Quartal mit einem Wachstum von 6,5 Prozent einen fulminanten Schlusssprint hin. Im Schnitt wuchs die Wirtschaft des Landes 2020 um 2,3 Prozent. Doch auch der Unterschied zwischen Arm und Reich wird größer.

Peking verfolgte das Credo, die Infektionszahlen zunächst auf annähernd null zu drücken, um dann die Wirtschaft wieder vollständig hochzufahren. Im Gegensatz zu anderen Staaten wie etwa Neuseeland, Südkorea oder Taiwan, die die Viruskrise bislang ebenfalls gut gemeistert haben, hat der riesige chinesische Markt allerdings den Vorteil, über eine vollständige Wertschöpfungskette zu verfügen. Ob Medizinausrüstung oder Computer fürs Homeoffice: Viele Produkte, die derzeit gebraucht werden, sind made in China.

Nachdem die erste Viruswelle mit drastischen Lockdowns unter Kontrolle gebracht war, schloss der Staat seine Grenzen und führte ein strenges Quarantäneregime ein, um die Gefahr von importierten Virusinfektionen zu mindern. So konnten bereits Ende April, nach einem historischen Wirtschaftseinbruch im ersten Quartal von 6,8 Prozent, die Fabriken wieder hochgefahren werden. Viele Firmen sattelten damals auf die Produktion von Gesichtsmasken oder medizinischer Schutzausrüstung um, was die Wirtschaft anschob. Wesentlich langsamer als die Industrieproduktion wuchs der Konsum, der erst im Laufe des Sommers Normal­niveau erreichte.

Interessant ist auch ein Vergleich mit der Weltwirtschaftskrise 2008: Damals setzte Peking vor allem auf staatliche Infrastrukturinvestitionen, um die Ökonomie wieder anzukurbeln. Dieses Jahr jedoch haben Investitionen in Autobahnen, Brücken oder das Bahnnetz eine geringe Rolle gespielt, erklärt Robin Xu von der Großbank UBS in Schanghai: „Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass China im Vergleich zu den meisten anderen Ländern das Coronavirus unter Kontrolle gebracht hat und dadurch über eine intakte Wertschöpfungskette verfügt.“ Wenige Infrastrukturinvestitionen sollten lediglich die Beschäftigung der rund 50 Millionen Arbeitsmigranten in der Baubranche absichern.

Das chinesische Neujahrsfest fällt wohl aus

Im weltweiten Vergleich ist Chinas wirtschaftliche Erholung eine Erfolgsgeschichte: Die globale Wirtschaft wird schließlich um mehr als 4 Prozent sinken, die der USA um rund 3,6 Prozent und die der Europäischen Union sogar um mehr als 7 Prozent.

Dennoch sind die Wirtschafts­daten 2020 die schwächsten seit Ende der Kulturrevolution vor rund 45 Jahren, zuletzt ist die zweitgrößte Volkswirtschaft mit rund 6 Prozent gewachsen. Vor allem aber hat sich in China während des Coronajahrs auch das Problem der sozialen Ungleichheit weiter verschärft; ein Problem, das gesellschaftlichen Sprengstoff für den Staat birgt. Denn im Vergleich zur Konjunktur wächst das verfügbare Einkommen der Bevölkerung langsamer.

Zudem ist die Einkommensschere zwischen der Land- und Stadtbevölkerung ebenfalls leicht auseinandergegangen: Das Einkommen der Städter ist derzeit knapp dreimal so hoch. Die größte Gefahr für die Wirtschaft liegt aktuell jedoch in den derzeit grassierenden Infektionsketten, die mit knapp 1.000 Infizierten zu den gefährlichsten seit über einem halben Jahr zählen – vor allem, da die Dunkelziffer der Ansteckungen wohl deutlich höher liegen dürfte.

Die Regierung rief daher vor Kurzem die Bevölkerung dazu auf, für das anstehende chinesische Neujahrsfest keine Reisen zu unternehmen. Was für viele Familien, die sich seit Monaten oder gar Jahren nicht gesehen haben, eine persönliche Tragödie bedeutet, könnte sich gesamtwirtschaftlich jedoch möglicherweise positiv auswirken: Zum einen wird die Industrieproduktion durch die ausgefallenen Ferientage erhöht, zum anderen zahlen viele Unternehmen finanzielle Anreize an Angestellte, die auf Familienbesuche verzichten – was wiederum den Konsum beleben könnte.

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