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Chinas Elite verteidigt Ukraine-InvasionAn der Seite Russlands

Während Chinas Regierung sich nach außen neutral gibt, äußern sich Intellektuelle des Landes offener – und ergreifen Partei für Russland.

China lässt sich nicht so leicht aus dem Konzept seiner Russlandpolitik bringen Foto: Jason Lee/reuters

Mit einer Portion Selbstverliebtheit trat Chinas Außenminister Wang Yi am Samstag vor die Presse. Dabei behauptete der Spitzendiplomat, dass sein Land in der Ukrainekrise „auf der richtigen Seite der Geschichte steht“. Doch Fakt ist: Chinas Diplomaten vermeiden es, Russland überhaupt als Aggressor zu benennen. Die Invasion in der Ukraine ist für viele nach wie vor eine „spezielle Militäroperation“. Insofern steht die Volksrepublik derzeit vor allem an der Seite eines Pariastaats.

Oder etwa doch nicht? Die Kommunikation der Volksrepublik ist ein ständiges Hin und Her. Insbesondere auf den westlichen Onlineplattformen schlagen die Botschafter und Journalisten der Staatsmedien deutlich moderatere Töne an. Sie sprechen wiederholt von der eigenen Neutralität, erwähnen die menschlichen Tragödien aufseiten der ukrainischen Zivilbevölkerung in diesem beinahe vier Wochen alten Krieg.

Doch auf den heimischen sozialen Medien ist die Tonart eine andere. „Einige Chinesen fordern, dass wir dem Westen folgen und die russische Invasion der Ukraine verurteilen sollten. Das ist naiv“, schreibt Hu Xijin auf seinem Weibo-Account. Hu gilt nach wie vor als einflussreichster Publizist des Landes, als ehemaliger Chefredakteur der boulevardesk-nationalistischen Parteizeitung Global Times ist er ein zuverlässiger Seismograf für die Stimmung des gemeinen Volks.

Was Hu zu sagen hat, lässt keinen Zweifel daran, auf welcher Seite die Regierung stehen sollte: „China, und nicht Russland, ist Amerikas hauptsächlicher Herausforderer“, heißt es. Von daher sei jedes Land ein strategischer Partner, das sich gegen die US-Hegemonie stellt. Zudem würde man sich mit Russland gegenseitig diplomatisch unterstützen – auch in Bezug auf die „inneren Angelegenheiten“ Xinjiang, Hongkong oder Taiwan.

Westliches Wunschdenken

Eine solche Denkweise, die die Wurzel allen Übels auf die Vereinigten Staaten zurückführt, ist stark verbreitet unter Chinas Parteikadern. Was jedoch überrascht, ist, dass die Regierung nach außen den Westen beschuldigt, einer Mentalität des Kalten Krieges anzuhängen, während man diese im Inneren selbst aktiv befördert. Doch innerhalb des stark zensierten chinesischen Internets erkennen nur die Wenigsten die Ironie des Ganzen.

Hu Xijin schreibt ganz unverhohlen, dass die Konfrontation zwischen Peking und Washington unweigerlich in einen Krieg münden würde. Und dass man die Nuklearwaffen Russlands unbedingt brauche, damit die atomare Abschreckung der USA nicht mehr greifen könne. Das klingt geradezu konträr zu den Äußerungen europäischer Spitzendiplomaten, die zuweilen China als neutrale Vermittler ins Boot holen wollen.

Allein, dass sich Peking an den Wirtschaftssanktionen gegen Russland beteiligen könnte, ist gänzliches Wunschdenken. Diao Daming, Politologe der renommierten Pekinger Renmin-Universität, sagte dazu in einem Interview: „China wird kein Land nötigen und auch niemals äußeren Zwang von irgendeinem Land akzeptieren.“

Politologe will sich nicht beirren lassen

Wer freien Informationszugang hat, weiß, dass China wie kaum ein zweiter Staat seine Wirtschaftsmacht einsetzt, um Abweichler mit Handelsboykotten und anderen Strafmaßnahmen abzukanzeln. Als Südkorea etwa ein US-Raketenabwehrsystem installierte, um sich vor der militärischen Bedrohung Nordkoreas zu schützen, strich China von einem Tag auf den anderen sämtliche Gruppen-Visa in den ostasiatischen Tigerstaat. Die Schäden gingen in die Milliarden.

Auch als Litauen es wagte, ein Vertreterbüro Taiwans zu eröffnen, stellte China plötzlich den Warenverkehr mit dem baltischen Staat vollständig ein. Und Australien wurde mit Importstopps seiner Kohle und seines Weins bestraft, nachdem Premier Scott Morrison eine Untersuchung zu den Ursprüngen der Pandemie in China forderte. Innerhalb Chinas haben die Medien darüber nicht berichtet.

Wu Xinbo, der das Zentrum für Amerikastudien an der Fudan-Universität in Shanghai leitet, äußerte sich auch unmissverständlich zur langfristigen Ausrichtung seines Landes: „Wir werden Russland nicht aufgrund des Drucks oder der Provokation der USA vor den Kopf stoßen“, sagte er einer chinesischen Zeitung. Denn es sei klar, dass man dieselben strategischen Ziele habe. Die Regierung sei sich darüber „sehr klar“, und man werde sich nicht „durch Druck der USA oder Ähnliches beirren lassen“.

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11 Kommentare

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  • 4G
    43985 (Profil gelöscht)

    Den Sanktionen gegen Russland haben sich die Staaten Europas und Nordamerikas sowie deren sechs engste Verbündete in der Asien-Pazifik-Region angeschlossen – Japan, Südkorea, Taiwan, Singapur, Australien, Neuseeland. Der überwiegende Teil der Welt aber hält sich fern. Nun könnte man sich fragen warum die Mehrheit der Menschen des Planeten unsere Einstellung nicht teilt und die Berichterstattung kritisch hinterfragen, aber Russland und China zu dämonisieren ist soviel einfacher.

    • @43985 (Profil gelöscht):

      Falsch. Das Vorgehen Russlands wurde von der Vollversammlung der vereinten Nationen mit überwältigender Mehrheit verurteilt. Es stimmt allerdings, dass sich außer China noch ein anderer großer Staat enthalten hat : Indien. Leider !

      • 4G
        43985 (Profil gelöscht)
        @Konfusius:

        An den westlichen Russland-Sanktionen beteiligen sich immer noch nur 48 Länder; drei Viertel der UN-Mitgliedstaaten verweigern sich ihnen trotz teils erheblichen Drucks.

  • Chinas politische Elite hält sich im Schatten Putins und beobachtet m.E. sehr genau, wie sich andere Länder verhalten. Ich habe keinen Zweifel, dass Xi Jinping keinen Deut besser ist als Putin und auf "seinen Moment" wartet. Deutschland ist gut beraten, sich schrittweise und möglichst rasch aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit zu dieser Diktatur mit Weltmachtanspruch zu befreien. Ein Blick auf die Repressionen im Innern dieses Landes zeigt, wie Xi und seine Schergen ticken.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Allein, dass sich Peking an den Wirtschaftssanktionen gegen Russland beteiligen könnte, ist gänzliches Wunschdenken.""

    „Wir werden Russland nicht aufgrund des Drucks oder der Provokation der USA vor den Kopf stoßen.“

    ==

    Dann muß wohl Europa China unmissverständlich, zunächst mit einer freundlichen Tasse eines sehr bitteren Tees, unmissverständlich erklären, wer hier auf welche verbrecherische Art provoziert. - Ansonsten scheint sich China in der Geographie nicht besonders auszukennen: Das Problem ist ein europäisches und die Amerikaner sind Verbündete Europas.

    Wichtigste deutsche Importe aus China waren in der Vergangenheit Hardware im Bereich Datenverarbeitung neben elektrischen Geräten/PC`s als auch Speicher-medien und Unterhaltungselektronik - 2018 im Wert von 37,8 Milliarden Euro.

    Zeit genug ist jetzt in der europäischen Wirtschaft den Kurs nachhaltig und dauerhaft zu verändern, um zu verhindern, das neben der Abhängigkeit der Energiewirtschaft



    ein weiteres dickes Problem entsteht.

  • Nunja. Bei Putin wurde der Regierung Naivität vorgeworfen, die aggressiven expansionistischen Tendenzen zu lange ignoriert zu haben, zugunsten von Wirtschaft und Handel - daraus sollte nun der Krieg folgen. Wenn man diese Lehren ernst nimmt, dann sollten wir ab sofort dringend damit beginnen, auch unsere Abhängigkeit von China zu verringern, weil wir konsequenter Weise auch China total boykottieren müssen wenn es denn Taiwan überfällt, was absehbar ist.



    Am Ende stellt sich die Frage: Mit wem können und dürfen wir noch Handel treiben, und wieviel Arbeitslosigkeit und inneren Abstieg wollen wir dafür akzeptieren? Sind wir bereit uns selbst zu demontieren, aus moralischen Gründen? Es ist ja nicht so, dass uns Kriege auf der Welt und Ungerechtigkeit, die es immer schon gab, bisher besonders erschüttert hätten. Und auch mit 100% EE wären wir nicht autark bei Rohstoffimporten.



    Was soll es also sein? Wollen wir „totales Mitgefühl“, gar mit militärischer Einmischung, und auf Kosten unseres sozialen Wohlstands und unserer Sicherheit, oder wollen wir Krämer sein, die lieber nicht hinsehen, wie bisher - aber dafür keine starke soziale Spaltung und Auftrieb für radikale Positionen im inneren erleben? Beides zusammen kann man nicht haben, und beides allein sind weissgott keine perfekten Zustände.

    • @hup:

      Weder das eine, noch das andere Extrem? Wir müssen unsere Grenzen im Krämergehabe kennen: Einen Angriffskrieg können wir schlicht nicht hinnehmen, ohne den Boden des Völkerrechts komplett zu zerstören, auf dem wir stehen und von dem ausgehend wir unsere Wirtschaftsbeziehungen aufgebaut haben. Dann müssten wir schließen. China muss das begreifen, denn es sind allgemeine und unerlässliche Spielregeln und nicht solche, die sich gegen China richten.

      • @hedele:

        Welcher Krieg ist denn bitte kein „Angriffskrieg“? Was hat China begriffen? Dass es immer weiter aufrüsten muss um seine Interessen durchzusetzen? Und wir haben nach Ihren Leitsätzen bisher unsere Rohstoffe und Energie bezogen? Eher nicht.

        Excuse moi, aber das ist lächerlich.



        Die Ukraine ist keine Ausnahme, sondern eine Regel - die bisher weder uns noch den Rest Europas interessiert hat. Uns treibt (politisch) primär kein Mitleid mit den Ukrainern, sondern neues Blockdenken.

        Vielleicht sollten wir uns mal ehrlich machen, vor allem historisch, statt uns pathetisch falschen Moralismus anzuziehen.

    • 2G
      27814 (Profil gelöscht)
      @hup:

      Das Beispiel Russlands, aber auch in der Pandemie mit anderen Vorzeichen, zeigt, dass Handel, der zu Abhängigkeit führt, handfeste Risiken beinhaltet. Im Falle Russlands hat die Abhängigkeit die osteuropäische Sicherheit unterlaufen. Im Falle der Pandemie sind Lieferketten insb. aus China gestört worden. Den Handel über Bord zu werfen ist sicher nicht die richtige Strategie, aber die Risiken, die Handel beinhaltet, wenn man sich dadurch abhängig macht, müssen berücksichtigt werden.

      • @27814 (Profil gelöscht):

        Natürlich beinhaltet Interdependenz Risiken. Das ist ja genau die Idee beim Friedensprojekt „Wandel durch Handel“, dass gemeinsame Fallhöhe geschaffen wird, also Interessen gleichgeschaltet werden. Wenn man keine Risiken eingeht ist es schwer Vertrauen aufzubauen.



        Wenn man das nur von hinten betrachtet im Fall des Scheiterns, dann frage ich mich, was denn die neuen, besseren Strategien sein sollen. Verbunkerung und Aufrüsten? Keine Kommunikation? Wirtschaftskrieg ohne Ende?

    • @hup:

      Nunja, es geht hier schon lange nicht mehr (nur) um Moral sondern um reine Machtpolitik. Ich unterstütze die Ukraine AUCH von einem moralischen und menschlichen Standpunkt aber es geht hier inzwischen um viel viel mehr.

      Nach derartigen Reaktionen aus China und den letzten Reden von Putin sollte auch jedem Menschen mit minimalen historischen Bewußtsein klar sein vom wem diese Machpolitik ausgeht, nämlich von Rußland und China.

      Die USA hat sich nach dem Ende des kalten Krieges zwar des teilweise ungeschickten Interventionismus schuldgi gemacht, aber gerade keine expansive Großmachtpolitk betrieben. Die NATO wurde größer aber schwächer. Rußland und China bekamen das Angebot sich friedlich in eine multilaterale Welt zu integrieren.

      Jetzt habe wir keine Wahl. Entweder wir geben unseren Anspruch an universelle Demokratie auf oder wir halten durch bis zum bitteren Ende.