Weizen gegen drohende Hungersnöte: Indien drängt auf den Weltmarkt
Ernteausfälle in der Ukraine, russisches Ausfuhrverbot: Der weltweit zweitgrößte Produzent Indien steht bereit. Doch es gibt Probleme mit der WTO.
Im vergangenen Jahr waren es 6,1 Millionen Tonnen, die Indien ins Ausland verkaufte. Zu den Kunden zählt beispielsweise Bangladesch. Das südasiatische Land bezog zuletzt fast die Hälfte seines Weizens aus der Ukraine und aus Russland. Doch seit dem Krieg kommt mehr Getreide aus dem Nachbarland Indien. Weitere Interessenten dürften mit der jüngsten Ankündigung Russlands auf der Liste stehen.
Denn am Montag unterzeichnete Premierminister Michail Mischustin einen Erlass, der die Ausfuhr von Weiß- und Rohzucker bis Ende August und die Ausfuhr von Weizen, Roggen, Gerste und Mais in die ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien, Belarus, Kasachstan und Kirgistan (Nachbarstaaten der Eurasischen Wirtschaftsunion) bis Ende Juni verbietet. Die Entscheidung solle „den inländischen Lebensmittelmarkt schützen“.
Durch den Krieg sind die Preise für Getreide bereits rasant gestiegen. UN-Generalsekretär António Guterres warnte bereits vor einer weltweiten Hungerkrise. In vielen afrikanischen und asiatischen Ländern wird bereits der Weizen knapp, da Lieferungen aus der Ukraine ausfallen. Allein Afrika bezieht rund 30 Prozent seiner Weizenimporte aus Russland und der Ukraine.
Genügend Vorräte vorhanden
Indien würde gern als Lieferant einspringen. Zu den Maßnahmen gehören laut Behördenkreisen Qualitätskontrollen und zusätzliche Transportmöglichkeiten. „Derzeit hat Indien mehr als genügend Vorräte von Reis und Weizen zum Export“, sagt Devinder Sharma, Experte für Ernährungspolitik aus Punjab.
Allerdings haben bislang Richtlinien der Welthandelsorganisation WTO den Export teilweise behindert. Noch im Januar übten Mitglieder des US-Kongresses Druck auf die WTO aus: „Amerikanische Rohstoffproduzenten sind gegenüber ihren Konkurrenten vor allem aus Indien klar im Nachteil“, schreiben sie.
„Hier subventioniert die Regierung mehr als die Hälfte des Erzeugerwerts von Reis und Weizen, statt der nach den Regeln WTO-zulässigen 10 Prozent.“ Gemeint sind Ankäufe von Weizen und Reis der indischen Regierung zu einem Mindestpreis für Bauern, um zu gewährleisten, dass sich die Landwirtschaft für sie lohnt. Dieses System wurde unter anderem als Folge von Hungersnot eingeführt.
Es gebe auch Widerstand aus Brasilien, sagt Sharma. So schnell wie Indien könne derzeit wohl kaum jemand liefern. „Die Ernte in Brasilien und Argentinien wird erst im Juni, Juli reif“, so Sharma, die vergangene Ernte in Indien sei ertragreich gewesen.
Problem auch beim Speiseöl
Ähnlich ist die Situation bei Speiseölen. Shamra betont, dass es auch hier einen Rückgang der Importe aus der Ukraine gibt, vor allem bei Sonnenblumen. „Indien verzeichnet bereits einen enormen Anstieg der Maisexporte, und auch bei Speiseöl erwarte ich in diesem Jahr ein Plus.“
Indien habe das Potenzial, nicht nur Weizen und Reis zu exportieren, sondern auch Mais, Baumwolle, Sojabohnen und, so Shamra, „Sonnenblumen, da die neue Anbausaison bald beginnt.“
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung