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Chinas Allianz mit Russland„Felsenfeste Freundschaft“

China wird im Ukrainekrieg nicht der Vermittler sein, auf den manche im Westen hoffen. Das hat Außenminister Wang Yi am Montag deutlich gemacht.

„Wir unterstützen die Ukraine“ in chinesischer Schrift: Plakat an der kanadischen Botschaft in Peking Foto: Carlos Garcia Rawlings/reuters

Peking taz | Angesichts der zunehmenden Brutalität im Ukrainekrieg sind die zynischen Worte von Chinas Außenminister Wang Yi nur schwer zu ertragen. Die Freundschaft zwischen China und Russland sei „felsenfest“, sagte der 68-jährige Spitzendiplomat bei einer Pressekonferenz am Montag. Beide Länder würden dabei helfen, der Welt „Frieden und Stabilität“ zu bringen.

Wie jedes Jahr trat Wang zu Beginn des in Peking tagenden Nationalen Volkskongress vor die internationale Presse. Die choreografierte Veranstaltung, bei der nur handverlesene und vorher eingereichte Fragen beantwortet werden, wirkte in Zeiten der Pandemie noch künstlicher als sonst: Der Außenminister ließ die Pressevertreter zwar einen Tag zuvor bereits in Hotelzimmer „isolieren“, erschien dann aber trotzdem nur auf einer riesigen Videoleinwand. Die Distanz ist auch eine Metapher für den Elfenbeinturm der chinesischen Politelite, deren Wortphrasen längst von jedweder Realität entkoppelt sind.

Dennoch lohnt sich das Hinhören, gerade für europäische Diplomaten. Zuletzt hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell der Volksrepublik eine Vermittlerrolle in dem Konflikt quasi von außen attestiert: „Es muss China sein, ich vertraue darauf“, sagte Borrell am Wochenende – und steht damit nur wenige Tage später reichlich naiv da. Denn wer tatsächlich noch Hoffnungen darauf hegte, dass sich Peking von seiner demonstrativen Nähe zu Putin distanziert, sollte sich nun endgültig davon verabschieden.

Ohnehin hat Chinas Führung bislang das genaue Gegenteil einer Vermittlerrolle eingenommen: Öffentlich hat sich die Regierung trotz der russischen Invasion zu einer „grenzenlosen“ Partnerschaft mit Putin bekannt und über seine Staatsmedien die pro-russische Propaganda übernommen. Chinas Diplomaten weigern sich bis heute, die Invasion Russlands überhaupt beim Namen zu nennen: Noch immer sprechen sie von einer „militärischen Operation“, die von den USA provoziert wurde.

Selbst in die Falle gelaufen

Dabei weiß Xi Jinping nur allzu gut, dass seine „strategische Partnerschaft“ mit Russland mit einem immensen wirtschaftlichen Preisschild versehen ist. Möglicherweise hat sich Chinas Staatschef dabei auch verzockt. „Es schaut nach einer Fehlkalkulation aus, dass sich China so weit hinausgelehnt hat. Aber es wäre auch schädlich, diese Position jetzt zurückzunehmen“, analysiert Andrew Small vom „German Marshall Fund“ auf Twitter. Kurzum: China hat sich in eine rhetorische Falle begeben, aus der es nicht mehr ohne Gesichtsverlust hinausfinden kann.

Doch feststeht: Egal wie man es dreht und wendet, ist die ganze Angelegenheit für die Volksrepublik höchst unangenehm. Denn angesichts des Ukraine-Konflikts wirft die Regierung sämtliche jahrzehntealte Grundprinzipien seiner Außenpolitik über Bord – allen voran den Respekt gegenüber der Souveränität von Staaten.

Dementsprechend hält sich Peking bei seinen Aussagen immer auch ein rhetorisches Hintertürchen offen, um seine Position nicht allzu sehr festlegen zu müssen. Denn die Kader in Peking wollen insbesondere kurz vor Beginn des 20. Parteikongresses im Herbst, während dem Xi Jinping seine umstrittene dritte Amtszeit ausruft, keine destabilisierende Krise heraufbeschwören.

Doch die eigene Bevölkerung schwört der Zensurapparat bereits auf die enge Freundschaft mit Russland ein. Während auf den sozialen Medien selbst hochrangige Professoren antisemitische Verschwörungstheorien über die ukrainische Regierung und die NATO verbreiten, löschen die Zensoren fast sämtliche kremlkritischen Stellungnahmen gegen den russischen Angriffskrieg.

Auch als Alumni der renommierten Tsinghua-Universität in Peking dazu aufriefen, Wladimir Putin den 2019 verliehenen Ehrendoktor abzuerkennen, wurde die Petition nur wenig später aus dem Netz verbannt.

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22 Kommentare

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  • Welche Naivlinge erhofften von China eine Vermittlerrolle? Das konnte sich selbst ein 15jähriger Schüler nicht vorstellen.

    • @snowgoose:

      Dass auf diese Idee ausgerechnet der EU-Außenbeauftragte kam, macht mir zugegebenermaßen Angst.

  • Das gefährlichste Land ist absolut CHINA.



    Und sein kleine Bruder Nord-Korea..

    Unser Land wird das sehr-verbitternd (auch militärisch, nicht nur industriel oder politisch) erleben...

    Noch viel schlimmer als Putin und Russland Erleben. Weil Russland eine kleine Fliege ggü China ist.

    Jetzt, alle Bürger weiterkaufen von MADE-IN-CHINA oder OWNED-BY-CHINA... Sterne Autos warten auf Euch...

  • Wäre eigentlich eine riesige Chance für China, sich als Friedensstifter zu profilieren. Ich glaube es ist eine sehr schlechte Entscheidung, sich an die Seite des Paria Russland zu stellen.

  • Chinas Einfluss und Macht basieren letztlich vor allem auf seiner vom Handel mit dem Westen getragenen wirtschaftlichen Stärke. Eine im Zweifel einseitige Ausrichtung auf Russland mit einer Wirtschaftskraft etwa vergleichbar mit derjenigen von Italien ist daher unwahrscheinlich. Die neue Seidenstraße geht eben nicht nach Moskau. Gleichwohl gilt für China dasselbe wie für Russland: Wirtschaftliche Abhängigkeiten der freiheitlichen Länder müssen auf ein Maß reduziert werden, welches eine Korrumpierbarkeit ausschließt. Das gilt vor allem für sicherheitsrelevante Produkte wie etwa Medizinartikel und Arzneigrundstoffe, aber auch für das mögliche Unterlaufen der westlichen Sanktionen gegen Putin durch China.

  • Ich sag mal so: Ohne die ausgesprochen dämliche Politik des orangehaarigen Irren wäre das vermutlich anders gelaufen

    • @Kaboom:

      Sie meinen es war falsch, dass Trump Waffen an die Ukraine geliefert und einen Wirtschaftskrieg gegen China begonnen hat?

      :-)

  • Soviel zum Wandel durch Handel!



    Es wird Zeit China die Konsequenzen



    spüren zu lassen, indem die westlichen Firmen China verlassen. Man kann mit Faschisten, Terroristen und Despoten keine Geschäfte machen.

    • @shitstormcowboy:

      Keine Firma wird China verlassen und einen Markt mit mehr als einer Milliarde Menschen aufgeben. Nicht für die Ukraine aus der gerade billige Arbeitskräfte in den Westen strömen.

      Und es ist leichter gesagt als getan. Klar täte es China weh, wenn der Handel eingschränkt wird. Es täte auch Putin weh, wenn wir keine Rohstoffe mehr kaufen würden. Aber passiert es?



      Nein, weil es uns auch weh tun würde. Und da endet dann die Solidarität ...

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @shitstormcowboy:

      Doch, man "kann" (tut). Es ist das Wesen der kapitalistischen Systeme, Geschäfte zu machen. Mit allen.

    • @shitstormcowboy:

      In anderen Gegenden der Welt haben wir damit doch auch keine Probleme.

      Wird allerdings recht einsam werden...

  • Das ist eindeutig der endgültige Freifahrtschein für Putin. China selber hat eigentlich nichts zu befürchten, China ist "to big to fail". Ohnehin denkt man in Peking sowohl in anderen Kategorien als auch in anderen Zeiträumen. Chinas Engagement zielt schon seit langem eindeutig vor allem auf Marktmacht und Ressourcenkontrolle, nicht aber auf den normalen Handel und den kurzfristigen Profit daraus. China hat zudem mit Taiwan seine eigene Ukraine, die Einverleibung des Inselstaates dürfte höchste Priorität gerade für Xi haben. Der Ukrainekrieg fördert aber natürlich auch einfach die Abhängigkeit Russlands von China, auch wirtschaftlich, denn einem westlich boykottierten Russland kann China quasi die Rohstoffpreise diktieren, die es zu zahlen bereit ist. Die aktuellen Signale aus Peking deuten darauf hin, dass man weder dort noch in Moskau noch Interesse an Pseudo- Verhandlungen hat und dass Putin die Sache jetzt auf Biegen und Brechen durchziehen will. Geht das schief wird China Russland vielleicht fallen lassen, wie die berühmte Kartoffel. Vielleicht auch nicht. Zu befürchten hat China letztendlich nichts. Und das angeführte Prinzip des Respekts vor souveränen Staaten ist hier auch kein Argument. Russland nimmt sich die Ukraine weil es sie für russisch hält, China hat sich Tibet genauso genommen und wird sich auch Taiwan so nehmen.

  • Die „Freundschaft“ zwischen China und Russland ist nur deshalb so „felsenfest“, weil man aus politischen Gründen aufeinander angewiesen ist.



    Wenn eines Tages (wie ich befürchte) die Ukraine besiegt ist, wird China das Taiwan-Projekt in Angriff nehmen und dann die „freundschaftliche“ Hilfe Russlands erwarten.



    Und wenn auch das geschafft ist, werden Russland und China irgendwann erkennen, dass die Welt eigentlich zu klein ist für beide. Dann wird die „Freundschaft“ zwischen China und Russland ganz schnell beendet sein. Wer von beiden das zuerst erkennt, wird im Vorteil sein, wenn sie aufeinander losgehen!

    • @Pfanni:

      "Und wenn auch das geschafft ist, werden Russland und China irgendwann erkennen, dass die Welt eigentlich zu klein ist für beide."

      Bislang sprechen Beide von eine multipolaren Welt. Von einer unipolaren Welt träumen Andere.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Bei aller (gegenwärtigen) "Freundschaft" zwischen R. und C.: Vergessen Sie nicht, dass jahrzehntelang zwischen den beiden eigentlich kommunistischen Staaten UdSSR (=Vorgänger Russlands) und der VR China Feindschaft herrschte. An der gemeinsamen Grenze gab es Schüsse und Tote. Die Sowjets sahen sich bemüßigt, nördlich der Transsibirischen Eisenbahn und weit genug weg von der Grenze die alternative "Baikal-Amur-Magistrale" zu bauen.



        Man sollte nicht zu sicher sein, dass das gegenwärtige Zweckbündnis ewig hält. Hin und wieder hört man, dass sie sich schon jetzt beim „Land Grabbing“ in die Quere kommen, z. B. in Afrika. Oder in den Staaten an der ehemaligen Seidenstraße, die zum Teil auch zum Hinterhof Russlands gehören. Wohin wird das führen?

        • @Pfanni:

          Die Feindschaft zwischen der SU und China beruhte hauptsächlich auf unterschiedlichen Ansichten, wer den richtigen Weg zum Kommunismus hat und damit führen sollte. Weder Russland noch China haben heute den Ehrgeiz, ihr politisches System als Zukunft der Menschheit zu exportieren. Ihnen reicht es völlig, wenn sich Staaten "freundlich" verhalten. Die Situation ist also völlig anders.

          Der Export des eigenen politischen Systems steht wo anders auf der Agenda. Mit sehr mäßigem Erfolg.

          Und z.Z. tut der Westen unter Führung der USA alles, um Russland und China zusammenzuschweißen. Da war Nixon intelligenter. Sollten sich Russland und China in 50 Jahren dann doch streiten, wird uns das nichts mehr nützen.

  • Wieso Falle? China ist einer der Hauptprofiteure des Konflikts. Russland ist jetzt komplett abhängig und man hat die eigene Rohstoffversorgung langfristig auf Kosten der Europäer abgesichert.

    Ich denke man versucht sich diplomatisch geschickt heraus zu halten, aber unter der Decke wird man frohlocken dass man gerade eine riesige Tankstelle geschenkt bekommt.

  • "Die Distanz ist auch eine Metapher für den Elfenbeinturm der chinesischen Politelite, deren Wortphrasen längst von jedweder Realität entkoppelt sind."



    - War die Sprache der KPCh seit Gründung je an die Realität gekoppelt?

    "Denn angesichts des Ukraine-Konflikts wirft die Regierung sämtliche jahrzehntealte Grundprinzipien seiner Außenpolitik über Bord – allen voran den Respekt gegenüber der Souveränität von Staaten."



    - Die Partei spricht von der Souveränität von Staaten, weil sie sich damit auf das Völkerrecht berufen kann, meint aber nur die eigene Souveränität sprich Gebietsansprüche. Kein Politiker oder Beamter wird je Scham dafür empfinden, dass man eine Doppelmoral propagiert.

    Der westliche Diskurs über China schießt wieder am Thema vorbei. Die Partei fühlt sich nicht unwohl, weil man dialektische Fehler gemacht hätte, sondern weil öffentliche Parteinahme für Russland Konsequenzen haben könnte.

  • Eine sehr gute Analyse Herr Kretschmer!



    „Selbst in die Falle gelaufen"



    Dabei weiß Xi Jinping nur allzu gut, dass seine „strategische Partnerschaft“ mit Russland mit einem immensen wirtschaftlichen Preisschild versehen ist. Möglicherweise hat sich Chinas Staatschef dabei auch verzockt. „Es schaut nach einer Fehlkalkulation aus, dass sich China so weit hinausgelehnt hat. Aber es wäre auch schädlich, diese Position jetzt zurückzunehmen“, analysiert Andrew Small vom „German Marshall Fund“ auf Twitter. Kurzum: China hat sich in eine rhetorische Falle begeben, aus der es nicht mehr ohne Gesichtsverlust hinausfinden kann.“

    • @D-h. Beckmann:

      Die USA haben unter Trump schon längst einen Wirtschaftskrieg gegen China begonnen. Biden setzt das fort. Er hat sogar einen Kampf der Systeme ausgerufen. China hat also gar keine Wahl...

      Russland beschleunigt jetzt nur die Entwicklung.

  • Für mich ist es nachvollziehbar, dass China nicht ein neutraler Vermittler sein kann. Denn die Chinesen haben in den letzten Jahren starken Druck aus dem Westen kennengelernt. Druck wegen der Menschenrechts-Situation in Hongkong und mit den Uiguren, militätischen Druck wegen Taiwan und wirtschaftlichen Druck (z.B. Huawei). Sie werden ihren Verbündeten (der auch noch viele wertvolle Rohstoffe besitzt) Russland nicht vergraulen wollen.