Chinapolitik der Europäischen Union: Europa ringt um neuen Kurs
Eine Debatte im Europaparlament zeigt, wie weit die EU noch von einer einheitlichen Haltung gegenüber der Volksrepublik entfernt ist.
![Ein chinesischer Sicherheitsmann vor dem Logo der EU Ein chinesischer Sicherheitsmann vor dem Logo der EU](https://taz.de/picture/6215102/14/China-EU-1.jpeg)
Die EU wolle weiter mit China zusammenarbeiten, erklärte von der Leyen. Eine „unilaterale Änderung des Status quo“ in Taiwan, „insbesondere durch Gewaltanwendung“, werde jedoch auf entschiedenen Widerstand Europas stoßen. Die EU-Chefin warb zudem für ihre Strategie der Risikobegrenzung („De-Risking“) im Umgang mit China. Dazu gehöre eben auch, strategische Investitionen aus Europa in kritische Technologien in China zu überwachen.
Wann ein entsprechender Gesetzentwurf kommt, sagte die deutsche EU-Kommissionschefin bei ihrer Rede in Straßburg nicht. Klar wurde jedoch, dass von der Leyen an ihrem harten Kurs festhält – und dabei auch künftig eng mit den USA zusammenarbeiten will. Bereits Anfang März hatte die CDU-Politikerin ihre Strategie bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden in Washington abgesprochen.
Dieses Vorgehen wird jedoch nicht von allen EU-Politikern gebilligt. So plädierte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron kürzlich nach einem Staatsbesuch in Peking für mehr „strategische Autonomie“ und eine unabhängige China-Politik. Die EU dürfe sich nicht in Konflikte hineinziehen lassen, die sie nichts angingen, sagte Macron mit Blick auf Taiwan. Sonst drohe Europa zum „Vasallen der USA“ zu werden.
Die Mehrheit stellt sich hinter von der Leyen
Wer hat recht? Und wer setzt sich durch? Das ist die große Frage, die die EU-Politiker in Brüssel umtreibt. Ratspräsident Charles Michel, der die EU-Gipfel organisiert, stellte sich hinter Macron. Der Franzose sei mit seiner Haltung nicht allein, sagte der Belgier. Auch Josep Borrell, Europas Chefdiplomat, zeigt Verständnis. Die EU brauche eine gewisse Autonomie, sagte er in Straßburg.
„Wir müssen einen neuen Kalten Krieg zwischen dem Westen und dem Fernen Osten vermeiden“, forderte Borrell. Außerdem dürfe man die Debatte nicht auf die USA und China verkürzen. Wenn sich die EU aus China zurückziehen und an die USA anlehnen sollte, würden sofort andere Länder in die Bresche springen, sagte der Spanier. „Wenn wir ein Vakuum schaffen, wird es von anderen gefüllt.“
Josep Borell, EU-Außenbeauftragter
Tatsächlich orientieren sich bereits viele Länder stärker an China als an Europa, wie der Staatsbesuch des brasilianischen Präsident Lula da Silva in Peking gerade gezeigt hat. Lula forderte die EU auf, ihren Kurs in der Ukraine-Politik zu überdenken und mehr für eine Friedenslösung zu tun. Borrell nannte auch das Beispiel der südostasiatischen Asean-Staatengruppe: „Wir sind da weggedrängt worden.“
Wie die EU jedoch verloren gegangenes Terrain zurückerobern und zugleich China einhegen könnte, ließ Borrell aber offen. Eine gewisse Ratlosigkeit prägte auch die Aussprache der Europaabgeordneten. Die Mehrheit stellte sich hinter von der Leyen und ihren harten, transatlantischen Kurs. Der Chef der größten Parlamentsfraktion, Manfred Weber (CSU), lobte ihre „klaren Kernbotschaften“.
Der nächste EU-Gipfel ist im Juni geplant
In der Taiwan-Frage gehe es um die europäischen Werte, so Weber. Macron habe mit seinen Worten „die Einheit Europas massiv beschädigt“ und Zweifel an der Bündnistreue in den USA geweckt. Der Streit müsse beim nächsten EU-Gipfel am 29. und 30. Juni auf den Tisch kommen. Ähnlich äußerten sich die Grünen. Nur von der Leyen spreche für die EU, sagte der grüne Außenpolitiker Reinhard Bütikofer.
Es gab jedoch auch andere Stimmen. Der Chef der liberalen Renew-Fraktion, Stéphane Séjourné, stellte sich hinter Macron. Die Strategie der USA in der Taiwan-Frage sei besorgniserregend, sagte der Franzose. Die französische Linken-Politikerin Manon Aubry warf der EU vor, die große Abhängigkeit von China durch ihre eigene Handelspolitik überhaupt erst geschaffen zu haben. Europa dürfe sich nicht an die USA anpassen, sonst werde es international nicht mehr ernst genommen.
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