Chemnitz als Kulturhauptstadt: Vorwurf Beraterfilz
Über die Wahl zur Europäischen Kulturhauptstadt 2025 gibt es Streit. Vorwürfe kommen ausgerechnet aus dem unterlegenen Nürnberg.
![Marktplatz von Chemnitz in beleuchteter Abendansicht Marktplatz von Chemnitz in beleuchteter Abendansicht](https://taz.de/picture/4566689/14/Marktplatz-Chemnitz-1.jpeg)
Fünf Wochen nach Jubel und Begeisterung am 28. Oktober hat die Nominierung von Chemnitz als Europäische Kulturhauptstadt 2025 einen Dämpfer erhalten. Die Stadt hatte sich nach einem Entscheid der europäischen Jury in der Endrunde der deutschen Bewerber gegen Nürnberg, Hildesheim, Hannover und Magdeburg durchgesetzt. Nun erhebt Autor Uwe Ritzer in der Süddeutschen Zeitung Vorwürfe gegen das Bewerbungs- und Auswahlverfahren, das von Beraterfilz und Auftragszuschiebungen geprägt sei.
Er spricht von einem „Wanderzirkus“, der keuz und quer durch den Kontinent tingele und konkurrierende Städte gleichzeitig berate. Namentlich wird der Tscheche Jiří Suchánek aus Pilsen genannt, der 2017 in die EU-Jury wechselte. In sein Pilsener Kreativwirtschaftszentrum plant Chemnitz 2025 eine auffällige Radtour. Auch der Name des Niederländers Mattijs Maussen fällt, der bereits 15 Kulturhauptstädte beraten hat, darunter eben Chemnitz. Ulrich Fuchs, Professor und eine Art grauer Eminenz der Kulturhauptstadtausschreibungen, wird kritisiert, weil seine Frau für Bewerberstädte tätig sei.
Die Vorwürfe könnten schwerwiegende Folgen für das nominierte Chemnitz haben. Nach unbestätigten Informationen aus dem dortigen Kulturhauptstadtbüro hat die am vorigen Donnerstag tagende Kulturministerkonferenz 25 Millionen Euro Bundeszuschuss vorerst auf Eis gelegt. In dieser Woche sollen die Vorwürfe geklärt werden. Die federführende Kulturstiftung der Länder konnte zum Stand noch nichts sagen.
Der Autor des SZ-Beitrags lebt in der unterlegenen Bewerberstadt Nürnberg. Bayerns Kunstminister Bernd Sibler (CSU) hatte darauf gedrängt, dass sich die Kulturministerkonferenz mit den Befangenheitsvorwürfen befasst. Der Deutschlandfunk erfuhr allerdings im Nürnberger Rathaus, dass man keinesfalls als schlechter Verlierer dastehen möchte und Chemnitz den Titel gönne. Eine solche Haltung entspricht auch dem zuvor spürbaren solidarischen Geist der Konkurrenten.
Es fällt auf, dass kein Medienbeitrag bislang den Manager der Chemnitzer Bewerbung und Leiter des städtischen Kulturbetriebes Ferenc Csák erwähnt. Der erfahrene und hochkompetente gebürtige Ungar führte 2010 Pécs zum Kulturhauptstadttitel und bedurfte für seinen aktuellen Erfolg mit Chemnitz gewiss keiner Kungeleien.
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