Champagner-Knappheit bei Hennessy: Trinkt, ihr Pfeffersäckchen!
Endlich eine schlimme Nachricht für Reiche: Der Champagner des Luxuskonzerns LVMH wird knapp. Das riecht nach Einführung einer Luxussteuer.
H ähä, endlich auch mal eine schlimme Nachricht für die Reichen: Der Champagner wird knapp, meldete der Luxuskonzern LVMH. Nach einer kurzen Durststrecke in der Pandemie, in der das feuchtfröhliche Abfeiern korrupter Maskendeals den Ausfall von Partys und Lokalbesuchen nicht zu kompensieren vermochte, boomt das Geschäft bei Louis Vuitton, Moët Hennessy, Tattinger und Co nun mehr denn je.
Denn die Kriegsgewinnler unserer Zeit langen ordentlich zu. Für sie gibt es ja auch eine Menge zu feiern. Krisen produzieren nicht nur Armut, sondern gleichzeitig auch Reichtum. Die Schere geht weiter auseinander, die Zahl der Millionäre nimmt zu. Klingt jetzt nicht so supergerecht, doch die Hersteller von Luxusartikeln reiben sich die Hände.
Und welcher dieser Artikel eignete sich besser, um den Rest eines leisen Unwohlseins über Ungerechtigkeit, Klimawandel und Krieg zu vertreiben, als Puffbrause mit Flaschengärung? Überdies ist bei deren Konsum noch immer reichlich Luft nach oben. Mehr als drei Bonzenschlitten am Tag kann man nicht kaputtfahren, doch der Champagnerkonsum lässt sich fast beliebig erhöhen – morgens, mittags, abends.
Eigentlich riecht das geradezu nach Einführung einer Luxussteuer. Denn wer über Kohle satt verfügt, ist relativ unempfindlich gegenüber Preissteigerungen. Das schließt zwar Ärmere noch mehr als ohnehin schon vom Konsum aus, würde dafür jedoch eine ganz eigene Chance beinhalten: So nutzte das „Rote Wien“ der 1920er und 1930er Jahre die Luxus- und Vergnügungssteuer für den Bau von Gemeindewohnungen, ein Pfund, mit dem die Stadt sozialpolitisch noch heute wuchern kann.
„Asterix auf Korsika“
Ein guter Weg, also trinkt nur schön, ihr Pfeffersäckchen! Die großen Hersteller versuchen derweil, die aufkeimende Panik unter den Edelschluckspechten zu zerstreuen: Man habe genügend Reserven, nur ein paar Spezialcuvées könnten knapp werden. Aber doch „nicht das Zeug für die Gäste“ („Asterix auf Korsika“), von dem ist zum Glück noch immer genug da. Herzige Histörchen vernimmt man hingegen aus den kleineren Häusern, die diese Lagerkapazität nicht haben und jetzt trockenlaufen.
So wie bei „Champagne Moussé Fils“, die kaum die Vorbestellungen der Stammkunden bedienen können. Dabei sind diese Hersteller doch eigentlich die Guten: „Kleine schwarze Schafe aus der Normandie“, so schreibt das Handelsblatt, fräßen in den Weinbergen des Familienunternehmens Schädlinge und Gras zwischen den Weinstöcken: quiiek, so cute!
Und eine Win-win-Situation, denn zum einen wird hier der schlechte Ruf schwarzer Schafe aufgepeppt, und zum anderen lieben reiche Champagnertrinkende neuerdings biologisch nachhaltige Produkte. Gerade Menschen, die reich und sorglos altern, möchten natürlich möglichst lange leben und auch im hohen Alter gesund bleiben, um so lange und so viel Champagner zu trinken, wie es nur irgend geht – Queen Mum lässt grüßen –, anstatt wie ein trauriger Bussard am Genuss pestizid- und bleihaltiger Kadaver frisch vom Straßenrand zu verenden.
Oder wie ein trauriger Mensch an Perlwein und Fleischwurst vom Discounter. Doch auch das geht anders. Denn ein bestimmter Typus der Prekären schlägt nun ebenfalls bei Luxusgütern zu; eine Personengruppe, die sich längst jeglicher Verantwortung entzogen hat: kinderlose Freiberufler, Skilehrerinnen, Gaukler, you name it.
Auf Inflation und Krise reagieren sie nur noch fatalistisch. Wozu das wenige Geld zusammenhalten, scheinen sie zu denken; bevor auch das nix mehr wert ist, sauf ich mir davon doch lieber einen Fetzen an. Dann hab ich wenigstens was davon gehabt. Mit Bockwurst und Champagner feiern sie dem jüngsten Tag entgegen.
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