Ceta-Klagen abgelehnt: Ceta-Gegner scheitern in Karlsruhe
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Klage zur vorläufigen Anwendung des Freihandelsabkommens abgelehnt. Sie war die größte aller Zeiten.
Durch das Ceta-Abkommen soll der Handel zwischen der EU und Kanada intensiviert werden. Über 90 Prozent der Zölle werden beseitigt. Investoren können für direkte und indirekte Enteignung bei einem Ceta-Gericht auf Entschädigung klagen.
Doch im Oktober 2015 demonstrierten in Berlin rund 250.000 Menschen gegen Ceta. Kritisiert wurde vor allem der geplante Investorenschutz, der strenge Umwelt- und Sozialstandards hemme. Auch die jetzt entschiedenen Verfassungsbeschwerden richteten sich vor allem gegen den Investorenschutz.
Zum einen ging es um die Verfassungsbeschwerde der NGOs Foodwatch, Campact und Mehr Demokratie, die von über 125.000 Bürger:innen unterstützt wurde. Es war und ist die größte Verfassungsklage der bisherigen deutschen Geschichte. Eine weitere Klage der Aktivistin Marianne Grimmenstein fand 68.000 Unterstützer:innen. Außerdem klagten 62 Abgeordnete der Linken sowie der Ex-ÖDP-Vorsitzende Klaus Buchner.
Für den Bundestag ist die Entscheidung wenig hilfreich
Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Klagen der Kritiker:innen nun jedoch für unzulässig, soweit sie sich gegen das gesamte Abkommen richteten. Gegen die Unterzeichnung des Vertrags durch die Bundesregierung könne nicht geklagt werden, weil dies noch keine Rechtswirkung hatte. Gegen den endgültigen Abschluss des Vertrags sind Klagen derzeit unzulässig, weil noch nicht alle Ratifizierungen vorliegen. Bisher haben erst 15 EU-Staaten und Großbritannien Ceta ratifiziert. Es fehlen noch die Ratifikationen von 12 EU-Staaten, Kanadas und der EU. Auch der Deutsche Bundestag hat noch nicht ratifiziert.
Seit September 2017 wird das Ceta-Abkommen jedoch zu großen Teilen vorläufig angewendet. Nur gegen die deutsche Zustimmung zu dieser vorläufigen Anwendung konnte zulässig geklagt werden. Und da der Investorenschutz durch das Ceta-Gericht nicht vorläufig angewandt wird, konnte das Bundesverfassungsgericht auch nichts zu dessen Rechtmäßigkeit sagen.
Soweit Ceta bereits angewandt wird, etwa bei den Zollsenkungen, hat die deutsche Zustimmung keine Souveränitätsrechte Deutschlands und damit auch keine Wählerrechte verletzt, entschied das Verfassungsgericht.
Das Bundesverfassungsgericht bestätigte also seine Linie vom Oktober 2016. Damals hatte das Gericht eine einstweilige Anordnung gegen Ceta abgelehnt, aber mehrere Auflagen erteilt. Die Umsetzung dieser souveränitätsschonenden Auflagen führte nun zur Ablehnung der Klagen.
Für den Bundestag ist die Karlsruher Entscheidung nun aber wenig hilfreich. Eigentlich hatte man sich vor allem Orientierung zum umstrittenen Investorenschutz erhofft. So heißt es im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition: Die Entscheidung über die Ratifizierung des Ceta-Abkommens „treffen wir nach Abschluss der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht“.
Was aber weithin übersehen wird: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat schon 2019 in einem rechtsverbindlichen Gutachten festgestellt, dass Konzerne vor dem Ceta-Gericht nur Erfolg haben können, wenn sie Opfer von „Rechtsverweigerung“, „offenkundiger Willkür“ oder ähnlich schwerer Diskriminierung wurden. Die Enttäuschung von Gewinnerwartungen durch Umwelt- und Sozialgesetze genüge jedenfalls nicht. Die Sorgen der Ceta-Kritiker seien also unbegründet.
Die Linke forderte den Bundestag dennoch auf, das „Konzernschutzabkommen“ Ceta nicht zu ratifizieren. CDU/CSU und FDP verlangten dagegen eine möglichst schnelle Ratifizierung. Und die Grünen erklärten, dass sie Ceta politisch immer noch ablehnen, nun aber mit den Koalitionspartnern der Ampel verhandeln werden.
Eine erste Stoßrichtung der Regierungskoalition kann sich am Freitag zeigen. Dann debattiert der Bundestag auf Antrag der CDU/CSU über den weiteren Umgang mit Ceta.
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