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Causa RubialesZwischen Tradition und Moderne

Gemma Teres Arilla
Kommentar von Gemma Teres Arilla

An der Kuss-Affäre spalten sich Spaniens Gemüter entlang der politischen Haltung. Für oder wider Fortschritt, soziale Gerechtigkeit und Frauenrechte.

Unterstützung für Spaniens Nationalspielerin Jenni Hermoso in Madrid am 28. August Foto: Andrea Comas/ap

E s geht längst um mehr als nur Fußball. Die Causa Luis Rubiales spiegelt die Reibungen, die die spanische Gesellschaft nahezu diametral spalten in einem Land mitten im echten progressiven Umbruch. Politiker und Medien haben sich für oder gegen Rubiales positioniert. Denn der Fall nach dem WM-Sieg der Spanierinnen spielt sich parallel zu einer erneuten Hängepartie zwischen der konservativen Volkspartei (PP) und den Sozialisten (PSOE) ab.

Fast hat man den Eindruck, als sei die ­Affäre eine Rückrunde, ein Nachklapp der Pattsituation, die aufgrund der vorgezogenen Parlamentswahlen Ende Juli besteht. Allen Prognosen nach hätten die Wahlen Spanien einen Rechtsruck bescheren sollen, denn die PP von Alberto Núñez ­Feijóo will nur mit der rechtsextremen Vox ­koalieren. Zusammen lagen sie ganz vorne in den Umfragen.

Obwohl Feijóo in der Tat die meisten Stimmen erhielt, hat jetzt der Sozialist Pedro Sánchez die besten Karten, erneut eine linksprogressive Regierungskoalition zu stellen. Genauso gut sind die Karten für die progressiven medialen, sozialen und politischen Stimmen, für die Fußballerinnen, die in der Kussaffäre Rubiales–Hermoso für Respekt und Gleichberechtigung gegenüber Frauen kämpfen. Es geht um eine soziale und politische Modernisierung der Gesellschaft.

Konservative Medien und rechte Stimmen sprechen seit Tagen von einer „politischen Jagd“ auf Rubiales. Nicht nur er, auch der umstrittene Jorge Vilda, Trainer des Weltmeisterteams, steht im Zuge der aktuellen Affäre kurz vor dem Aus. Eine Pro-­Rubiales-Kampagne verkündet sinngemäß das Credo: Warum sollen jetzt Dinge verboten sein, die immer so waren beziehungsweise wir immer so gemacht haben? Damit ist ganz offensichtlich auch ein nicht einvernehmlicher Kuss gemeint.

In Kommunen, in denen Vox und PP regieren, wurden jüngst Theaterstücke verboten, die häusliche Gewalt verurteilen. Tradition versus Modernität, darum geht es in der Spaniens Öffentlichkeit bewegenden Debatte. Die Vorreiterrolle hinsichtlich der sozial gerechten und feministischen Reformen hat sich die spanische Regierung unter Sánchez innerhalb der Europäischen Union längst verdient. Dabei kamen diese Reformen nicht aus dem Nirgendwo.

Erinnern Sie sich an die spontanen und parteifernen Proteste in Spanien 2011/2012, die unter anderem soziale und politische Missstände kritisierten? Die Causa Rubiales zeigt erneut: So wie bisher darf es nicht weitergehen. Wird die spanische Kussaffäre nun eine europaweite soziale und politische Kettenreaktion des Respekts gegenüber Frauen und eine sozial gerechte Politik auslösen? Zu begrüßen wäre es. 2024 ist Europawahljahr – mit der Prognose eines Rechtsrucks.

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Gemma Teres Arilla
Leitung taz Panter Stiftung
Jahrgang 1982, ist Leiterin der taz Panter Stiftung. Zuvor war sie stellvertretende Auslandsressortleiterin und taz-Europa-Redakteurin. Bei der taz hat sie im Mai 2022 als Themen- und Nachrichtenchefin angefangen. Sie berichtet seit 2005 als freie Korrespondentin für Tageszeitungen, Fernseh- und Radiosender über Deutschland, Zentral- und Osteuropa. Ihre Karriere als Journalistin hat sie in Spanien gestartet und an der FU Berlin hat sie sich auf Osteuropa und Russland spezialisiert. Mehrere multimediale Projekte hat sie initiiert und durchgeführt, um Mehrsprachigkeit, Vielfalt und Toleranz in der Gesellschaft zu fördern.
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2 Kommentare

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  • Das Problem ist eines der Wissens darum. Herr Rubiales erzählt die Geschichte ungefähr so: "Da ist man im emotionalen Ausnahmezustand nach dem Gewinnen einer WM. Und dann, ohne zu denken, hat er das durch einen Kuss ausgedrückt, einfach, weil er so glücklich und erleichtert war." Viele Leute wissen nicht, dass es nicht eine Umarmung war oder ein spontaner Kuss auf die Backe, sondern ein Kuss auf den Mund, was sexuell konnotiert ist. Und dass die gesamten Verhaltensweisen m.E. dies stützen. Also kein Gefühlsausbruch, sondern Machtausübung (so wie sexuelle Gewalt eher selten um Sex geht, sondern um Macht).

    • @Kartöfellchen:

      Der Herr ist einer der Gestrigen. Erst fasst er sich in den Schritt und dann zieht er den Kopf der Spielerin mit eben diesen Drecksgriffeln zu sich hin und küsst auf deren Mund.



      Und hat keinen Anstand, anschließend zurückzutreten. Eklig, der Typ.