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CSU-KorruptionsskandalCSU beschwört den neuen Geist

Mit einem Zehn-Punkte-Plan will die CSU gegen ihre Raffkes vorgehen. Söder spricht von einem scharfen Schwert, die Opposition ist nicht überzeugt.

Ein zahnloser Tiger? Markus Söder muss mit dem Maskensumpf in seiner Partei aufräumen Foto: dpa/ Matthias Balk

München taz | Nein, am System ist natürlich nichts faul. Es geht um das „Fehlverhalten einzelner Mandatsträger“, wie die CSU in der Einladung zur Pressekonferenz von Parteichef Markus Söder und Generalsekretär Markus Blume gleich mal klarstellte. Die Zahl der „einzelnen Mandatsträger“ allein auf Bundes- und Landesebene hat sich mittlerweile jedoch schon auf vier erhöht – plus die mögliche Dunkelziffer. Es sind die beiden Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein und Tobias Zech sowie die Landtagsabgeordneten Alfred Sauter und Karl Straub. Gegen Letzteren ermittelt die Staatsanwaltschaft allerdings schon seit längerem. Die Vorwürfe gegen ihn – unter anderem Steuerhinterziehung – haben nichts mit der Ausübung seines Mandats zu tun.

„Heute ist der Tag des Aufklärens und des Aufräumens“, sagt Blume dann vor den Mikrofonen. „Wir reden über eine neue CSU.“ Blumes Relativierung der jüngsten Ereignisse lässt jedoch nicht lange auf sich warten: „Wir reden nicht über eine Krise der Union“, behauptet er, „sondern über Vorkommnisse, die überall vorkommen können.“

Sein Chef dagegen räumt immerhin ein: „Für die CSU steht eine Menge auf dem Spiel.“ Es gehe darum, „Glaubwürdigkeit und Ansehen wiederherzustellen“, sagt Söder und fährt imposante verbale Geschütze auf, gefolgt von einem Zehn-Punkte-Plan, der die Worthülsen mit konkreten Maßnahmen füllen soll. Von neuen Regeln und neuem Geist spricht er, von voller Transparenz und Konsequenzen, die umfassend, ganzheitlich und sehr weitgehend seien, und einem klaren Signal für alle.

Der Zehn-Punkte-Plan sieht zum Beispiel eine „Integritätserklärung“ aller parlamentarischer Mandatsträger vor, in der sie versichern, sämtliche Regeln des Verhaltenskodex der CSU zu beachten. Das Führungspersonal in den Parlamenten darf keinen gewerbsmäßigen Nebentätigkeiten nachgehen, eine bezahlte Interessenvertretung ist allen Abgeordneten verboten. Zudem müssen alle Nebeneinkünfte und Firmenbeteiligungen künftig offengelegt werden. Verstöße werden mit strengen Sanktionen bis hin zum Parteiausschluss sanktioniert. Eine „Compliance-Kommission“ unter Blumes Leitung werde sich um die Weiterentwicklung des schon bestehenden Verhaltenskodex und dessen Einhaltung kümmern.

Flucht nach vorn

Für Söder steht fest: Die Maßnahmen würden im Kampf gegen die Korruption in der CSU kein „zahnloser Tiger“, sondern ein „scharfes Schwert“ sein. Wie die Auskunftspflicht bei den Nebeneinkünften jedoch im Einzelnen aussehen soll, ob die CSU beispielsweise der SPD-Forderung nach einer Offenlegung der Nebeneinnahmen ab dem ersten Euro folge, darüber ließ sich der CSU-Chef noch nicht aus. Man sei „offen für die weitestgehenden Vorschläge“, müsse aber sehen, „was rechtlich geht“.

Der ehemalige bayerische Justizminister Alfred Sauter, der im Verdacht steht, im Zusammenhang mit einem Maskendeal über eine Million Euro kassiert zu haben, erklärte indes, alle Parteiämter niederzulegen und seine Fraktionsmitgliedschaft ruhen zu lassen. Blume begrüßte dies als ersten Schritt, sagte jedoch auch, dass dieser noch nicht ausreiche. Die Vorstände von Partei und Fraktion werden die Causa in den nächsten Tagen beraten.

In den Augen der Opposition tritt Söder wegen des öffentlichen Drucks nun die Flucht nach vorn an, das Angekündigte sei aber nicht genug. „Das Problem scheint bei der CSU systemisch zu sein“, erklärt etwa FDP-Fraktionschef Martin Hagen, „immerhin hat die Partei Sauters Umtriebe jahrelang geduldet und sich sogar zunutze gemacht“. Eine echte Aufarbeitung des Korruptionsskandals stehe weiterhin aus.

Toxisches Potenzial für die Union

Und Hagens Kollegin bei den Grünen, Katharina Schulze, kritisiert: „Erneut versuchen Söder und Blume ihr Korruptionsproblem auf alle Fraktionen abzuwälzen.“ Seit Jahren aber habe die CSU alle Vorschläge für ein Lobbyregister, für Veränderungen im Abgeordnetenrecht und für einen legislativen Fußabdruck rundherum abgelehnt.

Aus Sicht der Politologin Ursula Münch könnte der Korruptionsskandal CSU und CDU auch längerfristig massiv schaden. „Die derzeitige Kombination aus der Bereitschaft mehrerer Abgeordneter, sich persönlich an der Krise zu bereichern, sowie dem staatlichen Missmanagement bei der Coronabekämpfung birgt für die gesamte Union toxisches Potenzial“, befindet die Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing in der Augsburger Allgemeinen.

Es könnte beim Wähler der Eindruck hängen bleiben, die Wirtschaftskompetenz der Union „äußere sich vor allem in der Aufgeschlossenheit einzelner Abgeordneter gegenüber lukrativen Nebeneinkünften“.

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13 Kommentare

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  • Auch wenn es stimmen sollte, dass alle Parteien gleich korrupt sind, wozu brauchen wir denn noch CDU/CSU?



    Also ich meine bei welchen inhaltlichen Themen unserer Gegenwart? (Abgesehen von dem aktualisierten Antikorruptionskodex) Klima? Soziale stabilität und gesellschaftlicher Zusammenhalt? Nachhaltige Wirtschaft?



    Ich weiss nicht...

  • Bei so derartig viel Transparenz in der Union, in der Kirche, beim Waffenhandel, in der Polizei und beim Verfassungsschutz blickt der ein oder andere sicher schon nicht mehr ganz durch. Hier geht es diesmal natürlich um die bedingungslose Transparenz ab 100.000 Euro aufwärts im Rahmen der rechtlichen Unmöglichkeiten.

  • Das Problem scheint bei der CSU systemisch zu sein“, erklärt etwa FDP-Fraktionschef Martin Hagen.



    Ein kleiner Komiker, der Maddin.



    Hier nochmal etwas zur legalen Korruption in Deutschland.

    www.abgeordnetenwa...bundestag-nebenher

    www.abgeordnetenwa...ampaign=nl20210321

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Die Machtgier des Markus Söder könnte hier sogar hilfreich sein.

  • Reinhard Mey hat das schon 1996 sehr treffend zusammengefasst:



    www.youtube.com/watch?v=frVD3Juc5cU

    Und daran hat sich kein Deut geändert.

  • Gut, da haben wir wieder eine "Unterschriftenaktion" wie zuletzt bei der CDU.



    Schön toll.....ähm nein eher nich.



    Wie werden auch da wieder sehen, hey, am Ende des Tages, wird es da wieder Politiker geben, da naja so ein kleines bisschen knapp an den Punkte vorbeischrammen.



    Da kann man nur hoffen für die CSU, das erst zuerst jemand ist der nicht so wichtig ist, damit man das medial schön präsentieren kann, hey unser system funktioniert.



    Wenn natürlich gleich als erstes jemand kommt der leider "too big to fall" ist, werden wir (potentielle, auch wenn das Potenzial bei 0 liegt ;) ) Wähler wenigstens sehen wie stark diese System "dehnbar"...

  • „Für die CSU steht eine Menge auf dem Spiel.“



    In der Tat, und insbesondere im Superwahljahr. Deshalb würde ich die von der Union verkündeten Maßnahmen nicht von vornherein als heiße Luft abtun.



    Die anderen Parteien sollten nicht so tun, als wäre Korruption in ihren Reihen NIEMALSNICHT zu finden und als wäre Korruption nur ein CDU/CSU-Problem.



    Bin gespannt, wann auch in der politischen Konkurrenz korrupte Politiker gefunden werden. Die Medien können gnadenlos sein, wenn ihnen irgendwas verdächtig erscheint!

    • @Pfanni:

      Ihre Aussage würde stimmen wenn alle gleich behandelt werden.



      Aber alle Medien haben ihre Präferenzen. Und z.B. sind die grünen der Liebling der meisten Medien ...

      • @Günter Witte:

        Sie können gerne Projektionen auf Parteien oder Menschen vornehmen, die Ihnen nicht behagen.



        Traurige und vor allem belegbare Tatsache ist, dass die CSU, gefolgt von der CDU die Liste der Mandatsträger mit höchsten und intransparentesten Nebeneinkünften anführt. Um Längen.



        Diese Listen sind einsehbar und folgen dem Prinzip der Gleichbehandlung. Sie müssen sich nur die Mühe machen, viel weiter hinten zu suchen, dann finden Sie sicher auch Namen, über die Sie gerne wettern würden.



        Traurig und ebenfalls belegbar ist, dass die Größten Korruptionsaffären der letzten 40 Jahre auf CDU/CSU zurück gehen. Würden wir hier das Prinzip der Gleichbehandlung anlegen, würden Sie noch mehr zetern.



        PS: Diese neu gegründete Kommission gibt es quasi schon. Hat seit vielen Jahren nur nicht 1x getagt, aber hey, die Grünen.

  • Das ist doch wieder nur heiße Luft. Bis zur Wahl wird nur geredet und Änderungswille vorgetäuscht und nach der Wahl geht es ab auf die lange Bank.

  • "Don't call me up", appropriate? Wecker als Instrument für den Weckruf, der das Ende der (Bett-)Ruhe einläutet, oder sogar brutal schrill loskracht im Tiefschlaf. Schuss gehört, wake up call addressed. Gut gegeben Herr Dr. Söder. Stresserprobt und vor der Wiedererweckung der Christsozialen, denen die Kernmarke beider Namenshälften abhanden gekommen schien? Vielleicht eine kleine Parallele zur SPD, die ihr Volksparteidasein durch einige unsoziale Unwohltaten als Katalysator zur Verpuffung brachte. Co-Branding lieber erst professionell checken lassen! Image-Berater im Umfeld bieten sich sicher an. Ein echter Weckruf vom Wecker, dem Konstatin, lautete als verbale Attacke auf die Dauerschläfer: "Wo alle loben, habt Bedenken. Wo alle spotten, spottet nicht. Wo alle geizen, wagt zu schenken. Wo alles dunkel ist, macht Licht." Wenn das Licht angeht, Schlaf aus den Augen reiben und eine kalte Dusche. Reflexhaft gelernt und umgesetzt von der CSU-Spitze: Der Weckruf bedeutet nicht raus aus den Federn, sondern für Einzelne raus aus den Ämtern und weg von den Mandaten. Endlich wach in München? A la bonne heure! Meine Prognose: Fortsetzung folgt.

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    Ich bin dem Herrn Blume direkt dankbar. Seit heute Mittag 12.00 Uhr, High Noon, kam ich aus dem Schluchzen der Rührseeligkeit ob des neuen Zeitalters in der CSU nicht mehr raus. Herr Blume hat wieder alles gerade gerückt: Kleinigkeiten, kommt in den besten Familien vor. Na dann: alles halb so wild.

  • Überrascht uns der Korrumptionsskandal sehr? Eher nicht.



    Sollen wir jetzt an das neue Verhaltens-Kodex eine „Compliance-Kommission“ glauben? Hm?



    Die Flucht nach vorn mit den "Tigern" und "Schwertern" klingt ja eher wie etwas aus einem Märchen.