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CSD in WeißenfelsSo geht Brandmauer

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Ein Christopher Street Day in Sachsen-Anhalt fand statt trotz rechter Drohungen. Das ist der Zusammenarbeit von Linken und Konservativen zu verdanken.

Die Mauer gegen Neonazis steht Foto: Georg Wendt/dpa

D as hätte kaum besser laufen können: ein CSD in Weißenfels. Sowieso gut, ein queerer Umzug durch eine kleine Stadt, zumal am äußersten südlichen Zipfel Sachsen-Anhalts. Also in der Provinz der Bundesländer, die aktuell von der AfD und ihr nahestehenden rechtsmilitanten Kreisen mehr denn je versifft wird. Eine queere Parade, die zum Ausdruck bringen wollte, dass auch in der Provinz das neue deutsche Normal angekommen ist, eines, in dem Lesben und Schwule und Transmenschen nicht mehr unsagbar und diskret bleiben müssen. Diversität lebt – eben auch dort.

Doch es lebt dort auch: der Versuch einer rechtsextremistischen Gruppe, die diesen CSD ultramilitant anfeindete – weshalb der Umzug später als geplant begonnen wurde. Ein CDU-Landrat, der seine Solidarität mit den queeren Demonstrierenden ausdrückt. Und eine viel zu geringe Polizeipräsenz, weil die Behörden die Parade fahrlässig als besonders buntes Partyevent einstuften.

Aber: die Demonstration konnte allen rechtsradikalen Störungsversuchen zum Trotz stattfinden! Andernorts hätten die politisch Obersten die Sache abgeblasen, um, wie viel zu oft schon als Argument vorgeschoben, die öffentliche Ordnung nicht zu gefährden. Der Weißenfelser CSD aber zog umher – einen smarteren Triumph gegen die Rechtsextremistinnen* konnte es kaum geben. Voraussetzung für diesen Erfolg war, dass die CSD-Organisierenden eng mit den Behörden kooperierten. Und dass sie wussten: Die mediale Aufmerksamkeit ist auf ihrer Seite, „Tagesschau“-Bericht am Abend inklusive. Sie paradierten also durch ihre Stadt, die sie nicht von Rechten erobert wissen wollen – CDU und Linkspartei im Einvernehmen. Man könnte auch sagen: die konservative, gleichwohl in puncto Diversität selbstredend liberale Union – in Allianz mit den linkeren (nicht minder liberalen) Kräften. So geht Brandmauer.

Schwule und Lesben und Trans-Personen werden sich in und um Weißenfels nicht im Paradies fühlen – aber sie wissen nun, dass sie (höchstwahrscheinlich) offen mit ihnen Alliierende haben. Ermutigend, das!

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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2 Kommentare

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  • Hitlergruß auf offener Straße und "Sieg Heil"-Gebrüll. Polizei, die sich erst mal 2 Stunden sortieren muss, um den ungestörten Verlauf einer fristgerecht angemeldeten friedlichen Versammlung zu gewährleisten.

    "Das hätte kaum besser laufen können"

  • 》CDU und Linkspartei im Einvernehmen. Man könnte auch sagen: die konservative, gleichwohl in puncto Diversität selbstredend liberale Union – in Allianz mit den linkeren (nicht minder liberalen) Kräften. So geht Brandmauer《

    Ja!