CO2-Verpressung unter dem Meer: Kieler CDU eröffnet Debatte neu
Initiiert vom Ministerpräsidenten diskutiert Schleswig-Holstein wieder über Verpressung von Kohlendioxid. Der Landtag will Expert*innen anhören.
![Menschen demonstrierten mit einem Kreuz und einen Plakat gegen CO2-Verpressung unter dem Wattenmeer Menschen demonstrierten mit einem Kreuz und einen Plakat gegen CO2-Verpressung unter dem Wattenmeer](https://taz.de/picture/6063061/14/CO2-Protest2011--Wolfgang-Runge-dpa-1.jpeg)
„Die Schmerzen sind Ihnen anzusehen“, sagte Oppositionsführer Thomas Losse-Müller (SPD) im Landtag zu Lasse Petersdotter. Der Fraktionschef der Grünen, die mit der CDU regieren, hatte sich noch vor wenigen Tagen gegen die Gas-Verpressung im Meeresboden ausgesprochen.
Im Parlament versuchte er, seinen Meinungswechsel zu erklären: Die Zustimmung zu der Anhörung sei „kein Befürworten von CCS, sondern Teil einer Debatte. Wir sehen die Risiken. Aber wir können das klimapolitische Dilemma nicht ignorieren, wir können nicht weiter in Richtung Wand fahren.“ Daher sei er für ein Abwägen der Argumente.
Die allerdings sind seit Jahren bekannt. Wissenschaftler*innen wie Klaus Wallmann, Professor für Maritime Biogeochemie am Helmholtz-Zentrum Geomar in Kiel, glauben, dass es ohne CO2-Verpressung nicht gelingen werde, die Klimaziele zu erreichen. Seit Jahren erforscht er in einem internationalen Projekt, wo der Untergrund sicher genug für eine Speicherung ist. Inzwischen gibt es eine Reihe von Ratschlägen.
Umweltbundesamt warnt
Gleichzeit warnen Umweltverbände vor den Gefahren: „Die Meere sind nicht die Müllhalde der Menschheit oder eine Deponie für Klimamüll“, sagt Olaf Bandt, Bundesvorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). „CO2 zu verpressen, ist profitabel für die Gasindustrie, aber bedroht den Lebensraum am Meeresboden – denn langfristig sind Leckagen einkalkuliert.“
Reinhard Knof von der Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager in Schleswig-Holstein formuliert noch schärfer: „Wir wissen, dass das schiefgeht. Das kann nur mit einer Katastrophe enden.“
Welche Schäden drohen, beschreibt das Umweltbundesamt: „Das freigesetzte CO2 kann Schadstoffe im Untergrund freisetzen sowie salzige Grundwässer aus tiefen Aquiferen verdrängen.“ Unter ungünstigen Bedingungen könnten diese verdrängten salzigen Grundwässer bis in oberflächennahe süße Grundwässer und an die Erdoberfläche gelangen.
Dort könnten sie zu Versalzungen im Grundwasser, in Böden und Oberflächengewässern führen. Außerdem verbrauche die Verpressung zusätzliche Energie, und die Zahl der möglichen Speicherorte sei weltweit begrenzt. Das Umweltbundesamt rät daher dazu, den CO2-Ausstoß der Industrie zu reduzieren.
Olaf Bandt, Bundesvorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz
Doch warum sparen, wenn sich das Gas bequem im Meer versenken lässt? SPD-Fraktionschef Losse-Müller warf der CDU in Schleswig-Holstein vor, „in Gasthöfen und Hinterzimmern“ zu verkünden, mit CCS sei nun genug für den Klimaschutz getan. „Es geht nicht um technische Lösungen“, betonte er im Landtag. Der Vorstoß der CDU sei „magisches Denken“ und „Politiksimulation“. Die Wege zur Klimaneutralität seien bekannt, die Regierung müsse nun Geld und Kraft investieren, um die Infrastruktur umzubauen.
Als „schlicht verantwortungslos“ wies Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) die Kritik der SPD zurück. Günther hatte die Debatte bei einem Talkshow-Auftritt Mitte Januar erneut in Gang gebracht. Im Landtag betonte er: „Wir wollen den Ausstoß verringern und sind mit den Klimazielen noch ambitionierter als der Bund.“
CCS dürfe „nicht zu Bequemlichkeit verleiten“, sei aber notwendig, um einen Teil des Klimagases zu speichern. Aktuell würden sich länderübergreifend Forschende für CCS aussprechen, daher „sollten wir dieses Thema diskutieren“. Es sei keine Lösung, CO2 in andere Länder zu exportieren.
Norwegen erlaubt es
Daran wird bereits gearbeitet: Wintershall Dea und das HES-Tanklager im Hafen Wilhelmshaven haben im vergangenen Oktober eine Absichtserklärung für den Bau einer CO2-Verladestelle unterschrieben. Über diese Anlage soll Gas per Schiff in den Grenzbereich zwischen Norwegen und Dänemark transportiert werden, teilt Wintershall mit. Norwegen erlaubt bereits, Gas zu verpressen – Bundesklimaminister Robert Habeck (Grüne) informierte sich dort im Dezember.
Dänemark hat im Dezember einen entsprechenden Vertrag mit Wintershall Dea geschlossen. Die Verpressung solle „in den nächsten Wochen“ starten, zitiert das Flensburger Tageblatt eine Firmensprecherin. Das „Greensand“ genannte Projekt beginnt mit einer Pilotphase. Künftig sollen dort rund 1,5 Millionen Tonnen CO2 jährlich verpresst werden. Laut Wintershall sind später sogar acht Millionen Tonnen im Jahr denkbar – auch aus Deutschland.
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