CDU-Vorstandsklausur in Hamburg: Nicht die Seele verkaufen
Bei der Klausurtagung der CDU-Spitze sollte es um Wirtschaft und Sicherheit gehen. Doch an Söder, Koalitionsdebatten und der AfD kam man nicht vorbei.
Nun meinen manche, insbesondere in der Schwesterpartei CSU, dass die CDU und ihr gemeinsamer Kanzlerkandidat Friedrich Merz deutlich stärker in den Wahlkampfmodus kommen müssten, wobei vielleicht auch Koffein helfen könnte. Aber die aufputschende Substanz kann bekanntlich auch nervös machen – eine leichte Nervosität allerdings ist an diesem Wochenende bei der CDU auch ganz ohne Energydrinks zu spüren.
Zwar liegt die Union in den Umfragen weiter unangefochten auf Platz eins. Doch der Trend geht nicht – wie gewünscht – endlich weiter nach oben. Die Union ist in den letzten Umfragen abgesackt. Die AfD dagegen hat zugelegt. Und der von CDU und CSU so viel gescholtene grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck hat in den Beliebtheitswerten mit Merz gleichgezogen. Hinzu kommt das stete Gepiesacke aus Bayern.
Kaum ein Tag vergeht, in dem CSU-Chef Markus Söder nicht bekräftigt, dass eine Koalition mit den Grünen wirklich vollständig ausgeschlossen sei. Die CDU dagegen will nicht über mögliche Bündnisse sprechen, sondern ihre eigenen Themen nach vorne schieben. Und da wäre zuallererst: die wirtschaftliche Lage im Land. Migration, so ist zu hören, müsse zwar bedient werden, einen dezidierten Migrationswahlkampf aber will die CDU nach eigenem Bekunden nicht führen. „Der absolute Fokus ist die Wirtschaftspolitik“, so sagt es Merz. Söder allerdings nennt das Thema Migration auffällig häufig an erster Stelle.
Merz schließt Zusammenarbeit mit AfD aus
Nach außen wird die CDU-Spitze nicht müde zu betonen, wie geschlossen CDU und CSU dastünden, ohnehin ist an diesem Wochenende offen kein kritisches Wort gegen das eigene Lager zu vernehmen. Doch bei so manchem Christdemokraten werden Erinnerungen an den Wahlkampf 2021 wach, in dem Söder mit ständigen Querschüssen den damaligen Kanzlerkandidaten Armin Laschet demontierte. Der Unmut darüber sei bei der allgemeinen Aussprache im CDU-Bundesvorstand auch Thema gewesen, war am Rande der Klausur zu hören.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hatte Söder zuvor bereits in einer Talkshow scharf kritisiert. Es wäre besser, Söder würde „den Mund halten“ und für eine starke Union kämpfen, sagte Günther bei Lanz. Sorge bereiten vielen in der CDU-Spitze auch die Nachrichten aus Österreich, wo die dortige konservative Partei, die ÖVP, sich anschickt, den rechtsradikalen FPÖ-Chef Herbert Kickl ins Bundeskanzleramt zu verhelfen. Merz habe sich während der Aussprache noch einmal klipp und klar von der AfD abgegrenzt, war von Teilnehmern zu vernehmen.
„Ich wiederhole es hier zum Mitschreiben. Eine Zusammenarbeit unter meiner Führung wird es mit der CDU in Deutschland nicht geben“, sagte Merz auch in einem Interview mit den Tagesthemen am Freitagabend. Dazu müsse die CDU ihre Seele verkaufen und das werde er nicht tun. Und auf Nachfrage fügte Merz hinzu: „Ich knüpfe mein Schicksal als Parteivorsitzender der CDU an diese Antwort.“
„Agenda 2030“ soll Wirtschaft ankurbeln
Am Rande der Klausur war zudem die Aussage häufiger zu vernehmen, die demokratische Mitte habe jetzt „noch einen Schuss“: Wenn die neue Bundesregierung die Probleme im Land nicht löse, werde die AfD bei der Bundestagswahl 2029 möglicherweise stärkste Kraft. Merz betonte auf der Pressekonferenz zum Abschluss der Klausur denn auch, notwendig sei ein sehr grundsätzlicher Politikwechsel und er werde für eine Regierung sorgen, die aufhöre zu streiten und verlässliche Rahmenbedingungen für Unternehmen und Bevölkerung setze.
Auf der Pressekonferenz war auch zu spüren, wie wenig Merz und auch seinem Generalsekretär Carsten Linnemann, der für den Wahlkampf zuständig ist, Fragen nach AfD, Koalitionsmöglichkeiten und der Schwesterpartei gefallen. „Wir konzentrieren uns auf unsere Botschaften“, sagte Merz etwa auf die Frage, was Söder da treibe. Den Namen des CSU-Chefs nannte er nicht. Ziel der Klausur war es doch, für die heiße Wahlkampfphase die politischen Inhalte nach vorne zu schieben.
So beschloss die CDU-Spitze eine „Agenda 2030“, mit der sie die Wirtschaft ankurbeln will. Das Mittel dazu: Steuersenkungen und Einsparungen beim Bürgergeld und der Migration. So will die CDU eine schrittweise Senkung der Steuerlast von Unternehmen von heute rund 30 auf 25 Prozent. Zudem soll im Rahmen einer „großen Steuerreform“ bis 2029 der Tarif bei der Einkommensteuer abgeflacht werden, der Spitzensteuersatz erst ab 80.000 Euro greifen. Der Solidaritätszuschlag, der inzwischen nur bei höheren Einkommen anfällt, soll ganz gestrichen werden.
Gleichzeitig sollen Überstundenzuschläge steuerfrei gestellt werden und Rentner*innen, die weiter arbeiten, bis 2.000 Euro monatlich keine Steuern zahlen. Wie das alles finanziert werden soll, bleibt weiter offen. Auch will die CDU das Bürgergeld durch eine „neue Grundsicherung“ mit schärferen Sanktionen ersetzen und den Vermittlungsvorrang wieder einführen. „Wir brauchen einen wirklich fundamentalen Wechsel in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik“, sagte Merz.
Täter ohne deutschen Pass sollen Aufenthaltsrecht verlieren
Schaffen will die CDU auch ein eigenes Digitalministerium, das Merz mit einem „Profi“ aus der Wirtschaft besetzen will. Die Zahl der Ministerien insgesamt soll aber gleich bleiben. Zudem soll die Ministerialverwaltung „mit zehn Prozent weniger Personal auskommen“. IG-Metall-Chefin Christiane Benner und Industriepräsident Peter Leibinger waren zur Diskussion um die Wirtschaftslage eingeladen.
Zudem verabschiedete die CDU ein Papier unter dem Titel „Für einen Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit“, in dem es auch um Asyl geht. „Das Sicherheitsgefühl der Menschen ist erschüttert“, sagte Generalsekretär Linnemann, das müsse sich ändern. Die CDU will den Informationsaustausch zwischen Bund und Ländern und die Ausstattung der Sicherheitsbehörden verbessern, auch sollen diese mehr Befugnisse etwa zur elektronischen Gesichtserkennung bekommen. Mit Blick auf psychisch kranke Gewalttäter soll eine neue Gefährderkategorie eingeführt werden. Bei schweren Taten wie Kindesmissbrauch sollen Internetanbieter zur Speicherung von IP-Adressen für mindestens drei Monate verpflichtet werden.
Täter ohne deutschen Pass sollen ihr Aufenthaltsrecht verlieren, wenn sie zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, und sei es auch nur auf Bewährung. Auch der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft bei schweren Straftaten, insbesondere bei „antisemitischen und terroristischen Taten“, steht in dem Papier. Mit dieser Forderung hatte Merz bereits im Vorfeld für breite Kritik gesorgt.
Söder grenzt sich erneut gegen die Grünen ab
Auch eine unbefristete Abschiebehaft will die CDU unter bestimmten Bedingungen einführen, Geflüchtete an der deutschen Grenze zurückweisen, mehr Staaten als „sichere Herkunftsländer“ einstufen und Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU durchführen. Zudem soll „regelmäßig“ nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden. Zur Sicherheitsdiskussion kam als Gast der Chef der Bundespolizei, Dieter Romann, der als Hardliner bekannt ist. „Wir müssen den Magneten Deutschland abschalten“, habe Romann bei seinem Vortrag gesagt, zitierte Merz und betonte, dass er der Aussage zustimme.
Besonders aufmunternd für die CDU scheint der letzte Gesprächsslot am Samstagmittag mit Renate Köcher, der Chefin des Meinungsforschungsinstituts Allensbach gewesen zu sein. Dort liege die Union in den Umfragen beständig bei 35-37 Prozent, „bestätigt in dieser Woche“, sagte Merz. Was ihn hoffen lasse, ein Ergebnis „in der zweiten Hälfte der 30er“ erreichen zu können. Zu hören war auch, dass Merz laut Allensbach von Wählerinnen und Wählern mit 50 Prozent deutlich mehr Wirtschaftskompetenz zugetraut werde als Olaf Scholz und Habeck.
Erfreuliches Ende der Klausur für den CDU-Bundesvorstand also? Nicht ganz. Ein Blick auf Söders X-Profil könnte die gute Stimmung der Vorstandsmitglieder jedenfalls gleich wieder zunichtemachen. Passend zum Ende der Klausur bekundete dort der CSU-Chef: „Robert Habeck hat als Wirtschaftsminister versagt.“ Und weiter: „Für uns sind die Grünen nicht kompatibel. Ihr Platz ist in der Opposition.“
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