CDU-Spitzenkandidat über seine Pläne: „Probiert’s doch einmal anders!“

Der Unternehmer Carsten Meyer-Heder wird bei der Bremer Bürgerschaftswahl 2018 als Spitzenkandidat für die CDU antreten. Das Ende der SPD-Herrschaft ist sein Ziel.

Carsten Meyer-Heder

Will nicht bloß verwalten, sondern handeln: Carsten Meyer-Heder Foto: Jan Zier

taz: Herr Meyer-Heder, was treibt Sie in die Politik?

Carsten Meyer-Heder: Ich bin hier jetzt seit 25 Jahren Unternehmer, mache das auch gerne, aber das sind ganz andere Prozesse, Abläufe und Entscheidungen. Sich in diesem neuen Feld zu positionieren, das finde ich reizvoll und spannend. Vor allem aber finde ich: Es muss mal ein Ruck durch Bremen gehen. Wir müssen hier viele Sachen anders machen – besser machen.

Und dafür steigen Sie jetzt mal gleich in die Spitze ein, statt an einer Parteibasis mitzuarbeiten?

Ich bin immer schon ein Quereinsteiger gewesen: Ich bin auch quer von der Musik in die Wirtschaft gewechselt. Es ist aber nicht so, dass ich losgezogen wäre und gesagt hätte: Ich bin euer Kandidat.

Sondern?

Ich fand: Immer nur rummeckern nützt nichts. Also bin ich zu Jörg Kastendiek gegangen und habe ihn gefragt: Ich möchte gerne was machen, welche Möglichkeiten gibt es bei euch?

Und der hat gesagt: Fein, wir suchen gerade einen Bürgermeisterkandidaten?

So ähnlich. Er hatte einen Auftrag von der Partei, extern jemanden zu suchen für die nächste Bürgerschaftswahl. Weil der CDU auch bewusst ist, dass es mit ihren bekannten Köpfen schwierig werden kann, eine Wahl zu gewinnen. Ich finde das einen mutigen Schritt: Ich bin ja nicht so ein klassischer CDU-Kandidat, mit meiner Vita.

Jahrgang 1961, muckte als Percussionist, bevor er in die Wirtschaft wechselte und 1993 den IT-Dienstleister Team Neusta gründete. Die Gruppe hat derzeit 22 Gesellschaften in Bremen, Hamburg, Frankfurt und Toulouse mit insgesamt 1.000 Mitarbeiter*innen. Politisch war Meyer-Heder nicht in Erscheinung getreten, bis ihn der Landesvorstand der CDU am 22. Januar auf Vorschlag seines Vorsitzenden Jörg Kastendiek einstimmig als Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl 2018 nominiert hat. Am 1. März ist Meyer-Heder der Partei beigetreten.

Nirgends in Deutschland ist die Spreizung zwischen Armut und Reichtum deutlicher ausgeprägt als hier, die Wahlen gelten als sozial nicht mehr repräsentativ – und jetzt drängt jemand aus der Wirtschaft an die Spitze des Gemeinwesens: Ist Ihre Nominierung so gesehen das richtige Signal an unseren gespaltenen Zwei-Städte-Staat?

Meine Hoffnung ist, dass ich diese Flügel wieder ein bisschen zusammenbringen kann. Ich kenne beide Seiten. Ich bin nicht reich geboren. Ich habe mich mal selbstständig gemacht, ich habe Zivildienst gemacht, mein erstes Auto war ein gelber R4 und der war echt Vollschrott. Gleichzeitig kenne ich über die Eiswette auch ein paar Leute der Bremer Gesellschaft. Ich glaube, wir brauchen jemanden, der beide Seiten zusammenbringen kann.

Der Wirtschaftsmann als jemand, der vernetzt?

Ein modernes Unternehmen funktioniert über Networking. Das ist so. Da sitzt nicht mehr ein Chef, der von oben herab alles runterdekretiert und dann laufen sie alle. Man muss die Leute mit auf den Weg nehmen, viel reden und viel Überzeugungsarbeit leisten. Ich glaube: Das genau ist eine Fähigkeit, die ich habe.

Vorbehalte gegen Quereinsteiger aus der Wirtschaft hat gerade die Bremer CDU genährt: Da gab’ s Senatoren wie Ulrich Nölle, der schließlich per Haftbefehl gesucht wurde, den Manager Josef Hattig, der sehr viel Geld in erfolglose Großprojekte wie den Spacepark gesteckt hat, und den Banker Peter „Schampus“ Gloystein, der auch bundesweit zur Ikone der Herzlosigkeit avancierte, als er einem Obdachlosen Sekt auf den Kopf gekippt hat.

Carsten Meyer-Heder (CDU) macht ein Wahlversprechen

„Ich bin mir aber sehr sicher: Ich werde niemandem Champagner über den Kopf gießen“

Dafür kann ich nichts. Ich bin mir aber sehr sicher: Ich werde niemandem Champagner über den Kopf gießen.

Das ist beruhigend!

Ich glaube, ich habe eine relativ breite Sicht auf die Welt. Ich mag Menschen gerne, und habe gerne mit ihnen zu tun …

Das zu kommunizieren ist wichtig, um bei der Wahl eine Chance zu haben: Momentan wirken Sie wie jemand, der eher wirtschaftsbezogen denkt …

Tue ich das? Wirke ich wirklich so, als würde ich sehr wirtschaftsorientiert denken?

Sogar für beitragsfreie Kitas hatten Sie vor allem standortpolitisch argumentiert …

Ich argumentiere mit Blick auf die Menschen und für Bremen und Bremerhaven: Wenn ich hier mir meine Mitarbeiter im Unternehmen anschaue, das sind junge Leute, die haben alle ein solides Einkommen und junge Familien. Damit die ins Arbeitsleben kommen können, muss man die Kitas beitragsfrei stellen. Gleichzeitig ist eine verlässliche Kita-Versorgung ein wichtiger Beitrag für die Teilhabe von Alleinerziehenden am Arbeitsleben und damit gegen Kinderarmut. Kinderarmut kommt genau daher, dass das nicht klappt: 29 Prozent der armen Kinder gehören zu Alleinerziehenden-Haushalten.

Die mussten schon zuvor keine Beiträge zahlen. Ist Gebührenfreiheit wirklich sozial?

Ja, ich finde sie ist sozial: Jeder hat dadurch die Möglichkeit, die Kita für seine Kinder wahrzunehmen und keiner wird aus Kostengründen nach Niedersachsen abwandern. Die Gebühren belasten junge Familien ja erheblich: Wenn jemand zwei Kinder hat, sind das schnell 3.000 Euro aus versteuertem Einkommen. Das ist viel Geld. Soll man dann in Bremen wohnen bleiben, nur um den Kita-Platz zu bezahlen oder lieber über die Landesgrenze nach Niedersachsen wechseln? Das überlegen sich viele zweimal.

Als Ihr wichtigstes Thema haben Sie Bildung benannt: Ist das der entscheidende Punkt?

Ich habe Kinder an einer öffentlichen Schule, und ich muss sagen: Der Unterrichtsausfall ist dramatisch, ganz zu schweigen von den Vergleichsstudien, nach denen die Bremer Neuntklässler*innen so schlau sind wie die Sechst­klässler*innen in Baden-Württemberg. So kann das jedenfalls nicht weitergehen. Aber eher ist das mein Antritt: dass sich etwas ändern muss. Ich liebe diese Stadt, ich lebe gerne hier, aber wenn man ganz ohne ideologische Festlegung auf Bremen schaut, und weiß: Die SPD hält hier seit 70 Jahren das Rathaus, und sieht: Was ist aus Bremen geworden? Wo stehen wir im nationalen Vergleich? Dann muss man zu der Erkenntnis kommen: Das hat nicht gut geklappt. Und ich glaube, dass es besser geht. Dafür brauchen wir aber einen Wechsel. Also kann ich nur allen Wählern zurufen: Probiert’s doch einmal anders! Und daran würde ich mich auch messen lassen.

Daran, dass Sie alles besser machen?

Mir geht es wirklich ums Handeln, nicht bloß ums Verwalten. Ich will Dinge anschieben und auch mal neue Wege ausprobieren. Wir müssen an vielen Schrauben drehen, damit wir Bremen insgesamt nach vorne bringen – und dann finden wir vielleicht auch die engagierte Lehrkraft, die lieber hierher zieht als in eine andere Stadt. Wir müssen Bremen wieder attraktiv machen.

Auch eine liberale Drogenpolitik könnte dazu beitragen. Aber da haben Sie ja schon in der Cannabis-Debatte im Februar klar gemacht: mit Ihnen nicht?

Nein, ich habe vor allem klar gemacht, dass ich glaube, wir haben dringendere Probleme als die Freigabe von Cannabis. Von mir aus kann man sich gerne Gedanken über eine liberalere Drogenpolitik machen – aber nur koordiniert mit Niedersachsen.

Eine Freigabe ließe sich im klar begrenzten Bremen doch viel besser kontrollieren als in einem Flächenland?

Ich verstehe das Argument, aber ich teile es nicht.

Zu den unliebsamen Themen gehört meist auch die Frage nach dem Geld. Aber ab 2020 bekommt Bremen ja 400 Millionen Euro zusätzlich. Wollen Sie die wie Jens Eckhoff komplett in den Schuldendienst stecken?

Schuldentilgung ist eine gute Sache, weil sie eine nachhaltige Wirkung hat und finanzielle Spielräume durch ersparte Zinszahlungen eröffnet. Wir müssen vermeiden, mehr Geld in schlechte Strukturen zu pumpen. Aber wenn wir sinnvolle Projekte haben, werden wir sie aus den ersparten Zinsen finanzieren.

Und da haben Sie an was gedacht?

Zum Beispiel so etwas wie eine kostenfreie Kita. Das ist ja ein sinnvolles Projekt, das überschaubar viel Geld kostet und sofort eine konkrete Wirkung entfaltet. Und das machen wir dann auch.

Mehr Ganztagsschulen?

Auf jeden Fall: Das, was wir mit den beitragsfreien Kitas beginnen, muss in der Schule weitergeführt werden. Ganztagsschulen verbessern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Eltern und bieten die Chance für eine qualitativ bessere Betreuung und Bildung der Kinder.

Ist der OTB auch noch ein sinnvolles Projekt?

In der Form nicht mehr, aus meiner Sicht. Aber wir brauchen einen Schwerguthafen, und wir brauchen einen Plan B dafür, falls am Ende die Gerichte die Genehmigung doch noch kassieren.

Gibt es für Sie auch einen Plan B? Werden Sie Oppositionsführer, wenn es nicht zum Bürgermeister reicht?

Im Augenblick ist der Plan, Bürgermeister zu werden.

Klar. Und wenn nicht?

Dann gucken wir.

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