CDU-Chefin spricht am Aschermittwoch: Gegenattacke von der Neuen
Annegret Kramp-Karrenbauer entschuldigt sich beim Politischen Aschermittwoch nicht für ihren Toilettengag. Stattdessen haut sie nochmal drauf.
Berlin taz | Die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hatte ein klares Motto bei ihrer ersten Rede am Politischen Aschermittwoch im mecklenburgischen Demmin: Gegenangriff. Und sie klang dabei viel schärfer und emotionaler als ihre Vorgängerin, Angela Merkel.
Die Vorlage lieferte ihr CDU-Parteikollege Werner Kuhn, der sie gegen 18 Uhr auf die Bühne bat. Bereits in seiner Moderation des vergangenen Politischen Aschermittwochs war Kuhn mit derbsten Sprüchen über Geflüchtete aufgefallen: „Wer Gastrecht bricht in unserem Haus, der fliegt achtkantig wieder raus! Man sollte ihn in Ketten legen, ab in die Heimat: Straße fegen!“ Ungeachtet dessen durfte er auch dieses Jahr wieder durch die Veranstaltung führen und bat AKK mit flachen Reimen auf die Bühne: „AKK drum sei ein Schatz. Komm hoch zu mir – hier ist dein Platz! Der ganze Saal ist jetzt perplex, erklär uns doch den ‚Unisex‘.“ Damit bezog er sich auf Kramp-Karrenbauers Büttenrede vergangenen Donnerstag vor dem baden-württembergischen „Stockacher Narrengericht“. Ihre Witze über Intersexuelle hatten heftige Kritik ausgelöst. Sie hatte sich über „Toiletten für das dritte Geschlecht“ mit den Worten lustig gemacht, dass diese für die Männer seien, „die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür – dazwischen – ist diese Toilette.“
Zu der Kritik geäußert hatte sich Kramp-Karrenbauer seitdem nicht – bis jetzt. Gleich zu Beginn ihrer gut 40-minütigen Rede ging sie in die Offensive und beklagte sich selbst als Opfer übertriebener politischer Korrektheit. „Hättet ihr euch mal lieber die ganze Veranstaltung angeschaut“, rief sie unter tosendem Applaus des Publikums ihren KritikerInnen entgegen. Es sei in ihrer Rede nie um das „dritte Geschlecht“ gegangen, sondern um „die Frage nach Emanzen, nach Machos und um das Verhältnis zwischen Mann und Frau“.
Sie mache sich Sorgen über die Tradition von Karneval und Festnacht, wo man „nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen“ müsse. Die Reaktion auf ihren missglückten Witz nahm Kramp-Karrenbauer als Aufhänger für einen Rundumschlag gegen all diejenigen, die von einer CDU-Vorsitzenden und potenziellen Kanzlerkandidatin forderten, nicht ausgerechnet über Minderheiten Witze zu machen.
„Es ist alles ein Wahnsinn, was wir hier erleben“, sagte Kramp-Karrenbauer mit Blick auf zwei Kindergärten in Hamburg, die den Kindern „Indianer oder Scheich“ als Kostüm verboten hatten. Sie wünsche sich ein Land, in dem Kinder einfach Kinder sein könnten, ohne dass man ihnen „mit drei Jahren schon sagt, dass sie kultursensibel sein müssen“.
Wenig Verständnis für rassistische Diskriminierung
Wenig Verständnis hatte Annegret Kramp-Karrenbauer also auch für die Anliegen von kulturellen Minderheiten und People of Color in Deutschland, bei der Kostümierung nicht mehr rassistisch oder durch kulturelle Aneignung klischeehaft dargestellt werden zu wollen. Stattdessen, so die CDU-Chefin, zeige die Debatte, dass es in Deutschland anscheinend keine „wirklichen Probleme“ mehr gebe.
Etwas versöhnlichere Töne schlug Kramp-Karrenbauer dagegen an, als sie auf die bevorstehende Europawahl zu sprechen kam. Die sei keine normale Europawahl, sondern es gehe jetzt um die Frage, „was wir in Deutschland, was wir in Europa für wichtig halten, was wir für Werte haben“. So habe Europa geholfen, dass Deutschland wiedervereinigt sei und es keinen eisernen Vorhang mehr gebe.
Während sie die aufgehobenen innereuropäischen Mauern lobte, sodass „wir ohne Grenzen zwischen unseren Nachbarländern sicher und frei leben können“, forderte sie im nächsten Atemzug direkt den gemeinsamen Schutz der Außengrenzen. Dabei warf sie auch den anderen Parteien vor, niemand von ihnen hätte „Ideen und die Kraft, sich für Europa wirklich einzusetzen“.
Laute Kritik am Koalitionspartner
Vor allem gegen den Koalitionspartner SPD teilte Kramp-Karrenbauer mehrmals aus. Während der Rede wurde ihre Stimme immer lauter. Als sie gegen Finanzminister Olaf Scholz austeilte, überschlug sie sich geradezu. Ihm warf sie vor, immer nur dann die Bundesschatulle zu zücken, wenn es um die Finanzierung von Vorschlägen seiner Partei gehe, hingegen könnten „die mit den schwarzen Ministerien bluten“.
Die ablehnende Haltung der SozialdemokratInnen zu Rüstungsexporten in Länder wie Saudi-Arabien strafte sie ab: Wenn man sich einmal dazu entschieden habe, eine Rüstungsgüter-Industrie im Land zuzulassen, dürfe man diese nicht anschließend wieder hintertreiben.
Von der Basis der ChristdemokratInnen erhält sie an diesem Abend jubelnden Applaus und zum Ende sogar Standing Ovations. Ob ihre Taktik, ihr hartes, konservatives Profil zu schärfen, auch bei den WählerInnen ankommt, wird sich in den kommenden zwei Monaten zeigen: Neben der Europawahl stehen dieses Jahr in Brandenburg, Sachsen und Thüringen auch drei wichtige Landtagswahlen an.
Leser*innenkommentare
Normalo
Ein weiteres Beispiel, dass, wer von Karneval nichts versteht, auch nicht darüber urteilen sollte, wie er gemeint ist. Bierernst und mit politischer Goldwaage besehen, ist doch die ganze Veranstaltung eh längst ein Fall für die "Müllhalde der Geschichte"...
Auf der anderen Seite kein Mitleid für AKK. Sie wusste, worauf sie sich einließ, als sie für sich beschloss, dass nicht nur Kinder und Beruf sondern auch Bütten- und Parteikarriere papallel funktionieren können. Es steht ihr zu, diesen Kurs kämpferisch zu vertreten (und letztlich wäre es auch schade, wenn eien Politikerin nicht auch eine ganz normale, also NICHT politisch korrekt rundgelutschte, Büttenrednerin sein kann). Aber über das Gegenfeuer kann sie sich auch nicht beschweren.
Peter Meisel
AKK war auf einem "Narrengericht" und hat sich super verteidigt. So viel Intelligenz habe ich seit der "Marktkonformen Demokratie" bei der CDU vermisst!
"„Toiletten für das dritte Geschlecht“ mit den Worten lustig gemacht, dass diese für die Männer seien, „die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür – dazwischen – ist diese Toilette.“
Wer nicht hinschaut, kann nichts sehen! Hier die Sendung:
SWR
Am 01.03.2019 veröffentlicht
Ihr Herren, nehmt Euch in Acht! Angeklagt vom Stockacher Narrengericht: Annegret Kramp-Karrenbauer, die frisch gebackenene Parteivorsitzende der Bundes-CDU. Das könnte eine denkwürdige Verhandlung werden!
www.youtube.com/watch?v=KV3JAppZ-sE
Viele Erkenntnisse!!
Bibo
"...Wenn man sich einmal dazu entschieden habe, eine Rüstungsgüter-Industrie im Land zuzulassen, dürfe man diese nicht anschließend wieder hintertreiben..."
Das ist dann wohl ihre Flüchtlingspolitik, tätig daran mitzuwirken möglichst viele potenzielle Flüchtlinge schon am Fluchtort zu töten.
Lowandorder
Ach du heiliger Strohsack^!*
Meckelnbörg. Der Deutsche Sonderfall.
& Liggers.
Das. Selbst unter den ostelbischen -
Krautjunkern. Newahr. Normal.
Hatte als einziges Land des Deutschen Reiches.Nie Nich ! Eine Verfassung.
“Ach was!“ Loriot - aka “Vagel Bülow“
& Däh! Nochens & Na - Si’cher dat.
Das soll jetzt keine Drohung sein - wa!
Aber der Eiserne Kanzler - Remember.
Nein - Nicht Dr. Helmut Bimbes Kohl.
Nö. Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen, ab 1865 Graf von Bismarck-Schönhausen, ab 1871 Fürst von Bismarck, ab 1890 auch Herzog zu Lauenburg - aka - 'Lotse geht von Bord'
Fürst Bismarck befand zutreffend einst:
Er wolle am liebsten in Meckelnbörg!
Sterben. Doch Doch!
“Dort geschehe alles 50 Jahre später.“
Na Mahlzeit.
Sven2000
Die Karrenbäuerin und ihre Konsorten heizen volle Kanne in das politische Mittelalter zurück.
Wenn‘s schön macht ...
Zumindest weiß man, dass die Abwägung zwischen CDU und AfD Einigen schwerer fallen wird.
Als Partei kann man die C-Gruppen vergessen. Kein Programm, aber jede Menge klar ausgesprochene Vorurteile und Ausgrenzungen.
Sarg Kuss Möder
Leider ist der Begriff staatsfraulich noch kein gängiger. Das, was AKK abgeliefert hat, war alles Andere als das. Sie geriert sich wie ein Generalsekretär in der weiblichen Form, man könnte sagen als Mikro-Geissler, wenn sie schon nicht Mini-Merkel sein will.
91672 (Profil gelöscht)
Gast
@Sarg Kuss Möder Und dabei hatten die Delegierten so geklagt, daß mit AKK die 'linke' Politik Merkels fortgesetzt würde, wo man doch den wunderbaren, rechten Merz gehabt hätte. Jetzt sehen die Delegierten allmählich, daß AKK eine ordentlich stramme Vorsitzende ist, die Karneval als rechtsfreien Raum ansieht und die CDU aus der Mitte wieder schön nach rechts rückt. Koalitionen mit der SPD rücken nun in die Ferne.
DVO
@Sarg Kuss Möder Ehrlich gesagt: die Idee eine dritte Toilette einzuführen ist schon an sich Witz genug. Entweder entscheidet sich jemand weiblich zu sein, dann geht er eben auf die Frauentoilette und umgekehrt, wenn man sich als männlich fühlt, auf die Herrentoilette, oder einfach auf eine, die für alle ist. So eine blöde Diskussion. Deshalb geht der Witz von Frau AKK eher gegen diesen Unsinn.
durroon
Bitte, falls noch möglich, passen Sie die Passage zu den zwei Hamburger Kitas an. Diese haben niemals verboten (Behauptung von BILD), sondern nur darum gebeten, auf solche Kostüme zu verzichten (siehe dazu BILDblog).