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Bundeswehr im IrakGrüner Populismus

Kommentar von Martin Reeh

Die irakische Armee und die Kurden zu stärken, ist sinnvoll. Wer nun den Abbruch der Bundeswehrmission fordert, macht es sich zu leicht.

Ein Bundeswehrsoldat beim Training mit einem Angehörigen der Peschmerga im Irak Foto: Michael Kappeler/dpa

D ass die Linkspartei nach dem US-Drohnenangriff auf den iranischen General Soleimani den Abzug deutscher Ausbildungstruppen aus dem Irak fordert, ist Normalität. Ihre außenpolitische Leitidee heißt, deutsche Soldaten zurückzuholen, ganz gleich, wo sie stationiert sind und worin ihre Aufgabe besteht. Dass mit Annalena Baerbock nun auch die Grünen dieselbe Forderung erheben, ist allerdings nicht nur überraschend, sondern auch ein Problem, weil die Grünen nach der nächsten Bundestagswahl im Außenministerium sitzen könnten.

Zur Erinnerung: Im Juni 2014 konnte der IS Mossul einnehmen, die irakischen Truppen flohen kampflos. Anschließend kämpfte sich der IS in die kurdischen Gebiete im Norden durch. Bei der Rückeroberung des IS-Gebiets im Zentralirak waren auch vom Iran unterstützte schiitische Milizen im Einsatz, die von Amnesty International schwerster Menschenrechtsverletzungen beschuldigt werden.

Um für andere Konfliktlösungen in der Zukunft vorzusorgen, ist es sinnvoll, die reguläre irakische Armee und die Kurden zu stärken. Was man dann auf keinen Fall tun sollte: Die Bundeswehrmission bei ersten Anzeichen eines Konflikts zwischen schiitischen Milizen und den USA abzubrechen. Baerbock unterscheidet nicht einmal zwischen der schwierigen Sicherheitslage in der Hauptstadt Bagdad und dem weitgehend stabilen kurdischen Erbil. Es wäre ein Erfolg der iranischen Führung, wenn sich der Westen nach Syrien auch aus dem Irak vollständig zurückzöge.

Außenpolitische Vertreter der Union treten für einen Verbleib der deutschen Soldaten im Irak ein. Selbst die außenpolitisch oft isolationistisch orientierte SPD plädiert bisher lediglich dafür, die Situation weiter zu beobachten und auf Veränderungen zu reagieren. Baerbock bedient dagegen populistisch die pazifistische Grundstimmung in Deutschland, die im Grunde ein Desinteresse an der Komplexität der Welt ist. Damit mag Baerbock grüne Wahlerfolge befördern. Dem Irak hilft es nicht.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
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10 Kommentare

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  • "Baerbock bedient dagegen populistisch die pazifistische Grundstimmung in Deutschland, die im Grunde ein Desinteresse an der Komplexität der Welt ist"

    Zur Komplexität der Welt gehört auch das Völkerrecht. Sollte sich die Irakische Regierung hinter den Parlamentsbeschluss, welcher den Abzug sämtlicher ausländischer Truppen aus dem Irak beinhaltet stellen, hat Deutschland gar keine andere Wahl, als seine Truppen abzuziehen, da die Rechtsgrundlage - die Einladung der Irakischen Regierung- damit wegfallen würde.



    Die Forderung des Truppenabzuges Deutscher Truppen aus dem Irak als "populistisch"zu bezeichnen, die eine "pazifistischen Grundstimmung in Deutschland" bedient, halte ich daher für verfehlt und im Hinblick der unmittelbaren Geltung des Völkerrechts in Deutschland auch für unangemessen.

  • 7G
    75064 (Profil gelöscht)

    Ich bin doch immer wieder erstaunt, dass viele Menschen glauben, militärische Interventionen LÖSEN Probleme.



    Die Wirklichkeit zeigt jedoch, dass dies, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keinesfalls so ist.



    Weder konnte Afghanistan befriedet werden, noch ist dies im Irak gelungen; und es ist müßig, die anderen gescheiterten Versuche im nahen Osten aufzulisten.



    Nun kommt auch noch dazu, dass sogar das irakische Parlament den Abzug fordert.



    Darüber hinaus sehe ich es mit Sorge, dass die pazifistische Grundstimmung in Deutschland diffamiert wird, ist sie doch eine der wenigen derzeitigen Grundstimmungen auf die ich als Deutscher stolz bin.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @75064 (Profil gelöscht):

      SAY IT LOUD. SAY IT CLEAR:

      Militärische Interventionen lösen nur für eine Zielgruppe Probleme: für Waffenhersteller.

      Schlimm, dass solche Positionen salonfähig sind. Noch schlimmer, dass dies in einem Land möglich ist, dass in den 1980ern Hundertausende für Frieden auf die Straße brachte.

      Für einen antifaschistischen Schutzwall 2.0 und eine Regierungssperre für CDU/ CSU für die nächsten 50 Jahre.

      Oder wir geben das Wahlrecht gleich zurück.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Zitat: "Militärische Interventionen lösen nur für eine Zielgruppe Probleme: für Waffenhersteller."



        Die Eröffnung einer zweiten Front in Europa durch die USA in WK2 hat für sehr viele Menschen sehr viele Probleme gelöst.

  • Da das irakische Parlement den Abzug der Koalitionstruppen fordert haben Linke, Grüne und alle gleich sehr gute Gründe, die deutsche Teilnhame der US-Besatzung in Irak zu beenden.



    Kurden sind sowieso noch einmal von unseren Kriegsherrn im Stich gelassen.



    Und unsere Truppen haben jetzt mit den schon siebenjährigen und sich immer neuen Nachbarländern erweitenden Krieg der Franzosen in Mali und Umgebung Anlass, sich einen neuen Afghanistanskrieg zu verschaffen.

  • "... die pazifistische Grundstimmung in Deutschland, die im Grunde ein Desinteresse an der Komplexität der Welt ist."



    Ich fürchte, daß es eher die Interventionisten sind, die die Komplexität der Welt unterschätzen. Man muss schon blind oder verbohrt sein, um nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte noch zu glauben, daß "Nation Building" nach westlichem Vorbild die Lösung für den Rest des Globus ist.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @jhwh:

      Nichts gegen "Frankie" Frankenstone: was wolle damit sage?

      • @76530 (Profil gelöscht):

        :) Der wesentliche Unterschied zwischen dem Duracell Bunny und Frankensteins Monster ist, daß der eine nur mit Batterien und der andere dank des kunstfertigen Zusammennähens von Leichenteilen selbst laufen kann.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @jhwh:

          Was Frankensteins Monster angeht, laufen Sie bei mir offene Türen ein. Von Ende der 1980er bis Mitte der 1990er war ich im Raum Frankfurt a.M./ Bergen-Enkheim in dieser Rolle berühmt und berüchtigt. Ich brachte Kinderaugen zum Strahlen und Kinderherzen zum Pochen. "Frankie, Frankie" - ein noch immer in meinen Ohren klingender lieblicher Gesang von Kinderstimmen.

          Da alles ein Aber hat: bei mir war nichts kunstfertig zusammengenäht, sondern alles Natur. Irritationen entstanden, wenn ich vergass, den inneren Schalter umzulegen. Manch tumbe Spassbremse im Erwachsenenalter mochte nicht lachen. ;-)

          Und auch sonst seien Zweifel an einer flächendeckenden Anwendung dieses Kontexts dezent angedeutet.

          • @76530 (Profil gelöscht):

            ... Spassbremsen und Political-Correctness-Blockwarte werden schon über den Nickname aussortiert (, der übrigens nichts mit dem Avatar zu tun hat).