Bundesverfassungsgericht zu BND: Grundgesetz gilt auch im Ausland
Journalisten klagen erfolgreich gegen die BND-Überwachung im Ausland. Das Urteil ist schon jetzt ein Meilenstein in der Rechtsprechung.
Der amerikanische Whistleblower Edward Snowden hatte 2013 enthüllt, wie US-Geheimdienste systematisch den internationalen Telefon-, E-Mail- und SMS-Verkehr überwachen und auswerten. Bald wurde jedoch deutlich, dass auch der BND im Ausland ähnlich agiert. Ende 2016 schuf die Bundesregierung im BND-Gesetz immerhin eine gesetzliche Grundlage für die Auslandsaufklärung des BND.
Gegen diese Ergänzung des BND-Gesetzes klagten sechs internationale Journalisten sowie die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG). Die globale Überwachung des BND schüchtere investigative Journalisten ein. Das Gesetz ziele zwar nicht auf Journalisten, es schütze sie aber auch nicht angemessen, so ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.
In der mündlichen Verhandlung im Januar wurde dann bekannt, in welchem Ausmaß der BND weltweit die Kommunikation von Ausländern im Ausland überwacht. So sucht der BND mit Hunderttausenden Suchbegriffen in den Telekommunikationsnetzen nach verdächtigen Nachrichten. Suchbegriffe können Namen, Orte oder Chemikalien sein. Zu 90 Prozent geht es jedoch um Telefonnummern und E-Mail-Adressen, „sogenannte technische Selektoren“. Der BND greift dazu auf Internetknoten, Tiefseekabel oder Satellitenkommunikation zu.
Bisher kaum Schutz für Ausländer
Mit Hilfe von Filtern sollen Deutsche und teilweise auch EU-Bürger vor der BND-Ausspähung geschützt werden. Für sonstige Ausländer ist aber kaum Schutz vorgesehen. Täglich gebe es 154.000 Treffer, so der BND, wobei am Ende aber nur 262 Telefonate, E-Mails oder SMS für den BND wirklich relevant seien.
Die Bundesregierung hielt die Klage der internationalen Journalisten für unzulässig. Die Grundrechte des Grundgesetzes gälten nur auf deutschem Boden, so ihre Argumentation. Dem hat das Bundesverfassungsgericht nun in voller Deutlichkeit widersprochen. Die Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte bleibe auch dann bestehen, wenn sie im Ausland agiert.
Der Senatsvorsitzende Stephan Harbarth sprach von einer „Klarstellung“, es habe also noch nie etwas anderes gegolten. Tatsächlich war die Frage bisher aber hoch umstritten und wurde jetzt erstmals vom Bundesverfassungsgericht geklärt. Schon insofern handelt es sich um ein echtes Grundsatzurteil.
Als Folge dieser Weichenstellung wurde die BND-Novelle nun gleich doppelt für verfassungswidrig erklärt. Zum einen fehle der Hinweis, in welche Grundrechte das Gesetz eingreife. Zum anderen sei es auch in der Sache verfassungswidrig, weil die Eingriffe in Fernmelde- und Pressefreiheit völlig unverhältnismäßig seien.
Bedingungskatalog für BND aufgestellt
Der federführende Richter Johannes Masing stellte aber klar, dass die anlasslose Selektoren-Fahndung des BND nicht generell gegen das Grundgesetz verstößt. Die Bedrohung aus dem Ausland habe zugenommen, die Früherkennung von Gefahrenlagen werde wichtiger. Bis Ende 2021 kann der BND unverändert fortfahren. Ab dann müssen die jetzt aufgestellten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts beachtet werden.
So muss sich die Früherkennung auf „schwerwiegende“ Gefahren und bestimmte geografische Regionen beschränken. Eine globale Überwachung halten die Richter für unzulässig. Die Kommunikation von Deutschen müsse schon vor der Prüfung „bestmöglich“ herausgefiltert werden. Wird sie erst bei der Prüfung erkannt, müsse sie sofort gelöscht werden. Wenn die Kommunikation den Kernbereich privater Lebensgestaltung betrifft, zum Beispiel weil es um Sex oder Religion geht, muss die Überwachung abgebrochen werden.
Der BND müsse sein Verfahren durch interne Regeln klar strukturieren, um die Kontrolle zu erleichtern, so die Richter. Soweit Algorithmen bei der Auswertung zum Einsatz kommen, müsse deren Arbeitsweise nachvollziehbar bleiben. Alle sechs Monate müsse geprüft werden, ob Daten gelöscht werden können. Verkehrsdaten („Wer hat wann mit wem kommuniziert“) darf der BND im Ausland zwar auf Vorrat speichern und auswerten, muss sie aber spätestens nach sechs Monaten löschen.
Die wichtigste Forderung des Bundesverfassungsgerichts betrifft aber die Stärkung der Geheimdienstkontrolle. Bisher gab es für die Auslandsüberwachung des BND nur ein relativ zahnloses „unabhängiges Gremium“ (UG). Künftig soll der Bundestag ein „gerichtsähnliches“ Gremium einrichten, das viele BND-Aktionen vorab genehmigen muss.
Bundestag muss Kontrollgremien einrichten
So müsse die neue Kontrollinstanz zum Beispiel die gezielte Überwachung von Journalisten und Anwälte vorab prüfen, weil diese Berufsgruppen besonders auf vertrauliche Kommunikation angewiesen seien. Auch bei Personen, die nicht nur als Informationsmittler überwacht werden, sondern weil sie selbst als gefährlich gelten, müsse das neue Gremium vorab zustimmen, weil für sie auch die Überwachung bedrohlich werden könnte, etwa durch die Weitergabe von Daten.
Neben dem gerichtsähnlichen Gremium soll es noch eine „administrative“ Kontrollinstanz geben, die mit Stichproben auf die Einhaltung des Rechts achtet. Sie soll mit mindestens 30 Mitarbeitern ausgestattet werden. Bei der Ausgestaltung der beiden neuen Kontrollgremien hat der Bundestag großen Gestaltungsspielraum, solange die Effizienz gewahrt ist.
Zulässig bleibt künftig auch die Kooperation mit anderen Nachrichtendiensten. Bisher bekommt der BND rund 60 Prozent seiner Selektoren von Partnerdiensten, denen er dann auch die Ergebnisse liefert. Je mehr man an andere Dienste liefert, desto mehr bekommt man auch zurück, so die Logik der Branche. Die Verfassungsrichter haben nichts dagegen, denn das Grundgesetz sei auf internationale Zusammenarbeit angelegt, auch bei der Sicherheit.
Allerdings wird ein „Ringtausch“ von Daten ausdrücklich verboten. Der BND darf also nicht Briten in Großbritannien überwachen, damit der englische Dienst GCHQ Deutsche in Deutschland überwacht. Der BND bestreitet, dass es einen derartigen Ringtausch überhaupt gegeben habe.
„Sehr gut durchdachtes Urteil“
Auch dürfe die Kooperation der Dienste nicht die Geheimdienstkontrolle beschränken, so die Karlsruher Vorgabe. Bei künftigen Kooperationen müsse die „Third Party Rule“ so ausgestaltet werden, dass die Weitergabe von Informationen an die deutschen Kontrolleure nicht von anderen Diensten genehmigt werden muss. Das jedenfalls ist ein großer Fortschritt.
Das 140-seitige Urteil beeindruckte alle Verfahrensbeteiligten. Der CDU-Innenexperte Armin Schuster sprach von einem „starken und sehr gut durchdachten Urteil“. Christian Mihr der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen nannte das Urteil einen „Meilenstein“.
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