Klage gegen BND-Gesetz: „Journalisten sind schutzbedürftig“
Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen erklärt, warum sich Journalisten gegen weltweite Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst wehren.
taz: Herr Mihr, warum klagen gerade Journalisten gegen das BND-Gesetz? Zielt Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst besonders auf Medienleute?
Christian Mihr: Nein, die anlasslose Überwachung der globalen Internetkommunikation durch den BND kann jeden im Ausland treffen. Journalisten sind aber besonders schutzbedürftig.
Weshalb?
Weil Journalisten darauf angewiesen sind, dass sie vertraulich mit ihren Quellen kommunizieren können. Der Schutz von vertraulichen Informanten gehört zum Kern der Pressefreiheit.
Können die Kläger nachweisen, dass sie vom BND überwacht wurden?
Nein, so etwas ist bei Geheimdiensten in der Regel nicht möglich. Aber im Fall der Kläger besteht eine hohe Plausibilität, dass sich der BND für ihre Arbeit interessiert, zum Beispiel weil sie Korruption der Regierung im jeweiligen Land aufdecken.
Versucht der BND gezielt, Journalisten auszuforschen oder sind sie nur mitbetroffen, wenn ihre Gesprächspartner ins Visier geraten?
44, ist seit 2012 Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen in Deutschland.
Vermutlich beides. Der Spiegel hat im Jahr 2017 enthüllt, dass der BND seit 1999 mindestens 50 Telefonnummern und E-Mail-Adressen von internationalen Medien als Suchbegriffe nutzte und damit gezielt überwachte, zum Beispiel Anschlüsse der BBC in Afghanistan. Wenn Journalisten aber damit rechnen müssen, dass Geheimdienste versuchen, ihre Kommunikation auszuforschen, kann dies zu chilling effects, also zu Einschüchterungseffekten führen.
Glauben Sie, dass Journalisten deshalb keine Skandale mehr aufdecken wollen?
Das wohl nicht, aber sie werden vorsichtiger sein und mit Informanten nur noch verschlüsselt oder im persönlichen Gespräch kommunizieren.
Darf der Bundesnachrichtendienst (BND) weltweit den Telekommunikationsverkehr überwachen und auswerten? Das wird am Dienstag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheiden.
Geklagt haben sechs Journalisten aus aller Welt und die Organisation Reporter ohne Grenzen. Sie wenden sich gegen eine Novelle des BND-Gesetzes von 2017, mit der die jahrzehntelange Praxis des BND legalisiert wurde.
Die Verfassungsrichter werden voraussichtlich feststellen, dass deutsche Grundrechte (wie das Fernmeldegeheimnis) auch für Ausländer im Ausland gelten und der BND deshalb das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachten muss.
Welche Einschränkungen das für den BND mit sich bringt, wird mit Spannung erwartet. Bereits im Januar haben die mündlichen Verhandlungen stattgefunden.
Sollten investigative Journalisten das nicht ohnehin tun, um sich und ihre Quellen zu schützen?
Natürlich. Das empfehlen wir nachdrücklich. Wir laden auch immer wieder Journalisten aus Hochrisikogebieten nach Deutschland ein, um ihnen sichere digitale Arbeitstechniken zu vermitteln.
Dann sind investigative Journalisten aber wohl nicht die besten Quellen für den BND, da sie ohnehin vorsichtig sind und oft verschlüsselt kommunizieren?
Auch vorsichtige Journalisten sind nicht immer perfekt und machen gelegentlich Fehler. Außerdem gibt es natürlich auch leichtsinnige und naive Kolleginnen und Kollegen, die gänzlich ungesichert arbeiten.
Nehmen wir an, das Bundesverfassungsgericht würde dem BND verbieten, ausländische Journalisten auszuspähen: Was wäre dann gewonnen, wenn sich Journalisten nur noch vor 49 statt vor 50 ausländischen Geheimdiensten in Acht nehmen müssen. Der BND ist doch bei Weitem nicht der einzige Geheimdienst, der die internationale Kommunikation ausforscht.
Das stimmt. Aber wenn wir mit dieser Klage in Deutschland Erfolg haben, dann überlegt Reporter ohne Grenzen als internationale Organisation natürlich, ob es in anderen Staaten ähnliche Klagen geben sollte. Ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts wäre ein wichtiges Signal.