piwik no script img

Bundestagsaufsicht über GeheimdiensteLinke darf nicht mehr kontrollieren

Nach dem Verlust des Linken-Fraktionsstatus fliegt André Hahn aus dem Kontrollgremium der Geheimdienste. Ein CDU-Mann folgt.

André Hahn von der Partei Die Linke ist raus aus dem Kontrollgremium der Geheimdienste Foto: Britta Pedersen/dpa

Berlin taz | Am Donnerstagabend meldete der Bundestag Vollzug: Da wählten die Fraktionen der Ampel und der Union den CDU-Abgeordneten Marc Henrichmann mit deutlicher Mehrheit als neues Mitglied in das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags – mit 521 Ja-Stimmen von 660 abgegebenen Stimmen. Eine Mehrheit galt schon im Vorfeld als sicher. Aber die Personalie sorgt für etwas Aufruhr.

Denn Henrichmann nimmt nun den Platz des Linken André Hahn im Kontrollgremium ein. Die Gruppe ist eine so verschwiegene wie wichtige Instanz: Hinter abhörsicheren Türen müssen die Geheimdienste dort Rechenschaft über ihre Tätigkeiten ablegen. Hahn gehörte der Runde zehn Jahre lang an, war auch mal stellvertretender Vorsitzender – und ist über Fraktionsgrenzen geschätzt.

Seit Dezember – als Sahra Wagenknecht und ihre Gefolgsleute die Linke verließen und die Partei im Bundestag ihren Fraktionsstatus einbüßte –, erhält er aber keine Einladungen mehr. Das Bundestagspräsidium um Bärbel Bas (SPD) ist der Ansicht, dass Hahn damit seinen Posten im Kontrollgremium verloren hat – und das Vorschlagsrecht für die Nachbesetzung nach dem üblichen Verteilungs­verfahren im Bundestag nun bei der Union lag.

Hahn sieht das gänzlich anders. Der Sitz sei nicht etwa mit Mitgliedschaften in Ausschüssen zu vergleichen, sondern mit einem Platz im Bundestagspräsidium, sagt er. Dort sitzt für die Linke weiterhin Petra Pau, weil sie persönlich vom Plenum für die gesamte Legislatur als Bundestagsvizepräsidentin gewählt worden ist. Und auch Hahn ist vom Plenum mit der sogenannten Kanzlermehrheit ins Kontrollgremium gewählt worden, wenn auch erst in einem zweiten Wahlgang.

Eilklage vor dem Bundesverfassungsgericht abgewiesen

Dass er nun aus dem Gremium fliegt, habe ihm offiziell niemand mitgeteilt, klagt Hahn. Er werde einfach nicht mehr eingeladen. Auch auf der Website des Bundestags ist Hahn als Mitglied des Gremiums verschwunden.

Noch am Mittwoch hatte er einen Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht, um seinen Sitz zu behalten. Dieser wurde aber als unzulässig abgewiesen. Hahn habe nicht ausreichend dargelegt, ob und wie seine Abgeordnetenrechten verletzt werden, wenn er nicht in das Gremium eingeladen werde, so das Gericht. Eine Entscheidung in der Hauptsache steht aber noch aus – worauf auch Hahn verweist. Es werde spannend zu sehen, was mit dem nachgerückten CDU'ler Henrichmann passiere, sollte Karlsruhe am Ende zu seinen Gunsten entscheiden, erklärt der Linke.

Die Alternative, Hahns Platz unbesetzt zu lassen, soll nach taz-Informationen im Bundestagspräsidium verworfen worden sein. Wenn zwei Plätze im Gremium unbesetzt blieben, habe die Ampel dort eine Zweidrittelmehrheit, soll es dort geheißen haben. Das schwäche die Rechte der Opposition massiv. Denn ein Platz in dem 13-köpfigen Gremium ist ohnehin seit Beginn der Legislatur frei, weil alle Vorschläge der AfD bisher keine Mehrheit finden. Auch am Donnerstag scheiterte erneut ein Kandiat, der AfD-Mann Gereon Bollmann.

Konstantin von Notz (Grüne), der Vorsitzende des Gremiums, sagte der taz, die Frage, ob Hahn im Kontrollgremium bleibe könne, sei eine juristische und von der Bundestagspräsidentin entschieden worden. „Ich kann dem geschätzten Kollegen derzeit nur für seine langjährige, engagierte und kollegiale Mitarbeit in der parlamentarischen Kontrolle bis hierhin danken.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Ich glaube man tut sich keinen Gefallen damit, dass man hier so widersprüchlich handelt.

    Entweder werden die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wie der Bundestagspräsident vom Bundestag gewählt oder sie werden von den Fraktionen oder Gruppen bestimmt und nur noch bestätigt.

    Man kann nicht bei der AfD sagen, dass sie keinen Anspruch haben, weil es kein Ausschuss sei und man vom Bundestag gewählt werden muss und gleichzeitig einem von den Linken genau andersherum argumentieren, dass der Anspruch wie bei Fraktionen geregelt sei. Damit würde ja die Geschäftsordnung eine Mehrheit des Bundestags aufheben und das ist verfassungsrechtlich nicht möglich.

    Offenbar sieht selbst die CDU den Widerspruch, wenn sie sagt, dass sie den Platz unter anderen Umständen erstmal freigelassen hätte.

    Wenn man das durchgehen lassen würde, hätte jede Regierung einen Freibrief sich per Gesetz Ausschüsse zu schaffen, die nicht nach Proporz besetzt werden müssten.

  • Die Linke hatte einfach in den letzten Jahren zu häufig zu unbequeme Fragen gestellt. Beispielsweise bei den Themen "Staatstrojaner", "Onlinedurchsuchungen" und "Kinderpornografie".



    Klar dass ein paar PolitikerInnen froh sind, einen unbequemen Kandidaten los zu sein.

  • Das Gesetz über das Parlamentarische Kontrollgremium ist in dieser Frage doch sehr eindeutig, daher ist das Ausscheiden des Vertreters der Linken auch ganz klar.

    • @DiMa:

      Es ist eher eine verfassungsrechtliche Frage, als die Interpretation eines Gesetzes. Das Parlamentarische Kontrollgremium erfüllt aufgaben, die einem Ausschuss sehr ähnlich sind. Gruppen haben in der Vergangenheit das Recht auf die Mitgliedschaft und das Stimmrecht in Ausschüssen vom Verfassungsgericht zugesprochen bekommen und zwar obwohl die Geschäftsordnung des Bundestages eindeutig etwas anderes gesagt hat. Ähnliches kann auch hier der Fall sein.

      • @Gigantos:

        So richtig richtig ist Ihre Aussage nicht. Herr Hahn lehnt den Vergleich des Kontrollgremiums mit einem Ausschuss ja gerade ab. Und anders als bei Ausschüssen, die auf der Basis der Geschäftsordnung tätig sind, gibt es beim Kontrollgremium ein entsprechendes Gesetz.

        Eine verfassungsrechtliche Argumentation bringt er ja gerade nicht vor - weshalb bereits sein Eilantrag gescheitert ist.