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Bundestagsabstimmung zu ArmenienÖzoguz kritisiert Resolution

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, hat die geplante Resolution kritisiert. Dadurch würden die Türen eher zugeschlagen statt geöffnet.

Hat Bedenken: Aydan Özoguz Foto: reuters

Berlin afp | Wenige Tage vor der Bundestagsabstimmung hat Integrations-Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD) die geplante Armenien-Resolution deutlich kritisiert, in der das Massaker vor hundert Jahren als Völkermord bezeichnet wird: Es sei zu erwarten, „dass durch diese Abstimmung Türen eher zugeschlagen und die geschichtliche Aufarbeitung zwischen der Türkei und Armenien sogar verhindert wird“, sagte sie am Samstag dem ARD-Hauptstadtstudio.

Trotzdem will Özoguz für den gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD und Grünen stimmen. Der Druck von Lobbygruppen sei nicht höher als üblich, sagte die Staatsministerin. Aber es sei „in diesem Fall deutlich emotionaler, weil wir ja darüber abstimmen, was in der Türkei einst geschah – ohne vernünftige Aufarbeitung“. Die SPD-Fraktionsführung hingegen hat den gemeinsamen Antrag mit ausgearbeitet und hält einen Völkermord an den Armeniern für erwiesen.

Bei der Vertreibung der Armenier aus Anatolien in den Jahren 1915 bis 1917 waren bis zu 1,5 Millionen Menschen ums Leben gekommen. Armenien und viele internationale Historiker stufen die damaligen Verbrechen als Völkermord ein, was die Türkei strikt ablehnt. Ankara hatte in den vergangenen Jahren mit scharfer Kritik und diplomatischen Schritten auf die Anerkennung des Völkermordes im Ausland reagiert.

Die für den 2. Juni geplante Bundestagsresolution hatte vergangene Woche schon der Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kritisiert. Den Vorwurf des Völkermordes zu verbreiten, ohne dafür Beweise vorzulegen, komme einer politischen Ausbeutung des Themas gleich. Am Samstag hatten vor dem Brandenburger Tor mehr als ein Dutzend türkische Verbände und Organisationen gegen die geplante Resolution demonstriert.

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15 Kommentare

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  • @Hans aus Jena : Im Bundestag sitzen bekanntlich Politiker, die sich "schwer tun" mit den Ereignissen aus der Geschichte, um die sich "Historiker nicht streiten."

     

    Und wenn es um die Historie geht, täten sie gut daran, mit Verurteilungen zurückhaltend zu sein, die in der Gegenwart zu neuem Hass führen können.

     

    Schließlich darf man nicht vergessen, dass pauschale historische Beurteilungen über Gruppen, Ethnien oder Völker bei den jetzt Lebenden eher zu einer emotionalen, nationalistischen Reaktion und zu neu aufflammendem Hass führen kann.

     

    Noch einmal : Muss das sein ?

    Muss ausgerechnet der deutsche Bundestag offiziell der Welt mitteilen, was vor über 100 Jahren auf dem Musa Dagh und anderswo geschehen ist ? Wenn man weiß, wie schwer sich unsere Politiker mit der eigenen Anerkennung der durch das deutsche Militär in Deutsch-Südwest-Afrika vollzogenen Ethnienvernichtung tun, muss sich wundern, wie lautstark jetzt die Taten von Türken vor 100 Jahren verurteilt werden sollen.

    • @unSinn:

      Ganz besonders Deutschland ist gefordert. Die Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich geschah unter Wissen und Billigung der kaiserlichen Regierung und der Militärs. Sie sahen nicht nur weg, manche unterstützten die von den Jungtürken geplante Auslöschung der Armenier - und großer Teile der griechischen Bevölkerung in der Schwarzmeer-Region. (Jürgen Gottschlich: Beihilfe zum Völkermord, Taner Akcam: Armenien und der Völkermord). Hitler wies später darauf hin, kein Mensch rede mehr über den Mord an den Armeniern. Das gab ihm die Sicherheit, der Holocaust an den Juden wede genauso dem Vergessen anheimfallen.

      Frau Özogus sollte sich schämen. Alle türkischen Regierungen nach 1945 wollten nie eine Debatte über die Vernichtung der Armenier und der Verfolgung der Schwarzmeer- Griechen im Ersten Weltkrieg. Das damals geschaffene Bild des ethnisch reinen Staats der Türken, durfte nicht gefährdet werden. Deshalb wurde auch Jahrzehnte den Kurden die eigene Identität verweigert. Ein Eingeständnis der geplanten Vernichtung würde das auf ethnischem Nationalismus basierende Selbstverständnis, samt der Ikone Atatürk in Frage stellen. EU und NATO haben das Thema immer nur unter tagespolitischem Kalkül behandelt. Zuerst brauchte man die Türkei gegen die Sowjetunion - man schwieg. Heute braucht man Erdoghan gegen die Islamisten und vor allem gegen die Flüchtlinge. Und Frau Özoguz plädiert letztlich wieder für Schweigen. Die Resolution des Bundestages sollte die Menschen in der Türkei unterstützen, die Aufklärung und Anerkennung der Geschehnisse fordern. Und das ist dort immer noch Lebensgefährlich - wie der Mord an Hrant Dink zeigt.

  • Krass, dass sich eine hohe Mitarbeiterin der Bundesregierung dem Druck einer ausländischen Regierung lieber beugen möchte, als der historischen Tatsache gerecht zu werden. Welcher Regierung steht sie näher?

  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    ... und etliche Historiker lehnen es ab, den durch die Vertreibung "vollzogenen" Massenmord an Armeniern Völkermord zu nennen.

     

    Tatsache ist, dass es Armenien auch heute noch frei steht, den IGH aufzusuchen und dort den Völkermord verurteilen zu lassen, falls es einer war.

     

    Solange kann jeder natürlich eine Eigene Meinung haben, aber was er nicht erwarten darf, ist Verständnis für eine dilettantische Sicht auf die Geschichte.

     

    Datschanism is das Stichwort. Es ist nicht schwer, herauszufinden, dass in dem damals von den Armenischen Nationalisten beanspruchten Gebiet die Armenier einen max Bevölkerungsanteil von 30% hatten und sich dazu zu überlegen, wie in der Geschichte dann die Minderheit für eine ethnisch reine Bevölkerung sorgt.

     

    Die Jungtürken haben in einem Dreifrontenkrieg, wo die Armenischen Nationalstaatler mit dem Feind zur Vernichtung der Türkei kollaboriert haben, sich des "armenischen Problems entledigt" was der erste armenische Präsident Katchasnounin verbal in Budapest öffentlich auf das separatische Bestreben der Datschasnounin zurückgeführt hat.

     

    Es mag zwar wegen dem allgemein herrschenden Moslem/Türkenhass gern verdrängt werden, aber es wären statt den Armeniern die Türken gewesen, wenn die Armenier an der Seite Russlands gewonnen hätten. Die Massaker von Armeniern an Türken werden hier zwar gerne ignoriert, sind aber dennoch Teil der Geschichte und auch ein wesentlicher Grund, wieso Armenien die Sache nicht vom IGH klären lässt.

     

    Also, wer mehr als nur Türkenhetze betreiebn will, sollte sich erstmal etwas mehr informieren.

     

    Z.B. http://ejil.oxfordjournals.org/content/23/3/821.full#sec-9 http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2006-43/artikel-2006-43-es-war-kein-voel.html

  • Im Hinblick auf die aktuellen Massaker der Erdogan-Clique gegen die Kurden ist es von herausragender Bedeutung den Begriff Völkermord in dieser Resolution zu beschließen. Die nächste Beschlussfassung sollte sich auf die Kurden beziehen und Erdogan des Völkermordes beschuldigen.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Wird die Gunst der Stunde, da ohnehin gestritten wird, genutzt, um dem Sultan eins auszuwischen?

    Bisher wurde ja mit dem Völkermordthema eher zurückhaltend bis übermäßig rücksichtsvoll umgegangen.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Hanoi! Einer Ihrer Lieblinge -

      Wird doch sicherlich mit Adorno -

      Eh da im Serail - wieder Türen zugehen

      Die Dialektik der Aufklärung -Behorkheimern!

      Keine Frage - gell!

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        "Behorkheimern!"

        Genialisch verballhornt.

         

        (Man unterscheide - übrigens - ha noi und ha no, bzw. hano. Aus "ha" als Interjektion des Erstaunens, des Schreckens, der Emotion, und schwäbischem "nun"; [...]

        Quelle: Wax, Etymologie des Schwäbischen, Biberach 2011.

        "Hanoi" basd also net emmer...)

        • @571 (Profil gelöscht):

          Danke - heute nicht umsonst gelebt;)) &

          Woan exPersetters liggers all gaud sün!;()

  • Das ist doch ein nutzloser Streit um einen schwer abgrenzbaren Begriff, der je nach historischer Situation Ethnien oder Nationen eine besonders schwere Schuld zuweist, die über die kriegsüblichen Metzeleien hinausgeht. Die jeweilgen Nachgeborenen reagieren auf den moralischem Zeigefinger von Dritten entweder mit Befreidigung und hoffen auf materielle Entschädigung oder mit kollektiver Urenkelempörung.

     

    Für die Friedenspolitik in unserer Genseration werden aber durch solche (vielleicht gut gemeinten) Parlamentsbeschlüsse nur neue Vorurteile und neuer Hass ausgegraben, der die Jungen in neuen aktive Konfrontationen treibt. Die völkische Aggressionen der 90er Jahre auf dem Balkan lassen grüßen.

     

    Außerdem treibt man mit solchen ethnischen Schuldzuweisungen viele Türken hier und in der Türkei hinter die nationalistischen Fahnen des türkischen Präsidenten,

     

    Muss das sein ?

    • @unSinn:

      Sie kennen vielleicht den Ausspruch "Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." von George Santayana. In der islamischen Welt - einschließlich der Türkei - findet genau das statt. Durch die Kritiklosigkeit gegenüber dem eigenen Handeln kann die alte Gewalt immer wieder ausbrechen. Die Verweigerung der Selbstkritik hat heute die islamischen Kulturen in die wohl tiefste Krise ihrer Geschichte geführt. Die Türkei befindet sich unter Erdogan im selben Strudel.

    • @unSinn:

      Ihre Alternative ist wohl Geschichtverständnis nach politischer Kassenlage? Nein Historiker streiten sich nicht um den Begriff, schwer tun sich die Politiker. Erinnert mich an die Zeit nach den zweiten Weltkrieg, in der für Völkermord verantwortliche auch schnell wieder in das politische Leben intergriert wurden oder als Verbündete gewonnen wurden, weil ja das gegen den Feind im Osten nötig schien....

    • @unSinn:

      Aus dem Taz-Artikel: "Bei der Vertreibung der Armenier aus Anatolien in den Jahren 1915 bis 1917 waren bis zu 1,5 Millionen Menschen ums Leben gekommen."

      ---

      Am besten, gar nicht darüber reden- oder was? Soll etwa die Erdoganisierung der geistigen Umgangsformen nun auch in D hoffähig gemacht werden? Sprich, das unbeeinflusste Denken an die Leine genommen werden?-Ich empfehle Ihnen, sich mal die reale Dimension der damaligen Leichenanhäufung zu Gemüte zu führen. Und zwar, ganz nüchtern- objektiv.

    • @unSinn:

      "Muss das sein ?"

       

      Wohl ja. D ist an vielen historischen Verbrechen beteiligt gewesen. Holocaust, Ausrottung der Hereos, Niederschlagung Boxer-Aufstand, Hinnahme des Genozids an den Armeniern durch die verbündeten Osmanen. Es geht nicht nur um historische türkische sondern auch um deutsche Mitschuld.

       

      Sollen wir uns hier an dem moralischen Selbstverständnis der Erdogan-Anhänger anpassen?