piwik no script img

Armenien-Resolution im BundestagDie Hose wird noch voller

Im Parlament soll die Armenien-Resolution beschlossen werden. Das könnte der türkischen Führung und der Bundesregierung sogar nutzen.

Das ist wahre Freundschaft: Merkel und Erdoğan Foto: dpa

Klare Kante. Die soll die Bundesregierung, allen voran Kanzlerin Angela Merkel, gefälligst gegenüber der Türkei zeigen: nicht zurückweichen, Probleme offensiv ansprechen, bloß nicht kuschen vor dem großen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Der frühere Vizekanzler und SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hat diesen von allen Seiten geforderten Politikstil einst schön zusammengefasst: „Lieber klare Kante als Hose voll.“

Die Bundestagsabgeordneten könnten an diesem Donnerstag zeigen, dass ihre Hosen blütenrein sind. Wenn das Parlament die Armenien-Resolution „Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916“ verabschiedet und damit feststellt, dass das, was damals passiert ist, die „planmäßige Vertreibung und Vernichtung von über einer Million ethnischer Armenier“, sich in „die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, ja der Völkermorde“ einreiht.

Müntefering wäre wohl stolz auf dieses Parlament. So klar war lange keine Kante mehr. So leer lange keine Hose.

Natürlich gibt es schon Drohungen aus der Türkei: „Wenn dieser Text angenommen wird und Deutschland in diese Falle tappt, könnte dies alle unsere Beziehungen zu Deutschland, wo drei Millionen Türken leben und das unser Nato-Verbündeter ist, verschlechtern“, sagte Erdoğan gegenüber Journalisten in Izmir. In einem Telefonat mit Merkel soll er an den „gesunden Menschenverstand“ appelliert haben. Was auch immer das sein soll. Der neue türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım soll ebenfalls die Kanzlerin am Telefon gewarnt haben, dass die Resolution „haltlose und ungerechte politische Urteile“ enthalte.

Häufig gehörte Begleitmusik

Es ist die schon häufig gehörte Begleitmusik, die immer dann ertönt, wenn wieder ein Parlament in irgendeinem Land diesen Schritt geht.

Dabei könnte die Resolution am Ende gar sowohl der Bundesregierung als auch Erdoğan und der ihm ergebenen türkischen Regierung dienen.

Merkel und ihre MinisterInnen können die Resolution nun wie ein Feigenblatt vor sich her­tragen: Seht her, liebe Kritiker, wir Politiker zeigen klare Kante!

Denn Merkel und ihre MinisterInnen, die bislang – um im münteferingschen Duktus zu bleiben – eher zur Hose-voll-Fraktion gehören, können von nun an diese Resolution wie ein Feigenblatt vor sich hertragen: Seht her, liebe Kritiker, wir Politiker zeigen doch klare Kante! Wir sind stark! Und unnachgiebig! Und hart!

Und auf der anderen Seite können Erdoğan und Co. immer wieder mit dem Ausspielen der Wir-machen-das-Armenien-Resolution-Fass-auf-Karte drohen: Wenn ihr über die schlimme Lage der Kurden, der Medien oder der Demokratie in der Türkei sprechen wollt, dann setzen wir euren Bundestagsbeschluss auf die Tagesordnung, liebe Bundesregierung!

Schnacken oder nicht schnacken

Damit diese Drohung ernst genommen wird, muss die AKP-Regierung nur immer weiter die Begleitmusik laufen lassen. So kann sie in Zukunft noch einfacher jeden Gipfel platzen oder ergebnislos enden lassen.

Also wird wohl bei diesen heiklen aktuellen Themen weiter unklare Kante gezeigt, wenn deutsche und türkische Regierungsvertreter miteinander schnacken. Vielleicht noch unklarer als zuletzt. Denn die deutsche Regierung und die Europäische Union brauchen die Türkei, wenn sie weiter ihr Spiel vom zwar großen Verständnis für die armen Flüchtlinge, aber überhaupt keinem Verständnis für deren Reisewunsch nach Europa spielen wollen.

Es ist richtig, dass der Bundestag die Armenien-Resolution verabschiedet. Die ParlamentarierInnen zeigen, dass sie die Opfer und deren Nachfahren ernst nehmen. Aber der Beschluss wird nicht der Auftakt zu einer Politik der klaren Kante gegenüber Erdoğan sein. Im Gegenteil: Er wird zu noch volleren Hosen führen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Mit voller Hose fällt sich's weicher.

  • Zu noch volleren Hosen...bei dieser Regierung - und das wäre gut so. Wenn denen nichts weiteres dazu einfällt, als: "Wir brauchen ja die Türkei, selbst mit diesem Präsidenten", der den Syrienkrieg mit befeuert hat und sich nun als großer Retter geriert, dann gehört diese Regierung gewindelt auf die Oppositionsbank.

  • Die Sauerländer & ihre Bilder -

    Mußte - Pilsken - echt dich wundern

    Besonders wann sie san aus Sundern!

    Nazi-Heini "… liebe Neger" - legendär

    & Münte tat sich auch was schwer!

    Kante&Hartz IV - ekelte schonn dir&mir!

    Doch vollends angesichts Millionen Grab

    Aber schießt den SchützenVogel ab

    Wer dazu - mit Hirn&Mundwerk lose

    Erneut bemüht - die "volle Hose"!

  • Die Logik des Feigenblatts ist nachvollziehbar. Die Verbrechen der Armenier vor fast 100 Jahren klar verurteilen damit man Erdogan heute nicht so kritisieren muss.

    Die Logik der "vollen Hose" scheint an den Haaren herbeigezogen: Eine kritische Äusserung heute führt nicht dazu, dass morgen weniger kritisiert werden kann. Der umgekehrte Schluss daraus würde ja lauten: Unterdrückte Kritik heute fördert die Möglichkeit in Zukunft Kritik anzubringen.

    Merkel macht, was sie immer macht. Sie laviert sich durch die Tagesgeschäfte. Sie zeigt sicherlich keine "klare Kante", sondern versucht die Teile der Bevölkerung zu besänftigen, die Ihr Hofieren des Antidemokraten kritisieren. Dabei wählt sie das Thema aus, was symbolträchtig ist aber keine Relevanz für die aktuelle Politik hat.

  • Wenn Angie schon die Hose voll hat, sollte sie Erdo mal ordentlich anpinkeln...:-D

    • @Sondermann:

      @ SONDERMANN:

      Bitte mal kurz überlegen: Aus anatomischen Gründen dürfte das nur Männern gelingen, aber nicht Frauen!

      • @Pfanni:

        Seit wann?