Bundespräsident Steinmeier in Israel: Zwischen Versöhnung und Eklat

Das deutsch-israelische Verhältnis ist angespannt. Umso deutlicher würdigten Steinmeier und Netanjahu die Stabilität der Beziehungen.

Steinmeier mit Kippa auf dem Kopf vor einer Flamme

Gedenken an den Holocaust: Am Sonntag besuchte Steinmeier Yad Vashem Foto: reuters

JERUSALEM taz | Ein weiterer Eklat zwischen Deutschland und Israel bleibt aus. Der Antrittsbesuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Israel verläuft so unaufgeregt, dass die Zeitung Haaretz dem Staatsbesuch, der im Vorfeld breitere Aufmerksamkeit genoss, nur eine Textspalte und ein Foto auf Seite sechs widmet. Steinmeiers Ankündigung, auf ein Treffen mit regierungskritischen Organisationen zu verzichten, ließ das Interesse schwinden.

Vor knapp zwei Wochen hatte Netanjahu einen Termin mit Bundesaußenminister Sigmar Gabriel platzen lassen, weil er sich unter anderem mit Vertretern von Breaking the Silence traf, einer Gruppe ehemaliger Soldaten, die Missverhalten der Armee in den besetzten Palästinensergebieten dokumentieren und anprangern.

Um „die Beziehungen unserer beider Staaten nicht tiefer in eine Sackgasse geraten zu lassen“, sei er nach Israel gekommen, sagte Steinmeier am Sonntagabend in der Hebräischen Universität von Jerusalem. In seinem Plädoyer für die Demokratie zitierte Steinmeier den im letzten Jahr verstorbenen früheren israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres: „Demokratie ist Harmonie von Gegensätzen. Sie beruht auf zwei Grundrechten: dem Recht der Gleichheit und dem Recht der Verschiedenheit.“ Am Dienstag will Steinmeier in Ramallah mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zusammentreffen.

Israel ist für Steinmeier kein Neuland. Rund zwei Dutzend Mal bereiste er das Heilige Land. Zu Beginn seines Antrittsbesuchs als Präsident genoss er es am Samstagabend demonstrativ, gemeinsam mit seinem Amtskollegen Reuven Rivlin über den Mahane-Jehuda-Markt zu schlendern und dort ein Bier zu trinken. Auch der obligatorische Termin in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem gehörte für den Bundespräsidenten zu den Routineübungen. Über die „unfassbare Schuld“, die die Deutschen auf sich geladen hätten, schrieb er ins Gästebuch, sprach von „Schmerz, Trauer und Scham“.

Drohung vor dem Steinmeier-Besuch

Bereits im Vorfeld des Staatsbesuchs ließ Netanjahu durchblicken, dass er auch Steinmeier eine Absage erteilen würde, sollte er – wie Gabriel – regierungskritische Organisationen treffen. Der Bundespräsident hielt sich an die Vorgaben seines Gastgebers, an den er appellierte, die Streitigkeiten zwischen Deutschland und Israel nun ad acta zu legen.

Netanjahu kommentierte lapidar: „Natürlich“. Letztendlich blieb er wenig versöhnlich in der Streitfrage und überraschte Steinmeier mit einem unplanmäßigen Medientermin in seinem Amtssitz. Vor laufenden Kameras lobte Netanjahu die Armee, ihre „mutigen Soldaten“, die „mutigen Kommandeure“ und ihre hohen moralischen Ansprüche, die „einzigartig“ seien.

Steinmeier erschien angespannt, doch er verzichtete auf einen unmittelbaren Kommentar. Stattdessen nutzte er seine Rede in der Hebräischen Universität, um auf den Eklat einzugehen, ohne Breaking the Silence namentlich zu erwähnen. „Wer seine Stimme erhebt, wer Kritik übt, aber zugleich die Stimmen der anderen respektiert, der ist kein Volksverräter, sondern eigentlich ein Volksbewahrer.“ Zivilgesellschaftlichen Organisationen gelte deshalb „Respekt“.

Gesetzentwurf gegen Arabisch als Landessprache

Steinmeier appellierte zu einem offenen Dialog. Gerade die jüdische Kultur zeichne sich durch „Widerspruchsgeist“ aus, der bis „ins Talmud-Studium“ reiche, „wo jedes Wort von allen erdenklichen Seiten ausgeleuchtet wird“, erinnerte er. Er hoffe, dass Deutsche als „streitwürdig“ gelten und riet dazu, „Anfechtungen von Demokratie ehrlich und ohne Sprechverbote miteinander“ zu bereden. Nur Demokratien hätten „die Fähigkeit zur Selbstkritik und Selbstkorrektur“. Demokratie bedeute „Herrschaft der Mehrheit, aber auch Schutz von Minderheiten“.

Wie besorgniserregend es um Israels Demokratie und Minderheitenrechte im Land in diesen Tagen steht, zeigt ein am Sonntag von einem Ministerausschuss gebilligter Gesetzentwurf, der Arabisch als Landessprache abschaffen soll. Zudem wird Israel in dem Entwurf als „nationale Heimat des jüdischen Volkes“ definiert. Der Staat soll künftig Ortschaften erlauben können, in denen nur Mitglieder einer Religion leben.

Der Gesetzentwurf soll in Kürze dem Parlament vorgelegt werden. Sehava Galon, Vorsitzende der linksliberalen Partei Meretz, nannte den Gesetzentwurf eine „Kriegserklärung gegen Israels arabische Bürger und gegen Israel als Demokratie.“

Dieser Artikel wurde um 12.09 Uhr geändert. In einer früheren Version des Textes war von einem Kommentar der „Jerusalem Post“ die Rede, der einen Etappensieg Netanjahus ausmachte. Wir entschuldigen uns für den Fehler.

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