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Bundesländer geben AstraZeneca freiWer zu lange wartet, verliert

Kommentar von Kathrin Zinkant

Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Bayern haben die Priorisierung für den AstraZeneca-Impfstoff aufgehoben – völlig zu Recht.

Impfzentrum Dresden: Auch Sachsen hat die Priorisierung für den AstraZeneca-Impfstoff gekippt Foto: Robert Michael/dpa

K aum hat sich der Bund zu einer einheitlichen Strategie gegen Corona durchgerungen, tanzen schon wieder die ersten Länder aus der Reihe. Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Bayern haben am Donnerstag im Alleingang die Priorisierung für den AstraZeneca-Impfstoff gekippt. Jeder, der will, kann sich dort nun mit dem oft verschmähten Vakzin immunisieren lassen – und muss nicht warten, bis im Juni bundesweit genug Impfstoffe für alle da sind.

Abgesehen von dieser neuen Volte im Bund-Länder-Corona-Zirkus ist die Freigabe des Ladenhüters für alle Impfwilligen allerdings richtig, wenn nicht alternativlos. Ohne Impfungen ist das Virus mit seinen zum Teil noch ansteckenderen Varianten kaum mehr einzudämmen. Und wenn Impfstoffe ungenutzt herumliegen, ist die Impfreihenfolge überflüssig. Wer sich und andere schützen will, soll seine Chance bekommen. Zumal das Vakzin von AstraZeneca ein sehr gutes ist. Es schützt hochwirksam vor schweren Covid-19-Verläufen und damit auch vor dem Tod.

Ja, es gibt das Risiko, nach der Impfung als extrem seltene schwere Nebenwirkung eine Thrombose zu erleiden, also ein Blutgerinnsel in den Gefäßen. Das gilt auch für das Vakzin von Johnson & Johnson, das ähnlich gestrickt ist. Dieses Risiko steht jedoch in keinem Verhältnis zu der Gefahr, dem die Bevölkerung durch die dritte Welle ausgesetzt ist. Mit der Zahl der Infektionen wächst auch das Risiko, sich auf den letzten Metern doch noch anzustecken. Und selbst wer nicht an oder mit Covid-19 stirbt, muss ohne Impfung mit Folgeschäden rechnen. Long Covid ist keine Kleinigkeit.

Es gilt daher, alles in die Waagschale zu werfen. Impfungen haben ein großes Gewicht, nicht umsonst sprechen sich Ex­per­t:in­nen seit Monaten vehement dafür aus, so viele Menschen so schnell wie möglich zu immunisieren. Dazu muss gehören, übrig gebliebene Impfdosen frei zu vergeben. Denkbar bleibt zudem, alle verfügbaren Impfstoffe zunächst einfach zu verimpfen.

Es gibt jedoch zwei Dinge, die zwingend zu beachten sind. Erstens muss an der Priorisierung für nicht überzählige Impfstoffe festgehalten werden. Die am stärksten gefährdeten Menschen sind vorrangig zu schützen. Es liegt in der Verantwortung aller, ihnen den Vortritt zu lassen. Zweitens darf die Möglichkeit der Impfung nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kampf gegen Corona mit den bekannten Mitteln dringend verschärft werden muss: Kontaktbeschränkungen, Testkonzepte, Abstand und Maskenpflicht. Und die Inzidenz muss sinken. Nur dann werden auch die Impfungen ihre Wirkung für die Gemeinschaft entfalten.

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17 Kommentare

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  • Was mich schockt (und was auch in diesem Artiken nicht angesprochen wird), ist dass Personen unter 60 selbst für das Risiko einer Komplikation mit dem AZ Impfstoff haften. Wenn ich als Folge der Impfung eine Sinusvenenthrombose erhalte und Arbeitsunfähig werde, springt also keine Versicherung ein. KK ist dann nicht verantwortlich, der Arzt auch nicht, denn der hat mich ja über die Folgen aufgeklärt. Der Staat auch nicht, denn ich habe mich ja freiwillig impfen lassen, obwohl es für unter 60 jährige nicht empfohlen ist. Toll. Ich will endlich meine Impfung, aber ich will nicht mit möglichen Folgen alleine gelassen werden.

    • @Dawid:

      Wer durch eine offiziell von STIKO bzw. Behörden empfohlene Impfung einen Schädigung erleidet hat Anspruch auf Versorgung nach Versorgungsgesetz, was Krankenversorgung, Reha, Rente und ggf. auch Leistungen für Hinterbliebene einschließt. §60 Infektionsschutzgesetz.



      Das gilt für Corona-Impfungen wie auch für alle anderen Impf- und Prophylaxe-Maßnahmen

    • @Dawid:

      Man haftet für seine Gesundheit? Woher kommt die Information, dass die gesetzliche Krankenkasse bei sowas eine Ausnahme machen würde?

  • Sehr wichtiger Kommentar!

    Hätte man von Anfang an jede Dosis verimpft und zusätzlich nicht den Eiertanz mit 50, ah nein jetzt 35, oh doch aufmachen unter 100 hingelegt, wäre uns diese dritte Welle vermutlich erspart geblieben.

    Für mich ganz klar der vermeidbarste unter den vielen Fehlern, die in der Pandemie hierzulande gemacht wurden.

    • @Co-Bold:

      Ist lesen und mal ausrechnen so schwer. Wir haben einen "Vorrat" von 5 Millionen Dosen, die wir vor uns herschieben und brauchen für 2. Impfungen aber 20 Millionen. Das sichert als kaum 4 Wochen ab. Erst jetzt sind die Liefermengen und der Vorlauf so groß das auch ein umgestürter Impfstpfflasten nichts machen würde.

      Es gab weder Impfstoff auf Halden, nicht ändern die Öffnung für alle irgndwas an der Tatsache das erst in 4-8 Wochen genügend für alle Erstimpfungen da ist und in weiteren 4-6 Wochen genug für die Zweitimpfungen.

      Die Dritte welle hättten wir uns erspart wenn wir "Abstand" gehalten hättten. Es wäre so einfach gewesen

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Das wichtige an der Aufhebung der Priorisierung ist, dass davor Impfdosen weggeworfen oder illegal verimpft werden mussten, wenn man die Planung nicht perfekt aufging.



    Aus einer AstraZeneca-Ampulle kommen 10 oder 11 Dosen heraus, die müssen innerhalb maximal 6 Stunden verimpft sein. Jeder Impfling braucht ein Vorgespräch und die Nachbeobachtung. Die Impfzentren haben ihre Berechtigung, weil sie den Prozess sehr effizient abbilden können.



    Aber in Arztpraxen ist das eine echte Herausforderung - manche Patienten wollen den Impfstoff doch nicht, andere kommen einfach nicht, nochmal andere zu spät - und die Ampulle altert vor sich hin.



    Ohne Priorisierung können die Praxen dann Ersatzimpflinge mobilisieren - und zur Not die Angehörigen des Personals durchimpfen.



    So bin ich letzte Woche schon, eigentlich nicht legal, zur AZ-Erstimpfung und damit in den "Genuß" der 36-Stunden-AZ-Blitzgrippe gekommen. ;)

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Jede Arztpraxis kann die Gespräche auch am Vortag abhalten. Jeder Praxis kann 20 für 10 Dosen einladen. Das sind genug Leute aus Gruppe 1,2,3 da die gerne kommen. Die die überbleiben sind dann die nächsten in der Folgewoche

      Die bekommen doch nur 10-20 Dosen die Woche.

      Im winter schaffen die 50 Grippe Impfungen am Tag. Vorgespräche ? Was willst du denn Frage. Nimmt oder lass es sein.

      Vordrängler sollten eine Rechnung bekommen.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      In Hessen wurde die Impfung mit AstraZeneca am 16.4. für alle über 60 freigegeben, ich hab mich sofort angemeldet und hatte vier Stunden später meinen Impftermin für den 20. April. Die meisten Impflinge waren an diesem Abend im Wartebereich ohne Arztgespräch, auf das man schriftlich verzichten kann. Für den Dienstag, an dem ich geimpft wurde, berichtete die Stadt Darmstadt im Nachgang, dass nur 941 von 1080 Impfterminen wahrgenommen wurden.



      Ich frage mich übrigens, ob diejenigen, die sich in Praxen impfen lassen, ihre Termine im Impfzentrum zuverlässig absagen.



      Von der Impfung habe ich kaum den Stich gespürt, ansonsten auch nur eine leichte Druckempfindlichkeit an der Einstichstelle. Allerdings hatte ich noch nie nach einer Impfung stärkere Reaktionen.

  • also als skurrile minderheit bin ich definitiv nicht teil dieser "gemeinschaft" - aus individuellem schutzbedürfnis und gesellschaftlicher verantwortung habe ich mich allerdings sofort impfen lassen, als ich durfte und kann das nur dringend empfehlen

  • @USCH BERT:

    Zu Spätfolgen des Schlaganfalls und deren Behandlung:

    - de.wikipedia.org/w...all#Rehabilitation



    - de.wikipedia.org/w...ierte_Rankin-Skala

    Bei Krebs:



    - de.wikipedia.org/w...in)#Rehabilitation

    Hinweis: die Tatsache, dass Sie sich bisher scheinbar damit nicht beschäftigt haben heisst nicht, dass es etwas nicht gibt (warum denken Leute immer, die Welt höre am Rand ihres Frühstückstellers auf?).

    Dass im Moment "long covid" im Fokus liegt mag damit zusammenhängen, dass wir Erkenntnisse dazu erst sammeln.

    Die werden wir brauchen.

  • es gibt keine allgemeingültige akzeptierte Definition von Long Covid, aber jeder spricht davon. was ist denn mit Long Schlaganfall oder Long Krebs?

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Usch Bert:

      ""...............es gibt keine allgemeingültige akzeptierte Definition von Long Covid..........."



      ==



      Die gab es bei Covid 19 im November - Dezember 2019 auch nicht - als der Virus zum ersten Mal in dieser veheerenden Form auftrat - und bei HIV zu Beginn auch nicht - als HIV begann ganze Generationen auszudünnen.

      Man kann vor Long Covid nur warnen - was einen derzeitigen Aufenthalt auf einer Intensivstation toppt sind Leiden an Symptomen, von denen niemand weiß wie lange sie anhalten, welche Auswirkungen LC auf die Lebenserwartung hat - welche Organe durch LC geschädigt werden und wie LC wirksam in absehbarer Zeit überhaupt erfolgreich behandelt werden kann.

      Man kann nur warnen sich auf Long Covid einzulassen - es ist nicht lustig an schwer wiegenden Symptomen zu leiden - auf die der Arzt mit Achselzucken antwortet weil hier medizinisches Neuland betreten wird.

      An Krankheitssymptomen zu leiden - aber auch mit den Ungewissheiten und Nichtwissen hinsichtlich dieser Krankheit umzugehen bedarf ein ungeheuer starkes verinnerlichtes "Prinzip Hoffnung" und ein entsprechend dickes Fell, ein hervorragend konditioniertes Nervenkostüm und Leidensfähigkeit.

      Dagegen ist die Einschränkung



      4 Wochen ohne Kontakte zu leben ein Witz.

  • Man sollte die britische Studie vielleicht benennen, nachdem das Thrombose-Ereignis wohl auch bei Biontech-Impfstoffen so vorkommen kann. Und womöglich sogar in ähnlich häufigen Fällen. Ich weiß das insbesondere unsere Medien oder auch unsere Regierung gerne immer unseren Standort schützen wollen. Egal ob bei Forschung, oder vielleicht auch Automobil. Nur ich finde es nicht gerade journalistisch gut recherchiert, wenn bestimmte Quellen (Uni Oxford) und deren Ergebnisse nicht benannt werden. Gerne im Konjunktiv, solange auch die Forscher selbst sagen. Das die gesamte Studie, aufgrund der unterschiedlichen Quellen mit Vorsicht zu genießen ist. Wir schaffen solche Sachen in den Medien immer wieder zu benennen, wenn es das Ausland betrifft (egal ob bei den jetzigen Impfstoffen, oder sonst auch bei den Menschenrechte oder ähnliches) nur bei uns selbst sind wir dann doch sehr zurückhaltend und wägen scheinbar Risiken ab. Das finde ich nicht gut.

    • @Daniel Drogan:

      Dann gehen Sie doch mit gutem Beispiel voran und benennen Ihre Quellen zu Biontech und Thrombose. So mir link und so und nicht nur irgendeine Uni Oxford Studie in den Raum werfen...

      • @Strolch:

        Googeln geht ganz leicht! Google hilft. Bittesehr: www.wa.de/leben/ge...bach-90461348.html

        • @Berrybell:

          Wie Sie beweisen, ist es anscheinend doch nicht so leicht, denn Sie verlinkten nicht die Studie sondern nur einen Artikel darüber.

          Ich helfe gern: osf.io/a9jdq/

          Und zitierte aus der Discussion:

          "All the relative risks should be interpreted with caution. First, the magnitude of the COVID-19 risk versus the population baseline, or versus influenza, is not based on cohorts which were matched for age or other demographic factors. For the same reason, we cannot conclude that the mRNA vaccines studied here are associated with an increased risk of CVT; far larger samples are needed to address this question."

          Also nein, wie die Autoren selbst schreiben, belegt die Studie nicht, dass die mRNA-Impfstoffe mit einem erhöhten Risiko für Sinusvenenthrombosen assoziiert sind.

          @DANIEL DROGAN Deshalb finde ich es auch deutlich besser, diese nicht zu erwähnen, statt falsch darüber zu berichten.

          • @Trollator:

            Die Summary steht doch aber hier: "In summary, COVID-19 is associated with a markedly increased incidence of CVT compared to patients with influenza, people who have received BNT162b2 or mRNA-1273 vaccinesand compared to the best estimates of the general population incidence. The risk with COVID-19 also appears greater than with ChAdOx1 nCoV-19and Ad26.COV2.S vaccines, although as noted this conclusion is indirect and tentative. The rarity of CVT in all populations means that larger sample sizes are requiredto confirm the results, and complementary study designs are needed to aid interpretation. Nevertheless, the current data highlight the risk of serious thrombotic events in COVID-19, and can help contextualizeand inform debate aboutthe risk-benefit ratio for current COVID-19 vaccines." Das heißt nämlich nicht das die nicht zugeordnet werden können. Sondern das die Anzahl der Untersuchungen noch zu gering sind um es bestätigen zu können. Das heißt es gibt Vermutungen (dasselbe gilt für Astra und z.T. auch für Sputnik) die bei einem Vakzin benannt werden sollen und dürfen und bei anderem hinterm Berg gehalten werden soll. Finde ich nicht toll. Journalistische Tätigkeiten sollten gerade unabhängig, offen und frei sein und unparteiisch und allumfänglich. Wer also über Vermutungen bei Astra schreibt, sollte dies auch bei Biontech und Co. können.