Bundeskongress der Grünen Jugend: Bloß nicht erwachsen werden
Ältere Mitglieder, mehr Amtszeiten? Die Grüne Jugend stimmt gegen Reformvorschläge ihres Vorstands. Für ihre Doppelspitze ist somit bald Schluss.
Die Grüne Jugend (GJ) dagegen hält es traditionell anders, die Altersgrenze liegt dort viel niedriger: Am 28. Geburtstag ist Schluss. Dabei bleibt es auch, denn eine vom GJ-Vorstand eingebrachte Satzungsänderung fiel am Samstag auf dem Bundeskongress der Jugendorganisation durch – und das nicht zum ersten Mal.
Begründet hatte der Vorstand seinen Antrag vor allem mit dem Wunsch, die Jugendorganisation der Grünen vielfältiger zu machen. Als „akademischen, weißen Verband“ bezeichnete Vorstandsmitglied Josepha Albrecht auf dem Kongress in Bielefeld die Grüne Jugend. Sie selbst sei zwar schon mit 13 Jahren eingetreten. Schon so früh politisch interessiert zu sein, sei aber nicht der Standard.
„Nicht-akademische Menschen lesen oft nicht am Frühstückstisch die taz“, sagte Albrecht. Wer nicht schon im Elternhaus politisiert wird, stößt demnach wenn überhaupt erst als junger Erwachsener zur Grünen Jugend. Bis zum 28. Geburtstag bleibt dann nicht genug Zeit, im Verband Erfahrung zu sammeln, Ämter zu übernehmen und sich hochzuarbeiten.
Eine Mehrheit der in Bielefeld anwesenden Mitglieder konnte der Vorstand zwar von der Satzungsänderung überzeugen. Rund 61 Prozent stimmten mit Ja. Notwendig gewesen wäre aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit, die bereits zum zweiten Mal verfehlt wurde. 2019 hatte der damalige GJ-Vorstand eine ähnlich lautende Satzungsänderung schon einmal erfolglos vorgeschlagen.
Kühnert wäre zu alt
Die Kritiker*innen störten sich am Samstag nicht am Ziel, die Grüne Jugend diverser zu machen. Im Gegenteil: Eine ebenfalls verhandelte Antirassismus-Strategie für den Verband ging ohne Gegenstimme durch. Die Verfechter*innen der niedrigen Altersgrenze sorgten sich vielmehr darum, dass jüngere Mitglieder künftig nicht mehr durchdringen könnten.
„Ältere Menschen nehmen oft mehr Raum in Strukturen ein“, sagte Luna Evans, Sprecherin des Berliner Landesverbands. Dass die Jungen schnell in Verantwortung kommen, sei gerade der Vorteil der Grünen Jugend: „Sarah und Timon können junge Menschen sehr gut vertreten, ein Kevin Kühnert eher nicht.“
Gemeint waren Sarah-Lee Heinrich (21) und Timon Dzienus (26), die seit Oktober 2021 die Doppelspitze der Grünen Jugend im Bund bilden und auf dem Bundeskongress im Amt bestätigt wurden. In einem Jahr ist allerdings für beide Schluss. Im Falle von Dzienus allein schon wegen der beibehaltenen Altersgrenze. Im Falle von Heinrich, weil der Vorstand auch mit dem Antrag auf eine zweite Satzungsänderung scheiterte.
Die Bundessprecher*innen der Grünen Jugend dürfen sich nur einmal zur Wiederwahl stellen, insgesamt also nur zwei Jahre im Amt bleiben. Für andere Vorstandsposten gelten ähnliche Begrenzungen. Seinen Antrag, künftig bis zu vier Jahre zu gestatten, begründete der Vorstand damit, dass es Zeit brauche, sich an der Spitze „einzuarbeiten, Strategien zu entwickeln und Kontakte zu knüpfen“. Politisch könne der Verband mehr einreichen, wenn die Sprecher*innen nicht schon wieder abdanken müssten, wenn sie gerade erst im Amt angekommen sind.
Rotation als Prinzip
Diesem Ansinnen der Professionalisierung stellten die Kritiker*innen die basisdemokratische Tradition der Grünen entgegen. Mit der Satzungsänderung würde die Grüne Jugend „grundlegende machtkritische Prinzipien über Bord werfen“, sagte Sophie Witt, Mitglied des Berliner Landesverbands. Eine hohe Fluktuation in den Ämtern führe dazu, dass junge Menschen am besten repräsentiert werden. „Wer Karriere machen will, soll doch zu den alten Grünen gehen!“
Am Ende scheiterte der Antrag ebenfalls an der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit. Rund 54 Prozent Ja-Stimmen reichten nicht aus. Auch hier war es der zweite Versuch nach 2019.
Inhaltlich ging es beim Bundeskongress vor allem um das Klima, um Verteilungsfragen und um Sozialproteste im Herbst. „Als Verband werden wir in den nächsten Monaten auf die Straße gehen. An unserer Seite stehen viele, die es satthaben, dass Krisen auf ihrem Rücken ausgetragen werden“, schrieb der Vorstand im Leitantrag, den die Mitglieder mit großer Mehrheit annahmen.
Kaum eine Rolle spielte dagegen ein Thema, das Partei und Fraktion derzeit intensiv diskutieren und das in zwei Wochen voraussichtlich auch den Parteitag der Grünen beherrschen wird: Die Laufzeiten der Atomkraftwerke, die Wirtschaftsminister Robert Habeck bis in den Frühling 2023 hinein verlängern will, waren unter den jungen Grünen nur ganz am Rande Thema.
Korrektur (3.10.2022): In einer früheren Version des Textes stand, dass 54 Prozent der anwesenden Mitglieder für die Anhebung der Altersgrenze und 61 Prozent für die Ausweitung der maximal zulässigen Amtszeiten gestimmt hätten. Tatsächlich war es andersherum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen