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Bundesfinanzhof zum SolidaritätszuschlagWann kommt der Ukraine-Soli?

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Laut Bundesfinanzhof kann der Soli bleiben. Das Urteil hat Potenzial: Die Wiedervereinigung ist nicht die einzige Belastung für den Bundeshaushalt.

Solidarität darf auch etwas kosten, Herr Kubicki (FDP)! Hier auf dem Bundespresseball in Berlin 2022 Foto: Christoph Soeder/dpa

D er Solidaritätszuschlag ist nicht verfassungswidrig und kann bleiben. So hat jetzt der Bundesfinanzhof (BFH) in München entschieden. Das überraschende Urteil eröffnet Perspektiven für die Finanzierung anderer Sonderlasten.

Vor dem Münchner Richterspruch war weithin damit gerechnet worden, dass der BFH den Soli nach fast 30 Jahren als nicht mehr verfassungskonform einstuft und das Bundesverfassungsgericht um Prüfung bittet. So sah es jedenfalls der überwiegende Teil der Rechtswissenschaft. Auch die mündliche Verhandlung im Dezember deutete kein anderes Ergebnis an. Es sprachen nur die Kläger. Niemand verteidigte den Soli, der zuständige Finanzminister Christian Lindner (FDP) zog sich sogar demonstrativ aus dem Verfahren zurück. Und die Richter stellten keine Fragen.

Nun aber hatte der BFH doch keine verfassungsrechtlichen Einwände gegen den Soli, und das ist auch überzeugend. Denn natürlich bestehen noch vereinigungsbedingte Sonderlasten und natürlich ist es sozial gerechtfertigt, wenn Reiche dafür stärker zur Kasse gebeten werden als Normal-Steuerzahler:innen. Auf diesem Gedanken beruht das ganze Steuerrecht.

Allerdings sorgen heute ganz andere Sonderlasten für Haushaltsprobleme. Auch diese treffen ganz überwiegend den Bund: Die Bundeswehr muss saniert werden, Energiekosten werden gedeckelt, die Ukraine muss irgendwann wieder aufgebaut werden. Auch hierfür kann der Bund eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer einführen. Sicher wird es bald entsprechende Diskussionen geben. Und wie der BFH nun bestätigt hat, können solche Sonderlasten auch ausschließlich den Besserverdienenden auferlegt werden.

Allerdings sollte man sich keine Illusionen machen. Der aktuelle Reichen-Soli bringt pro Jahr nur 11 Milliarden Euro – ein Klacks bei einem Gesamtsteueraufkommen von 833 Milliarden Euro im Jahr (2021). Finanzminister Lindner wird wohl trotzdem dagegen sein. Die sozialverträgliche Finanzierung von Sonderlasten ist nicht seine Priorität.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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14 Kommentare

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  • "Reich" ist man nicht, wenn man den Soli zahlt. Vom soli-pflichtigen Einkommen kann man sich keine Immobilie kaufen. Außerdem werden auch Kapitalerträge mit dem Soli belastet, egal wie reich oder auch nicht der Anleger ist. Das trifft z.B. junge Sparer, die der Geldpolitik zu recht nicht mehr trauen und in ETFs investieren. Es trifft sie auch dann, wenn der Ertrag weit unter der Inflationsrate ist: das ist Substanzbesteuerung.

    Dramatischer aber ist der Vertrauensverlust, den der Staat hier erleidet: War der Soli doch temporär ausgelegt und deshalb wurde ihm auch zugestimmt. Der Staat hat hier ein Versprechen gebrochen. Mag das juristisch durchgehen, so ist der Schaden an der Glaubwürdigkeit der Politik verheerend.

    Hätte man den Soli 2019 für alle abgeschafft, könnte man jetzt anhand der Krisen mit einem neuen Soli kommen. Aber nun ist die Idee verbrannt.

    • @Gorres:

      In weiten Teilen treffen Sie mit Ihrem Kommentar voll ins Schwarze.

      Für ganz verbrannt halte ich den Soli nicht. Weite Teile der "reicheren" Bevölkerung wären sicherlich bereit auch einen neuen Soli zu bezahlen, wenn dieser zweckgebunden in die Bildung fließt. Dies setzt allerdings voraus, dass die Bildung auf den Bund übergeht und der Betrag gedeckelt wird.

      Merkwürdigerweise fehlt ausgerechnet dieser Punkt in der Aufzählung des Autoren.

  • Deutschland ist bereits genügend solidarisch mit der Ukraine, unter anderem bezahlen wir das alle teuer durch die gestiegenen Energiepreise und den massiven Rückgang der Wirtschaft. Dazu kommt noch, dass wir auch sehr viele ukranische Flüchtlinge im eigenen Lande trotz des Wohnungsmangels aufgenommen haben.

    Irgendwo muss auch mal Schluss sein, und ich bin mir sicher, sollte so ein Ukraine-Soli eingeführt werden, dann werden viele auf die Barrikaden gehen!

  • "Die sozialverträgliche Finanzierung von Sonderlasten ist nicht seine Priorität."

    Amgesichts eines Spitzensteuersatzes, der bereist ab einem Jahreseinkommen von rund EUR 56.000 greift und jeden weiteren EUR darüber hinaus mit 42 Prozent (plus Soli) besteuert ist fraglich, wie der Autor zu dieser Aussage gelangen konnte.

    Und genau die Gruppe, die über dem Spitzensteuersatz liegt, hat bereits den höchsten Anteil am Steueraufkommen.

    • 1G
      14397 (Profil gelöscht)
      @DiMa:

      "Und genau die Gruppe, die über dem Spitzensteuersatz liegt, hat bereits den höchsten Anteil am Steueraufkommen."

      Ist das so? Haben sie Belege? Und selbst wenn es so ist: Wer soll denn sonst den höchsten Anteil am Steueraufkommen bezahlen? Die armen Schweine, die zum Mindestlohn arbeiten und damit kaum das lebensnotwendige bezahlen können?

      • @14397 (Profil gelöscht):

        Siehe nachfolgenden Link. Die oberen 10 Prozent zahlen 56 Prozent des gesamten Einkommensteueraufkommens (www.bpb.de/kurz-kn...06%2C4%20Prozent.).

        Wenn die von Ihnen sogenannten "armen Schweine" sich nicht mehr an den gesamtgesellschaftlichen Aufbaben beteiligen, dann geht die Ausgabendisziplin zu Grunde und der Staat wird zum Selbstbedienungsladen.

        • 1G
          14397 (Profil gelöscht)
          @DiMa:

          "Und genau die Gruppe, die über dem Spitzensteuersatz liegt, hat bereits den höchsten Anteil am Steueraufkommen." "Die oberen 10 Prozent zahlen 56 Prozent des gesamten Einkommensteueraufkommens"



          Einkommensteuer ist aber nicht das von ihnen behauptete Steueraufkommen! Die Einkommensteuer macht laut Wikipedia 8,7% des Gesamtsteueraufkommens aus.

          "der Staat wird zum Selbstbedienungsladen"



          Die 125 Milliarden, die pro Jahr in D an Steuer hinterzogen werden, was glauben sie, in welcher Einkommensgruppe die Täter hauptsächlich zu finden sind? Bei den Mindestlohnabhängigen sicher nicht?



          Und gesamtgesellschaftlichen Aufgaben sind ja - da werden sie nicht widersprechen können - wesentlich umfangreicher und weitergehender als nur "Steuer bezahlen". Soziale, pflegende, erziehende Arbeit wird im überwiegenden Teil miserabel bezahlt und nicht von den "oberen 10 Prozent" erbracht.

          • @14397 (Profil gelöscht):

            Sie vergessen, dass die Lohn- und Abgeltungsteuer ebenfalls Teil der Einkommensteuer, der Solitaritätszuschlag einen direkten Bezug zur ESt aufweist und sich hierdurch die Gewichtung erheblich ändert.

            Und die Frage der angeblich hinterzogenen Steuern oder der Höhe der Bezahlung hat mit der Frage der Erhebung weiterer Steuern nichts zu tun.

            Nur weil mein Nachbar möglicherweise Steuern hiterzieht oder auch nicht, bedeutet dies nicht im Umkehrschluss, dass ich höher zu besteuern bin.

  • Solidaritätszuschlag sollte, meiner Meinung nach schon auf Deutschland beschränkt sein. Oder wenn international, dann bitte für die Unterstützung der hungernden auf dieser Welt.



    Ich finde es richtig sich solidarisch mit der Ukraine zu zeigen. Aber trotzdem sollten wir nicht vergessen, dass weder in der Ukraine noch am Hindukusch unsere Freiheit verteidigt wird.



    Ich denke nicht, dass die Ukraine sich über mangelnde Solidarität beklagen kann.



    Jedoch Menschen in Ländern wie Jemen, Äthiopien, Somalia, Südsudan, Kongo, Mali Zentralafrik. Rep., Myanmar und Syrien durchaus. Ich bin mir vollkommen bewusst, dass es viel mehr Länder mit Kriegen gibt für die wir uns nicht interessieren...aber die Liste soll ja nicht endlos lang werden.

  • Sollte ich jemals in die Nähe dieser Grenze kommen (~62.600 Brutto / Jahr aktuell) würde ich _spätestens_ ab dann auf mehr Teilzeit optimieren.

    So wie es die Schweden machen (*). Denn warum ich als, wenn auch halbwegs ordentlich bezahlter Lohnsklave, für den Staat knechten. Dann lieber mehr Zeit für meine Lieben und mich.

    & ja, ich vermute die gierige Hand des durchaus sehr fetten Staates (nur das bei den Bedürftigen halt nichts ankommt) wird diese Begründung als Freifahrtschein nehmen um weiter zu schröpfen.

    BTW - das jährliche Schwarzbuch der Steuerzahler zeigt ja genügend Potential wo Einnahmen herkommen könnten.

    --



    (*) www.faz.net/aktuel...udie-18125361.html

    • @Thorsten Gorch:

      Also, ich habe gut 13000 Euro/Jahr weniger Brutto, und mache da nicht so ein am Tam daraus, solange ich kann, gebe ich dem Staat, ich will Gesundheitseinrichtungen für die Masse weiterhin, auch Bildung und Infrastruktur muss es weiterhin geben, und soviel mehr, natürlich hakt es im System, auch weil neoliberale Kräfte ordentlich dran herumgezerrt haben, mit Ihrer Meinung zerren Sie ordentlich mit....

    • @Thorsten Gorch:

      Ich hab mich mein ganzes Leben lang darum abgerackert nicht in die Nähe dieser gefährlichen Grenze zu gelangen und war damit bisher höchst erfolgreich.

    • @Thorsten Gorch:

      Leben Sie völlig autark irgendwo fernab jeglicher Zivilisation und Infrastruktur im Wald, oder wie schaffen Sie es, die Leistungen, die dieser "fette" Staat den BürgerInnen bietet, nicht in Anspruch zu nehmen? Hut ab!

    • 1G
      14397 (Profil gelöscht)
      @Thorsten Gorch:

      Ich finde, Vorbilddemokraten wie sie sollten für jede staatliche Leistung, die sie und ihre Lieben in Anspruch nehmen, die Rechnung über die realen, inklusive der externen Kosten bezahlen müssen.



      Ordentlich bezahlte Sklaven sind übrigens ein Oxymoron. Und bitte schauen sie auch gleich noch nach, was Solidarität bedeutet.