Bund-Länder-Konferenz ohne Ergebnisse: Blackbox 200-Milliarden-Paket
Dass Bundeskanzler Scholz nach der Bund-Länder-Konferenz keine Ergebnisse vorweisen kann, ist enttäuschend. Verantwortlich dafür ist der Bund.
D ie Magie der großen Zahl verflüchtigt sich schnell. Das angekündigte 200-Milliarden-Euro-Paket der Bundesregierung zur Dämpfung der Energiekrise mag in der vergangenen Woche manchen ein anerkennendes Wow entlockt haben. Doch in dieser Woche ist der Effekt verblasst, das Paket erscheint als Blackbox. Zu ungewiss ist, wie die versprochene Strom- und Gasbremse aussehen wird und wer davon etwas hat.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat das nicht besser gemacht, als er nach der Bund-Länder-Konferenz zur Entlastung von Bürger:innen und Unternehmen am Dienstagabend in Ermangelung konkreter Ergebnisse die Volumen sämtliche Entlastungspakete addierte und die Summe 295 Milliarden Euro präsentierte. Was ohnehin Pfusch ist, weil er alle möglichen, schon vor dem Ukrainekrieg vereinbarten Koalitionsvorhaben einrechnet, zum Beispiel das Bürger:innengeld.
Dass Scholz nach der Bund-Länder-Konferenz kein einziges Resultat vorweisen konnte, ist ernüchternd und nicht vertrauenserweckend. Verantwortlich dafür dürfte vor allem der Bund sein. Die bisherigen Erfahrungen der Bürger:innen mit Entlastungen sind bescheiden. Ja, das 9-Euro-Ticket hat vielen etwas gebracht, auch die einmalige 300 Euro brutto Energiepauschale für Beschäftigte ist besser als nichts – aber wenn das die Größenordnungen sind, die bei den Bürger:innen ankommen, erscheint das Scholz'sche Milliarden-Jonglieren nicht als Hilfe in der Energiepreiskrise, sondern als Bluff.
Scholz hat mit der Ankündigung der Strom- und Gaspreisbremse große Erwartungen bei Bürger:innen und Unternehmen geschürt. Gut möglich, dass er sie enttäuscht – für etliche mit verheerenden Folgen. Denn wer keine Rücklagen hat, droht durch hohe Nachzahlungen in eine schlimme Verschuldungsspirale zu geraten.
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Das Verständnis der Bürger:innen dafür, dass die Bund-Länder-Konferenz ohne Einigung endete, dürfte begrenzt sein. Von den von Scholz zusammengerechneten 295 Milliarden Euro an Entlastungen will der Bund 240 bis 250 Milliarden Euro übernehmen, der Rest soll von den Ländern gestemmt werden. Dass die sich angesichts der unklaren Entlastungswirkung von Strom- und Gaspreisbremse wehren, einen Blankoscheck auszustellen, ist nachvollziehbar – zumal die Regierung das Entlastungspaket etwa bei der Ausweitung des Wohngelds auf Kosten der Länder geschnürt hat, ohne sie vorher einzubeziehen.
Im Gegensatz zu seinem im Wahlkampf befindlichen niedersächsischen Amtskollegen Stephan Weil von der SPD redete NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst nach der Bund-Länder-Konferenz das Nichtergebnis nicht schön, sondern zeigte sich ganz offen enttäuscht. Anders als die Länder habe sich der Bund kaum bewegt, kritisierte der Christdemokrat. Es spricht viel dafür, dass Wüst Recht hat. Denn schon bei – im Verhältnis zu den beschworenen 295 Milliarden – kleinen Summen ist der Bund extrem kniepig.
Ein Beispiel ist die Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket. Der Bund will dafür 1,5 Milliarden Euro unter der Bedingung bereit stellen, dass die Länder den gleichen Betrag aufbringen. Das können die Länder aber nur, wenn sie mehr Förderung für den ÖPNV vom Bund bekommen – doch der zickt. Mit dreistelligen Milliarden-Summen hantieren kann Scholz, aber einen kleinen einstelligen Milliardenbetrag für ein konkretes, sehr populäres und viele Pendler:innen entlastendes Projekt in seiner Regierung durchzusetzen, dazu ist er nicht bereit.
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