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Bund-Länder-Gipfel zu CoronaZu Hause bleiben noch bis März

Durchhalten, heißt es von Bund und Ländern. Der Lockdown geht wohl in die Verlängerung. Schneller geht es für Schulen – und einen Berufsstand.

Bei den Bund-Länder-Beratungen: Blick über die Schulter von Ministerpräsidentin Malu Dreyer Foto: Boris Roessler/dpa

Berlin taz | Coronalockdown noch bis Mitte März, für die Öffnung von Schulen und Kitas bekommen die Länder aber freie Hand – das zumindest sieht die Beschlussvorlage vor, die das Kanzleramt kurz vor Beginn des Bund-Länder-Gipfels am Mittwoch an die Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen der Bundesländer verschickte. Die Mehrheit der Länderchefs jedoch plädierten für eine Verlängerung nur bis zum 7. März.

Mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), die derzeit den Vorsitz und die Stellvertretung der Ministerpräsidentenkonferenz haben, war das Papier vorabgestimmt. Und auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hatte an dem Entwurf mitgearbeitet. Ob sich Kanzlerin Angela Merkel und ihr Kanzleramtsminister Helge Braun (beide CDU) auch gegenüber allen anderen Länderchefs durchgesetzt haben, war bis Redaktionsschluss nicht abzusehen, da der Gipfel noch andauerte. Einige Länderchefs drängten auf weitere Öffnungen.

Besonders umstritten war bis zuletzt die Frage, wann Schulen und Kitas wieder öffnen dürfen. Sachsen etwa preschte vor und kündigte an, bereits am kommenden Montag Präsenzunterricht wieder zuzulassen. Andere Bundesländer waren kulant bei der Auslegung der Notfallbetreuung. In Berlin sind unterdessen viele Kitas auch aktuell zu 80 Prozent belegt. Nun sollen die Länder „im Rahmen ihrer Kultushoheit über die schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht und die Ausweitung des Angebots der Kindertagesbetreuung“ selbst entscheiden, heißt es in dem Papier.

Eine weitere Ausnahme soll es dem Entwurf zufolge auch für Friseure geben, die unter strikten Hygieneauflagen den Betrieb bereits am 1. März wieder öffnen könnten. Begründet wird dies mit der „Bedeutung von Friseuren für die Körperhygiene“, insbesondere Ältere seien darauf angewiesen.

Die Kanzlerin würde lieber später entscheiden

Offen bleibt, wie es für den Großteil der von der coronabedingten Schließung betroffenen Bereiche weitergehen wird – also vor allem für weite Teile des Einzelhandels, für Restaurants, Hotels, Museen, Clubs, Theater und Konzerthäuser sowie den Amateursport.

Auch wenn die meisten Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen vor Beginn des Gipfels andeuteten, dass sie einer Verlängerung des Lockdowns bis zum 15. März mittragen wollen, fordern sie dennoch einen Fahrplan, ab wann was wieder erlaubt sein wird. Schleswig-Holstein und Niedersachsen legten bereits einen Stufenplan vor, den die Landesregierung in Kiel zum Teil auch schon anwendet.

Ginge es nach dem Willen der Kanzlerin, will sie darüber erst am 10. März beraten. Sie möchte offenbar keine Erwartungen wecken, die dann womöglich nicht erfüllt werden. Alternativ heißt es in dem Papier, werden nächste Öffnungsschritte „bei einer stabilen deutschlandweiten 7-Tage-Inzidenz von höchstens 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner“ vorgeschlagen. „Dieser nächste Öffnungsschritt soll die Öffnung des Einzelhandels mit einer Begrenzung von einer Kundin oder einem Kunden pro 20 qm umfassen, die Öffnung von Museen und Galerien sowie die Öffnung der noch geschlossenen körpernahen Dienstleistungsbetriebe umfassen.“

Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) ging bis Mittwoch weiter zurück und lag nach Angaben des Robert-Koch-Instituts am Mittwochmorgen bei 68. Führende Wis­sen­schaft­le­r*in­nen raten dennoch, erst bei einer Inzidenz von unter 20 zu lockern. Ansonsten drohten die Zahlen nicht zuletzt wegen der noch ansteckenderen Varianten rasch wieder zu explodieren.

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9 Kommentare

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  • Es ist tatsächlich geschehen: Die Entscheidungsträger haben das letzte bißchen Realität hinter sich gelassen und sich in eine Parallelwelt (Haarallelwelt? Sorry, überkam mich gerade...) verabschiedet, in der bunte Einhörner „Wir halten zusammen!“-Schilder auskotzen und sich ihre wilden Mähnen auf Hochglanz frisieren lassen (natürlich als eine der vielen Hygienemaßnahmen, die in Coronazeiten absolute Priorität haben).



    Währenddessen drehen in der Wirklichkeit (also, in der echten!) immer mehr Leute durch, da sie einfach nicht in der Lage sind, ihre Sorgen über Belanglosigkeiten wie Miete zahlen, gestörte Kinder beschäftigen und die Frage, ob sie ihren Job irgendwann wieder ausüben dürfen (es sei denn natürlich, sie sind auf Haare spezialisiert) auf dem Boden der Tatsachen zurückzulassen und sich wenigstens vorübergehend in o.g. Welt zu verabschieden, um sich zusammen mit 68jährigen CSU-Wählerinnen die Haare lilagrau färben zu lassen.



    Während ich darüber nachdenke, haben meine Finger ohne mein bewußtes Zutun einen Aluhut gebastelt (der jede noch so ungepflegte Frisur verbirgt) und „Querdenker-Demo“ ge-ecosiat.



    Dort treffe ich bestimmt auf ein paar rechte Arschlöcher, die ich anbrüllen kann, um meine Wut zu etwas Sinnvollem zu nutzen.

  • Es mag Leute geben, die ohne soziale Kontakte problemlos auskommen. Wir gehören nicht dazu.



    Wie lange heißt es nun eigentlich, man müsse nur noch ein paar Wochen durchhalten?

    • @Luftfahrer:

      "Problemlose" Lösungen gibt es nicht. Genauso wenig wie ein Termin für das Ende der Pandemie. Als alleinstehender Freelancer in der Kreativbange ist das für mich auch kein Zuckerschlecken, aber ich habe keinen Bock auf einen dritten Lockdown und wieder mehr Menschen auf den Intensivstationen.

    • @Luftfahrer:

      Und ich dachte schon, es herrsche hier ausnahmsweise mal nur die Stimme der Vernunft.



      Danke, dass Sie mich wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht haben!



      Und dabei hatten wir dieses Spiel doch schon einmal.



      Umfassende Lockerungen und hinein in den nächsten Lockdown.



      Ist es das, was Sie wollen?



      Oder denken Sie, das eigentlich Böse sind die Maßnahmen, nicht das Virus?



      Oder hängen Sie der Auffassung an, wenn wir nur schnell so tun als wäre nichts, dann ist der Spuk auch genauso schnell wieder vorbei?



      Ein Blick in andere Länder sollte Sie da eines Besseren belehren.

      • @Fezi:

        Wenn wir die Wahl hätten zwischen Vereinsamung und Isolation für voraussichtlich über 4 Monate und einer Infektion: wir würden sofort die Infektion nehmen.

      • @Fezi:

        Und ich dachte schon, es herrsche hier ausnahmsweise mal die Menschlichkeit. Aber gerade Leute wie Sie, die mit Totschlagargumenten und Unterstellungen jegliche Kritik erschlagen wollen, machen es noch unerträglicher als es ohnehin schon ist.



        Bei einer Inkubationszeit von maximal 2 Wochen müssen 4 Wochen (Sicherheitsfaktor von 2) vollkommen reichen, um die Zahlen nahe null zu setzen (ganz null wird man sie nie bekommen, soweit ist es klar), egal wie hoch sie vorher waren. Wegen 4 Wochen Vereinsamung und Isolation wollen wir nicht klagen, 2 Monate stehen wir auch noch durch. Aber dann ist genug. Es reicht, dass den Damen und Herren in der Regierung nichts weiter einfällt, als das Privatleben und die sozialen Beziehungen an die Wand zu fahren, während sie sonst nichts auf die Reihe bringen. Betriebsferien im kompletten Januar mit gedeckeltem Lohnersatz vom Staat? Haha, Scherz! Lieber das Private erschlagen! Unter diesen Umständen sind wir schlicht und ergreifend nicht länger bereit, mitzumachen. Zumal die Wartezeiten auf professionelle psychologische Hilfe mittlerweile i.d.R. 6 Monate, Tendenz stark steigend, beträgt. Und dann kommt noch die Verlogenheit der Regierung obendrauf, die immer wieder sagt, man müsse nur noch wenige Wochen durchhalten, um nach den wenigen Wochen wieder das Gleiche zu sagen, anstatt ehrlich zu sein, und immer wieder neue Versprechen als Hinhalter macht, die sie nicht einhalten kann (Impfung, ...). Wohl wissend haben sie keine Jahreszahl angegeben, als sie im November von Weihnachten sprachen.



        Danke übrigens für die Gelegenheit, den Frust mal etwas rauszulassen. Es ist nur noch zum Verzweifeln.

  • Ich verstehe nicht, was diese bescheuerten Diskussionen sollen, ob man nicht vielleicht dieses oder jenes - unter strengen Auflagen natürlich - doch wieder öffnen könnte. Das ist doch Quatsch, frühzeitige Lockerungen sind einfach nur ein schlechtes Geschäft. Jeder Tag, den wir weiter durchhalten, zahlt sich doppelt und dreifach aus. So weit müsste man es doch begriffen haben. Natürlich gibt es irgendwann mal einen Punkt, wo der Lockdown nicht mehr viel bringt und wir wirklich ernsthaft über die Verhältnismäßigkeit reden können, aber der liegt dann wohl bei derjenigen Inzidenz, den die im Artikel erwähnten Wissenschaftler fordern: 20.

  • "Bedeutung von Friseuren für die Körperhygiene"

    ??? Kann mir das jemand erklären? Friseure sollen öffnen, bei denen für ca. 1 h kein Mindestabstand einhaltbar ist? Welche Körperhygiene? Haare waschen? Bekommt man das nicht daheim hin?

    Bei diesem Thema ist man sich einig. Bei Schulen und Kitas weiß man aber nicht, was man machen soll?!

    Ich werde jetzt auch noch zum Verschwörungstheoretiker und vermute dahinter das Eigeninteresse der Politiker (Anton Hofreiter nehme ich aus).

    • @Strolch:

      Danke!!!