piwik no script img

Bürgermeisterin soll Ministerin werdenJung, qualifiziert, aus dem Osten

Franziska Giffey ist SPD-Bürgermeisterin von Berlin-Neukölln. Nun gilt sie als Anwärterin auf einen Sitz im Bundeskabinett.

Vom Bürgermeisteramt ins Bundeskabinett? Franziska Giffey soll einen Posten erhalten Foto: dpa

BERLIN taz | Noch stehen die SPD-MinisterInnen nicht offiziell fest. Aber offenbar dürfte ein Ministerposten an eine junge Politikerin aus Berlin gehen. Nach Information der dpa soll die Bürgermeisterin des Berliner Bezirks Neukölln, Franziska Giffey (39), auf Wunsch der fünf ostdeutschen Landesverbände Bundesministerin werden.

Die SPD hatte zuvor klar gemacht, dass einer der ihr zustehenden sechs Ministerposten unbedingt mit einer Person aus Ostdeutschland besetzt werden soll.

Dass von Seiten der SPD bisher weitgehend unbekannte Gesichter wie Giffey im Kabinett zu sehen sein werden, hatte auch der Regierende Bürgermeister Berlins, Michael Müller, angedeutet.

Bei einer Fragestunde mit Schülerinnen und Schülern im Bundesrat sagte SPD-Mann Müller, der derzeit turnusmäßig Bundesratspräsident ist: „Der Kompromiss aus jungen und partei- und regierungserfahrenen Politikern wird sich auch im Kabinett widerspiegeln.“ Dies sei für die Erneuerung der Partei nach dem „Wahlschock“ nötig.

Neukölln-Credibility, auch in Talkshows

Dass Franziska Giffey eine gute Bundesministerin wäre, scheint in der SPD unstrittig. Aus SPD-Kreisen hieß es schon am Dienstag, sie habe gute Chancen, ein Regierungsamt auf Bundesebene zu erhalten. Vor allem der konservative Seeheimer Kreis unterstütze sie. Und dpa meldet, dass es dabei um das Arbeits- und Sozial- oder das Familienministerium ginge. In den nächsten Tagen soll die Entscheidung fallen.

Die Sprecherin der designierten SPD-Chefin Andrea Nahles betonte jedoch: „Es sind noch keine finalen Entscheidungen gefallen.“ Die Personalie Giffey wurde aber von der SPD-Spitze auch nicht dementiert. Am Donnerstag werden Nahles und Giffey zum Internationalen Frauentag gemeinsam beim SPD-Frauensalon im Ballhaus Rixdorf in Berlin auftreten. Offiziell beschließen wollen Präsidium und Vorstand die SPD-Liste am Freitag.

Die 1978 in Frankfurt an der Oder geborene Giffey, Doktorin der Politikwissenschaft, hat vor fast drei Jahren den Neuköllner Bürgermeisterstuhl von Heinz Buschkowsky übernommen. Anders als ihr Probleme gerne zuspitzender Vorgänger ist sie eine Pragmatikerin: Probleme sind dazu da, gelöst zu werden.

Und das tut Giffey bisher in Neukölln ganz ordentlich – etwa in Bildungsfragen, für die sie vor ihrem Antritt als Bürgermeisterin als Stadträtin zuständig war. Vor dem Hintergrund einer verstärkten Zuwanderung aus ärmeren EU-Staaten in ihren Bezirk, versucht sie Obdachlosigkeit zu verhindern und die Bildung von Kindern zu verbessern. In TV-Talkshows tritt sie dabei ebenso gerne wie ihr Vorgänger auf – wenn auch nicht so laut.

Sie wuppt es einfach

Doch was qualifiziert Giffey für einen Posten in der Bundesregierung aus der Sicht der SPD? Zwei Dinge sind dabei klar: Sie ist eine Frau und sie ist aus dem Osten. Das ist gut, macht aber noch keine gute Ministerin. Ihre Neukölln-Credibility hilft der bald Vierzigjährigen – etwas Zynismus muss erlaubt sein – sicher beim Überleben in ihrer Partei. Wer sich mit kriminellen Clans anlegt, besteht vermutlich auch auf der Führungsebene der SPD.

Wahrscheinlich hängt es genau mit ihrem entschiedenen Agieren in einem als schwierig wahrgenommenen Umfeld zusammen, dass mit Franziska Giffey – bei allem Respekt vor ihrem politischen Können – nun eine Bezirksbürgermeisterin ohne jede landes- oder bundespolitische Erfahrung für die Spitze eines Bundesministeriums gehandelt wird.

Denn erfolgreichen Genossinnen mit Erfahrung in Spitzenämtern auf Landesebene hat die Bundesspitze mit ihrer Politik entweder die Show verhagelt (siehe Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen) oder so nachhaltig verschreckt, dass keine von ihnen mehr nach Berlin will.

Nun, Giffey ist schon hier. Und eins ist sicher: Wenn sie es wird, dann wuppt sie es auch – auf ihre Art, hoffentlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Ich schätze die Arbeit von Frau Giffey und halte sie auch für geeignet. Ich halte es jedoch für problematisch, wenn jemand nur deshalb Minister werden soll, weil er eine Frau ist und weil er aus dem Osten kommt. Zumal noch nicht mal bekannt ist, welches Ministerium übernommen werden soll. Ein schlechteres Beispiel für Quote gibt es nicht.

     

    In der freien Wirtschaft läge ein Verstoß gegen das AGG nahe.

  • Ich vermute mal, dass Frau Giffey noch etwas mehr an Kontakt zu denen hat, die sie aller Wahrscheinlichkeit vertreten wird - und Klüngel kann man bei ihr noch um ein ziemlich gutes Stück kleiner schreiben. Von daher bin ich guten Mutes, dass sie als SPD - Familienministerin recht gut geeignet wäre. Aber das wäre nur ein Wunsch - keine versuchte Prophezeiung.

     

    Aber wir werden das alles ja in Kürze erfahren. Da brauchen wir uns nicht noch so kurz vor der Verkündung der Besetzungsliste in Prophezeiungen ergehen.

     

    Es sei denn wir sind wild auf den Titel "voll in's Schwarze-Treffer". Mir liegt nichts an solchen Spielchen.

  • Klingt gut.

    Was ist schon....ohne jede landes- oder bundespolitische Erfahrung für die Spitze eines Bundesministeriums ....

    Die alle brauchen doch keine wissenschaftlichen Arbeiten vorlegen.

    Eigene und Ansichten der Partei bei den Meetings vertreten und versuchen durchzusetzen. Das gilt für die Ortsvereinversammlung, den Stadtreat, die Dezernentenrunde oder eine der Parteiversammlungen und das immer wieder über die Medien nach außen verkaufen.

    Das können viele, nicht alle.

  • @Ralf Pauli

     

    Zynismus ist natürlich erlaubt, aber abwertende Verallgemeinerungen sind noch mal was anderes: Wer bei Neukölln an kriminelle Clans denkt, der hat vielleicht ein etwas einseitiges Bild von Neukölln und von Migranten.

     

    Besagte Dame stand mit F. Felgentreu kurz vor der BTW bei mir vor der Tür und wollten mich zum richtigen Kreuz überreden. Ich hätte gerne ein Foto von der Szene gemacht. Beide schön chic, beide das gutmütige und freundliche Lächeln von Menschen, die gerade auf eine Zitrone gebissen haben und das noch ein paar hundert mal tun sollen.

    Bildunterschrift wäre gewesen: 'Der Seeheimer Kreis hat keine Berührungsängste mit dem Lumpenproletariat'.

  • 27 Jahre Jahre nach der Einheit: Die SPD setzt ein Quoten-Ossi als Minister ein. Sehr progressiv. Da dürfen wir uns gleich viel mehr ernstgenommen fühlen, oder sollen.

    Aber genau deswegen sollte man hoffen sie setzt auch öffentlich wahrnehmbar Aktzente.