Bürgergeld für Ukraine-Flüchtende: Alle in einen Sack

Einige Politiker wollen Deutschland als Fluchtland für Ukrai­ne­r:in­nen unattraktiver machen und sparen. Ein Blick auf die einzelne Lage täte not.

Eine ukrainische Flagge und Menschen in einer Halle.

Bild aus einer anderen Zeit: Ankunft von ukrainischen Flüchtlingen am Hauptbahnhof Berlin im März 2022 Foto: Stefan Trappe/imago

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, wie tief man sinken kann in der Sozialstaats- und Migrationsdebatte, hier sind gleich zwei davon: Systemische und juristische Wirklichkeitsferne zeigt der Vorschlag von Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), wehrpflichtigen männlichen Geflüchteten aus der Ukraine in Deutschland kein Bürgergeld mehr zu gewähren, weil sie „fahnenflüchtig“ seien.

Man kann sicher geteilter Meinung sein über Männer, die sich in der Ukraine dem Militärdienst entziehen und die Verteidigung anderen überlassen. Das hiesige Sozialsystem aber für diese Geflüchteten, deren persönliche Umstände man überhaupt nicht kennt, die teilweise mit Frau und Kindern hergekommen sind, als moralisches Sanktionsinstrument zu missbrauchen, ist juristisch wie menschlich unhaltbar. Lächerlich, dass ein Landesminister das ernsthaft auf den Tisch bringt.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai schlägt vor, generell den noch ankommenden Geflüchteten aus der Ukraine das Bürgergeld zu versagen und sie in das schlechter ausgestattete Asylbewerberleistungssystem zu stecken. Damit sollen mehr „Anreize“ gesetzt werden, eine Beschäftigung aufzunehmen. Ja, es stimmt, die Beschäftigungsquoten der ukrainischen Geflüchteten in Polen und in den Niederlanden sind höher und die Sozialleistungen niedriger als hier.

Und natürlich erhöht man den Druck auf die vor dem Krieg geflüchteten Frauen und Mütter, die teilweise mit Kindern in miserablen Unterkünften leben, irgendwas zu jobben, wenn es weniger Grundsicherung gibt. In Wirklichkeit sagt Djir-Sarai: „Wir wollen, dass die ukrainischen Kriegsflüchtlinge, egal welche Vorbildung, welche Familiensituation sie haben, so schnell wie möglich hier als Helferinnen in der Küche, im Versand, in der Pflege arbeiten. Dafür senken wir die Sozialleistung ab.“

Das ist schäbig gegenüber den Frauen und Müttern, die ja nicht freiwillig hier sind. Deutschland soll als Fluchtort unattraktiver werden für die Ukrainer:innen, um Geld zu sparen. Dieses Vorgehen noch moralisch als „Anreizsystem“ zu verkleistern, ist schon dreist.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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