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Bündnis Sahra WagenknechtBewährungsprobe bestanden

Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ feiert bei der Europawahl seinen ersten Etappensieg. Im Osten landet es sogar auf dem dritten Platz.

Stippvisite bei der Siegesfeier: Wagenknecht vor ihren jubelnden Anhängern Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Zum Höhepunkt des Wahlabends tritt Sahra Wagenknecht auf die Bühne – die Chefin, Namensgeberin und der Star ihrer neuen, eigenen Partei. Den ganzen Tag habe sie „Magendrücken“ gehabt, gibt sie sich persönlich. Würden ihre europaskeptischen Anhänger überhaupt zur Wahl gehen? Würden sie ihre Partei auf dem langen Wahlzettel finden? Doch das Ergebnis der Europawahl bestätigt sie: „Das ist so ein Wahnsinn“, sagt Wagenknecht. Die „erste Bewährungsprobe“ habe ihr Bündnis damit bestanden, sagt sie, und verspricht einmal mehr: „Wir werden die Politik in Deutschland verändern“.

Das ist ihr bereits ein Stück weit gelungen. Mit ihrem politischen Start-up-Unternehmen hat sie bei der Europawahl aus dem Stand heraus sechs Prozent gewonnen, und das ein knappes halbes Jahr nach der Parteigründung – das ist ein historischer Erfolg. Mit der FDP und der Linkspartei hat das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) gleich zwei etablierte Parteien hinter sich gelassen, und in den ostdeutschen Bundesländern liegt es mit rund 13 Prozent sogar auf dem dritten Platz hinter AfD und Union, vor SPD und den Grünen. Das ist eine hervorragende Ausgangssituation für die Landtagswahlen im Herbst. Dabei ist das BSW erst noch dabei, dort Strukturen aufzubauen und Personal zu rekrutieren.

Im gut gefüllten Kosmos-Kino im Osten Berlins, wo das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ Ende Januar seinen Gründungsparteitag begangen hatte, feierten dessen Mitglieder und Unterstützer am Sonntagabend erst einmal ihren ersten Etappensieg. Parteichefin Sahra Wagenknecht betritt erst kurz vor ihrer Rede den Saal, an der Seite ihres Mannes Oskar Lafontaine und von Kameras umringt, und verschwindet danach bald wieder.

Jubel über Grünen-Absturz

Ihre Fans waren auch so schon in Stimmung: Als das schlechte Ergebnis der Grünen in der TV-Übertragung eingeblendet wurde, brandete Jubel auf. Ebenso, als der Kommentator die leichten Einbußen der AfD auf das BSW zurückführt. Das schlechte Abschneiden der Linken wird mit verhaltenem Hohn quittiert, das eigene Ergebnis euphorisch bejubelt. „Wir haben heute Abend Parteiengeschichte geschrieben“, tönt BSW-Generalsekretär Christian Leye anschließend stolz. Nur Fabio De Masi, der BSW-Spitzenkandidat für die Europawahl, mahnt: Es gelte, weiter hart zu arbeiten und auf dem Teppich zu bleiben.

Im Saal steht Shervin Haghsheno, Bauingenieur und Wirtschaftswissenschaftler aus Karlsruhe und seit Januar einer von Wagenknechts Parteivizen. Auch er sieht das Ergebnis als „Riesenerfolg“ und als „Beweis dafür, dass es eine Repräsentationslücke gibt“, wie er sagt. Selbst bei jungen Wählerinnen und Wählern hat das BSW gepunktet. Hauptsächlich sei es wohl „die Friedensfrage“ gewesen, die in den letzten Wochen wieder „große Bedeutung“ bekommen habe. „Das ist bei vielen ein sehr emotionales Thema“, sagt der 48-jährige. Er meint die Entscheidung, der Ukraine zu erlauben, westliche Waffen auch gegen Ziele in Russland einzusetzen.

Das BSW hatte deshalb im Wahlkampf unverhohlen vor einem Atomkrieg gewarnt. Mit 20 Kundgebungen in großen Städten hatte Sahra Wagenknecht bundesweit für ihre Partei getrommelt, dabei stand sie selbst gar nicht auf dem Wahlzettel. Aber auch über Social Media habe man viele Leute erreicht, sagt Haghsheno, auch wenn man da noch nicht so viele Ressourcen habe wie andere Parteien. „Wir bauen da gerade ein Team auf“.

Sechs Mandate für Brüssel

Mit sechs Mandaten wird das BSW nun ins Europaparlament einziehen. Ein Mandat davon hat Ruth Firmenich ergattert, als einzige Frau, sie stand auf Listenplatz 4. Die 60-Jährige hat schon einmal in Brüssel gearbeitet: fünf Jahre lang war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin von Sahra Wagenknecht, als diese noch für die Linke im Europaparlament saß, bis 2009 war das. Anschließend wechselte sie als Büroleiterin ihrer Chefin in den Bundestag nach Berlin.

Nach 15 Jahren an Wagenknechts Seite zieht Firmenich nun wieder nach Brüssel, diesmal als Abgeordnete. Wer kümmert sich jetzt um Sahra Wagenknecht? Ruth Firmenich lacht auf diese Frage. „Das wird eine Herausforderung“, sagt sie, aber: „Wir sind da in Gesprächen“. Im Europaparlament will die gebürtige Kölnerin Firmenich „für eine andere Friedenspolitik und andere zentrale Punkte, für die wir Wahlkampf gemacht haben“, eintreten. Ihre Umzugskisten werde sie „ab sofort“ packen.

Mit ihr werden die beiden Spitzenkandidaten Fabio de Masi und Thomas Geisel, ehemaliger SPD-Oberbürgermeister aus Düsseldorf, sowie der Ex-Diplomat Michael von der Schulenburg, der Zwickauer Neurochirurg Jan-Peter Warnke sowie der Arzt Friedrich Pürner ihre Koffer packen: Pürner wurde während der Pandemie als Kritiker der Corona-Maßnahmen bekannt und verlor seinen Job als Leiter eines Gesundheitsamts in Bayern. Es ist eine bunte Truppe.

Der Kandidat der Herzen

Für Michael Lüders hat es nicht gereicht. Der 65-jährige Publizist, Autor und Nahost-Experte war beim BSW-Parteitag im Januar der Kandidat der Herzen gewesen, bei der Abstimmung für den erweiterten Parteivorstand und für die Liste zur Europawahl erzielte er jeweils die besten Ergebnisse. Aber er war nur auf Platz neun gesetzt. Er sieht „die soziale Frage“ und den „Wunsch nach mehr Pragmatismus“ als Gründe für den Erfolg seiner Partei, aber auch die Kriege in Gaza und in der Ukraine. „Ich glaube, dass die Unruhe in der Bevölkerung zunimmt, mit Blick auf die Eskalation im Osten“, sagt Lüders. „Was passiert, wenn deutsche Waffen immer weiter in Russland eingesetzt werden?“

Zum Abschluss der Wahlparty stellen sich alle 20 Europa-Kandidaten des BSW auf der Bühne noch einmal zum Gruppenbild auf, einige bekommen einen Blumenstrauß überreicht. Christian Leye orchestriert das Ensemble für den Fotografen. Als er von der Bühne tritt, hat er einen der Blumensträuße in der Hand. „Ich werfe den jetzt in den Saal“, witzelt er. „Wer ihn auffängt, der gründet die nächste Partei.“

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Das BSW hat schnell Fuß gefasst. Vielleicht ist es gut, die Gefahr, dass sie die linke begräbt, aber deren Platz nicht einnehmen kann, besteht - leider. Und nach dem Anfang kommt zwangsläufig die Normalität, dann muss diese Partei stabil und verlässlich sein, sonst gerät auch diese Gruppierung in Schwierigkeiten.

  • Man sollte nicht vergessen, dass der Erfolg des BSW nicht aufgrund erbrachter Leistungen beruht, sondern zunächst nur auf dem Prinzip Hoffnung, dass es mit dem BSW vielleicht besser werden könnte als mit den Ampel-Parteien.



    Sollte diese Hoffnung enttäuscht werden, wird es dem BSW bei den nächsten Wahlen nicht besser gehen als gegenwärtig den Grünen: Wie gewonnen, so zerronnen!

    • @Pfanni:

      Das ist richtig. Aber in der gegenwärtigen Situation in unserem Land ist das "Prinzip Hoffnung" etwas, das einen Ausweg aus diesem Dilemma zu bieten scheint. Eine Politik für die kleinen Leute zu machen, wäre mit Sicherheit ein Erfolgsrezept.

      Aber ob dies, wie die aktuellen Kandidatenlisten des BSW zeigt, wieder nur mit Akademikern geschieht, erscheint mit doch fraglich. Da unterscheidet sich das BSW nicht von Grünen und den übrigen Parteien. Der Bundestag ist kein Spiegelbild der Bevölkerung.

      Zitat TAZ: "In der neuen FDP-Fraktion haben 93,5 Prozent einen Hochschulabschluss, bei den Grünen 93,2 Prozent. In der grünen Fraktion gibt es nur eine Arbeiterin, Tina Winklmann, aber 23 Abgeordnete mit Doktortitel. Die wenigsten Doktortitel finden sich bei der SPD (12 Prozent), der AfD (14 Prozent) und der Linksfraktion (15,4 Prozent)."

      Etwas ernüchtert hat mich die Wählerwanderung zum BSW. Meine Hoffnung, dass AfD-Wähler gewonnen werden könnten hat sich als falsch erwiesen. Viele Stimmen kamen wohl von Wechselwählern aus SPD und Linken. Andererseits zeigt dies nur, wie unzufrieden viele Menschen in diesem Land von der herrschenden politischen Klasse und ihren Sonntagsreden sind.

  • Pro Russisch und vor allem rassistisch ist offensichtlich ein Erfolgsrezept in den neuen Bundesländern. Gibt es in den Alten auch, aber nicht so ausgeprägt.

  • Das Wählerpotenzial für BSW ist sicherlich vorhabden, uns Sarah Wagenknecht ist halt deutlich intelligenter als der Bundesvrostand der LInken. Wie kann man nur Carola Rackete gegen SW antreten lassen, da ist die Entscheidung für die meisten doch sehr einfach.

  • Am 28. Mai hatte ich auf die Bemerkung "Die Partei ist sehr wahrscheinlich ohnehin nur eine Eintagsfliege. Who cares" geantwortet:

    "Abwarten und Tee trinken! Das BSW ist noch im Aufbau begriffen. Es gibt erste Landesverbände, aber noch keine Ortsvereine. Aber das wird sich im Laufe des Jahres ändern. Die anstehenden Europa- und Landtagswahlen werden zeigen ob aus der "Eintagsfliege" ein Schmetterling wird oder nicht!"

    Nun denn: Es ist ein Schmetterling geworden! Und nun geht's voran ...