Buchmesse Frankfurt und rechte Verlage: Mehr als ein Kulturkampf
Der richtige Umgang mit rechten Verlagen ist kompliziert. Das zeigen die Boykottaufrufe gegen die Frankfurter Buchmesse.
Und gleichzeitig sind da auf der anderen Seite die sozialen Medien. Sie vermitteln das Bild einer großen Welle des Protestes, nachdem die Autorin Jasmina Kuhnke ihre Messeauftritte öffentlich absagte, weil sie sich von Neurechten aus dem Jungeuropa-Verlag bedroht sieht. Andere Autor*innen – Raul Krauthausen, Nikeata Thompson, Kirsten Fuchs, Annabelle Mandeng, Till Raether und andere – haben sich der Absage angeschlossen.
Der Gegensatz dieser Wucht in den sozialen Medien zu der Ruhe in Frankfurt war in den ersten Messetagen geradezu absurd. Wer fürs Beobachten bezahlt wird, so wie ich, hat große Mühe, die Details zu einem Gesamtbild zusammenzufügen; und vielleicht geht das auch gar nicht. Aus den sozialen Medien jedenfalls spricht ein kämpferischer Wunsch, sich mit Jasmina Kuhnke zu solidarisieren. Und auch der Wunsch, die Rechten würden einfach verschwinden, indem man sie verbietet etwa.
Von der Polizei nicht adäquat beschützt
Das werden sie aber nicht tun. Was zu einem zweiten Paar gegensätzlicher Eindrücke führt. Denn Jasmina Kuhnke hat als exponierte Zielscheibe rechter Hetze im Netz allen Grund, sich verfolgt zu sehen. Sie musste schon ihre Wohnung wechseln und hat, darauf wies in einer Radiosendung der Journalist René Aguigah mit dem Verweis auf Spiegel-Recherchen hin, zudem die Erfahrung gemacht, von der Polizei nicht adäquat beschützt zu werden.
Die Autorin Sharon Dodua Otoo machte in derselben Sendung des Deutschlandfunks klar, was es bedeutet, als einzige Schwarze Frau im Raum, wie es auf Literaturveranstaltungen für sie häufig vorkommt, nicht das Gefühl zu haben, sich im Zweifel auf den Schutz gegenüber Übergriffen verlassen zu können. Vor diesem Hintergrund sind viele der kämpferischen Solidaritätsbekundungen im Netz zu sehen: Ihre Absender möchten den Autor*innen versichern, dass man, wenn es drauf ankommt, hinter, neben und vor ihnen steht.
Und auf der anderen Seite dieses Eindruckspaares stehen die Verantwortlichen der Frankfurter Buchmesse. Ihre Bekenntnisse zu Vielfalt und Diversität sind glaubwürdig. Wie sehr ihr die Auseinandersetzungen um Jasmina Kuhnke zusetzen, war Karin Schmidt-Friedrichs, der Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, körperlich anzusehen. Und der Buchmessen-Chef Jürgen Boos hat schon in vielen Interviews betont, dass er die von den neurechten Verlagen vertretenen Ansichten in keinster Weise teilt.
Desaster auf der Leipziger Buchmesse
Doch eine Buchmesse ist, im Unterschied zu einer Zeitung, kein frei kuratierter Diskursraum, sondern eine Marktveranstaltung und unterliegt aufgrund ihrer Monopolstellung dem Kartellrecht, was bedeutet, dass sie Aussteller nur dann abweisen kann, wenn diese gegen geltendes Recht verstoßen – und gegen den Jungeuropa-Verlag liegt strafrechtlich nichts vor. Im Hinterkopf ist den Verantwortlichen zudem das Desaster, als die Leipziger Buchmesse vor einigen Jahren die Junge Freiheit ausschließen wollte. Die rechte Zeitung klagte sich vor Gericht erfolgreich wieder rein.
Was tun? Nun, sich etwa der Kompliziertheit der Lage stellen. Darüber hinaus sind der Messeleitung aber durchaus auch handwerkliche Fehler vorzuhalten. Die so überaus sichtbare Platzierung des Jungeuropa Verlages ist ein Desaster. Und die ersten Pressemitteilungen, die sich dürr auf das Prinzip der Meinungsfreiheit zurückzogen, waren irgendwie hölzern.
Dieses Prinzip hochzuhalten mag in den Systemauseinandersetzungen mit China oder auch Russland unabdingbar sein, wirkt aber ohne eine angemessene Ansprache gegenüber Autor*innen, die aus Sorge um die eigene Sicherheit ihre Auftritte abgesagt haben, zu abstrakt. Außerdem hat die Messe ihre Bekenntnisse zu Vielfalt inhaltlich wohl zu wenig mit Veranstaltungen sowie Positionierungen gegen Rechts begleitet.
Bei allem Verständnis für die Absagen der einzelnen Autor*innen wiederum muss sich die Zivilgesellschaft ihrerseits fragen lassen, ob es nicht produktivere Formen der Solidarisierung gäbe als ausgerechnet Boykottaufrufe, durch die man in Kauf nimmt, den rechten Verlagen das Terrain zu überlassen. Was man nämlich sehen sollte, ist, dass die Konflikte, die sich hier so offen zeigen, gar nicht mehr in erster Linie der Ausdruck eines Kulturkampfes um Diversität sind. Es sind schon die Konflikte und Probleme innerhalb einer diverser gewordenen Gesellschaft, und sie werden bleiben.
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