Britischer Premier Boris Johnson in Bedrängnis: Partymeile Downing Street

Laut Medien soll im Regierungssitz während des Lockdowns regelmäßig gefeiert worden sein. In Umfragen will eine Mehrheit der Briten Johnsons Rücktritt.

Boris Johnson läuft mit Mund/Nasenschutz den Bürgersteig der Downing Street entlang

„It's my party, and I cry if I want to....“: Boris Johnson vor seinem Amtssitz 10 Downing Street Foto: Paul Childs/reuters

LONDON dpa/rtr | Neue Vorwürfe wegen des Bruchs von Corona-Regeln in seinem Regierungssitz setzen den britischen Premier Boris Johnson in der „Partygate“-Affäre noch stärker unter Druck. In der Downing Street hat es einem Medienbericht zufolge während der Pandemie nicht nur vereinzelte, sondern regelmäßige Zusammenkünfte gegeben, bei denen Alkohol getrunken worden sei. Das schreibt der in der Angelegenheit in der Regel gut informierte Mirror am Samstag.

Johnsons Mitarbeiter hätten sich jeden Freitag zu „Wine-time Fridays“ getroffen, der Premier habe sie ermutigt, „Dampf abzulassen“ – auch wenn Treffen in Innenräumen gemäß den Lockdown-Regeln streng verboten gewesen waren. Der Regierungschef habe mehrmals selbst bei diesen Zusammenkünften vorbeigeschaut. Die Mitarbeiter hätten für die regelmäßigen Treffen eigens einen Bürokühlschrank angeschafft, um ihre Flaschen Weißwein, Prosecco und Bier kühl zu halten.

Freitägliche Treffen sind nach Mirror-Angaben seit langem eine „Downing-Street-Tradition“ gewesen, auch unter früheren britischen Regierungen. Die Zusammenkünfte wurden demnach aber auch fortgesetzt, nachdem Corona-Beschränkungen erlassen worden waren.

Johnson steht in der „Partygate“-Affäre seit längerem massiv unter Druck, mehrere Abgeordnete seiner Tory-Partei haben bereits seinen Rücktritt gefordert. Er selbst will sich politisch mit einem umfassenden Neustart aus der Bredouille befreien. Zu den Lockdown-Partys in seinem Regierungssitz laufen derzeit interne Untersuchungen, deren Ergebnisse der Premier abwarten will.

Zuletzt wurde berichtet, dass es am Vorabend der Beerdigung von Queen-Gemahl Prinz Philip im April 2021 Feiern im Regierungssitz gegeben habe. Damals galten strenge Kontakt- und Abstandsregeln. Queen Elizabeth II. musste deshalb ganz alleine in der Kapelle ihrer Residenz Windsor sitzen, als ihr Mann bestattet wurde. Die Downing Street entschuldigte sich dafür. „Es ist zutiefst bedauerlich, dass dies zur Zeit nationaler Trauer stattgefunden hat“, hatte ein Johnson-Sprecher erklärt. Man habe sich beim Palast entschuldigt.

Der Sprecher fügte hinzu, Johnson sei am besagten Tag der Feiern, dem 16. April 2021, im Landsitz Chequers gewesen. Auch sei er zu keiner Zusammenkunft eingeladen gewesen. Erst am Mittwoch hatte sich der Premier im Parlament für seine Teilnahme an einer Gartenparty entschuldigt, die es im Mai 2020 inmitten des ersten Corona-Lockdowns gegeben hatte.

Konservative Unterstützer sagen sich von Johnson los

Aufgrund der Partys steckt Johnson in einer der schwersten Krisen seiner Amtszeit. Diese wird bereits von mehreren anderen Skandalen überschattet, etwa die Verwendung von Spenden bei der Renovierung von Johnsons Dienstsitz. Während die Opposition längst seinen Rücktritt fordert, rücken inzwischen auch zunehmend Mitglieder der Konservativen Partei von Johnson ab, aus Furcht, sie könnten stellvertretend von ihren Wählern abgestraft werden. „Leider ist die Position des Premierministers unhaltbar geworden“, sagte der konservative Abgeordnete Andrew Bridgen, ein ehemaliger Johnson-Unterstützer. „Die Zeit ist reif, die Bühne zu verlassen.“

Einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Savanta ComRes wuchs der Vorsprung der oppositionellen Labour-Partei vor Johnsons konservativen Tories auf zehn Prozentpunkte. In der Umfrage kam Labour auf 42 Prozent (plus fünf Prozentpunkte), die Konservativen auf 32 Prozent (minus ein Prozentpunkt). 70 Prozent der 2151 Befragten sprachen sich für Johnsons Rücktritt aus. Die nächste Parlamentswahl findet regulär 2024 statt.

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