piwik no script img

Britischer Justiz-SkandalEin sehr spätes „Sorry“ von Fujitsu

Wegen fehlerhafter Software wurden mehr als 700 Menschen zu Unrecht verurteilt. Der Konzern stritt lange seine Schuld ab.

Hauptquartier von Fujitsu in Bracknell Foto: Peter Nicholls/reuters

London taz | Nach rund 25 Jahren hat der japanische Fujitsu-Konzern jetzt erstmals sein Bedauern zum britischen „Horizon Post Office-Skandal“ erklärt. Das vom Konzern für britische Postämter entwickelte IT-System Horizon hatte in hunderten Fällen falsche Verluste in den Postämtern gemeldet. Dafür wurden die Fili­al­lei­te­r:in­nen verantwortlich gemacht und 736 Personen wegen Diebstahls und Betrugs zu Unrecht verurteilt. Es ist der größte Justizirrtum der britischen Geschichte.

Fujitsus Europachef Paul Patterson sprach am Dienstag vor einem Parlamentsausschuss von der moralischen Verantwortung seines Konzerns, sich an der Entschädigung der über 4.000 geschädigten Personen zu beteiligen. Die Regierung hatte letzte Woche umgerechnet über eine Milliarde Euro dafür bewilligt.

Zudem sollen per Gesetz alle diesbezüglichen Urteile für nichtig erklärt werden. Fujitsus „Sorry“ kam erst, nachdem andere Regierungsaufträge des Konzerns in Milliardenhöhe zunehmend hinterfragt wurden und 10 Downing Street Fujitsus Beteiligung an der Entschädigung gefordert hatte.

Fujitsu hatte mit Horizon mehr als drei Milliarden Euro eingenommen. Doch bereits 2019 wurde gerichtlich festgestellt, dass die Software Probleme hatte, die wahrscheinlich zur Verurteilung der Postfilialleiter geführt habe. Patterson gestand, dass sich Fujitsu dieser Probleme seit Einführung des Systems 1999 bewusst gewesen sei.

Prozessende 2025 erwartet

Doch Fujitsu hatte jahrelang behauptet, das Programm sei fehlerfrei. Zu Jahresbeginn hatte eine Serie des Senders ITV dem Skandal breite Aufmerksamkeit beschert. Das führte dazu, dass die Regierung den Betroffenen eine Entschädigung zusagte.

Der derzeitige Postminister der britischen Regierung, Kevin Hollinrake, gab an, dass man erst nach Abschluss der öffentlichen Untersuchung zum Skandal mit Fujitsu über die Entschädigung verhandeln werde. Die Anhörungen laufen mindestens bis Sommer 2024 weiter und ein Endbericht wird frühestens 2025 erwartet. Nur eine kleine Minderheit hat bisher eine Entschädigungssumme erhalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Patterson gestand, dass sich Fujitsu dieser Probleme seit Einführung des Systems 1999 bewusst gewesen sei.

    Dazu fällt mir noch ein:

    Computer sind unzuverlässig, aber Menschen sind noch unzuverlässiger. Jedes System, das von der Zuverlässigkeit des Menschen abhängt, ist unzuverlässig.

  • Patterson gestand, dass sich Fujitsu dieser Probleme seit Einführung des Systems 1999 bewusst gewesen sei.



    ---



    Das ist "stark"! (Höfliche Version für die Taz) Und wie geht es weiter?



    Folgerichtig müsste jetzt ein, zwei Verfahren gegen "Fujitsu" folgen.



    Einmal ein Strafverfahren & dann wohl ein Zivilprozess wg Wiedergutmachung!



    Wie das innerhalb der GB Justiz enden wir ist spannend! Auf Wiedervorlage!

  • Sind denn noch alle 736 Personen am Leben...?