Bremer Streit über Weservertiefung: Koalitionskonflikt mit Tiefgang
Die SPD in Bremen begrüßt einen Gesetzentwurf des Verkehrsministeriums zur Beschleunigung von Großprojekten. Die Grünen sehen darin einen „Skandal“.
Der dritte Koalitionspartner, die Linke, kann es sich da leisten, eine abwägende Position einzunehmen: „Grundsätzlich begrüßen wir jede Beschleunigung von Verfahren“, erklärte Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke). „Ebenso wichtig ist es aber, dass wir in komplexen Fragestellungen auch die Bürger und Verbände in angemessenem Maße einbeziehen.“
Konkret geht es darum, dass durch ein „Maßnahmengesetz-Vorbereitungsgesetz“ (MgvG) die fachlichen Klagerechte insbesondere von Umweltverbänden für bestimmte Verkehrsinfrastrukturprojekte per Gesetz ausgeschlossen werden sollen. Betroffen wären im ersten Durchlauf zwölf Einzelprojekte, beispielsweise der „Neubau der Kurve von Mönchehof nach Ihringshausen im Rahmen des Ausbaus der Eisenbahnstrecke von Paderborn nach Halle“. Aufgeführt unter Punkt 8 ist aber auch „die Fahrrinnenanpassung der Außenweser“. Für die Bundesregierung ist der Gesetzentwurf „besonders eilbedürftig“, es gehe darum, „zügig Vorgaben des Klimaschutzprogramms parallel zu dessen weiteren Maßnahmen umzusetzen“.
Ob so eine Generalerlaubnis für Einzelfallgesetze verfassungskonform ist, könnte ein Thema für das Bundesverfassungsgericht werden. Jedes einzelne Verkehrsprojekt müsste zudem wieder per Bundesgesetz beschlossen werden und würde wieder der Überprüfung durch das Verfassungsgericht unterliegen, da Gesetze normalerweise allgemeine Regelungen treffen sollen, denen alle unterliegen und nur in Ausnahmefällen bei überwiegendem öffentlichen Interesse für Einzelvorhaben beschlossen werden dürfen. Ob die Bürgerbeteiligungsrechte der Verbände so einfach ausgehebelt werden können, wäre dann sogar ein Fall für den Europäischen Gerichtshof, sagen Kritiker.
Knifflige Angelegenheit
Eine grundsätzliche Kritikerin der Verfahrensbeschleunigung ist Bremens Umweltsenatorin. In einer Initiative Bremens für die Sitzung des Bundesrates am kommende Freitag konnte der Senat sich aber nur auf die Streichung des Punkts 8, der Vertiefung der Außenweser, verständigen. Begründung: Es würde sowieso keine Verfahrensbeschleunigung erreicht.
Das sieht Bremens Hafengesellschaft „bremenports“ anders, die aber wurde vorher nicht gefragt. Der Umweltverband BUND hatte gegen den ersten Versuch eines Planfeststellungsbeschlusses erfolgreich vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt.
Ohnehin ist die Sache knifflig. Denn darüber, dass die Vertiefung der Außenweser sinnvoll ist, herrscht im Bremer Senat im Grunde Einvernehmen. Bei der Außenweser geht es um die Einfahrt zu den Kajen des Containerterminals in Bremerhaven, die für größeren Schiffe möglich bleiben soll und wichtig ist.
Die Debatte in Bremen tobt um die Unterweservertiefung – die allein im Interesse der Getreidehändler von Brake liegt, und von Bremen abgelehnt wird.
Warum also ein Streit um einen Gesetzentwurf, der ausdrücklich die Außenweser anspricht, nicht aber die Unterweser? Nun: Der ursprüngliche Referentenentwurf des Verkehrsministeriums führte auch die Unterweser auf. Die liegt im niedersächsischen Interesse, und der Parlamentarische Staatssekretär im Verkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU), kommt aus Niedersachsen. Aufgrund von Bedenken des Berliner Umweltministeriums wurde die Unterweser herausgestrichen. Die aber könnte im Gesetzgebungsverfahren im Bundestag im letzten Moment durchaus wieder in die Liste aufgenommen werden, so fürchtet man in Bremen.
Dagegen aber argumentiert auch der BUND. Weil das Beschleunigungsgesetz mit dem Klimawandel begründet wird, erklärt Bremens BUND-Chef Martin Rode: „Die Unterweservertiefung dient dazu, dass Massengutfrachter mit Futtermitteln für die nordwestdeutsche Massentierhaltung mit ein paar Tonnen mehr Ladung den Hafen Brake ansteuern können. Das Projekt begünstigt Futtermittelimporte, die mit großen sozialen und Umweltschäden in den Herkunftsländern verbunden sind.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind