piwik no script img

Breitbart-Interview des US-BotschaftersGanz schöner Bullshit

Der neue US-Botschafter in Berlin will konservative Kräfte stärken. Für Europas Rechte ist das problematisch. Die USA sind für sie eigentlich das Böse.

Der neue US-Botschafter Richard Grenell in Berlin will Europas Rechte stärken? Was für ein Bullshit Foto: imago/blickwinkel

Im Prinzip ist die außenpolitische Weltsicht des nationalistischen Rechtspopulismus europäischer Prägung recht eindeutig: pro „freie Völker“, contra Europäische Union, pro Putin, contra USA. Das ist mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten schon ein wenig ins Wanken geraten, gewann Trump doch nicht zuletzt mit genau jenen Themen und Sprüchen, die auch hierzulande zu den Kernanliegen der Stammtisch-Rechten gehören: gegen das Establishment, gegen Migration, für Abschottung, gegen Muslime, gegen Political Correctness und Genderwahn, zurück in die 50er.

Dennoch blieb der kulturell-identitär geprägte Antiamerikanismus dieser Rechten, in den sich immer wieder antisemitische Untertöne mischen, ganz stabil. Noch im April etwa identifizierte Jürgen Elsässers Compact-Magazin den ­französischen Präsidenten Emmanuel Macron als „Rothschild-Agenten“, als dieser an der Seite der USA Raketenangriffe auf Syrien fliegen ließ.

Der neue US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, dürfte bei den Rechten nun einiges durcheinanderbringen, hat er doch angekündigt, konservative Anti-Establishment-Kräfte, die durch Trumps Wahlsieg beflügelt worden seien, in ganz Europa stärken zu wollen.

Als sei er in Deutschland Gastgeber, lud Grenell nun auch noch seinen persönlichen „Rockstar“, den österreichischen Regierungschef Sebastian Kurz, für den 13. Juni in Berlin zum Essen ein. Das ist für einen Botschafter ebenso ungewöhnlich wie das Treffen mit Merkel-Gegner und CDU-Krawallschachtel Jens Spahn vor dem Antrittsbesuch im Auswärtigen Amt.

In wenigen Tagen hat Grenell geschafft, was sonst nur die AfD hinbekommt: Alle anderen Parteien sind sich einig. SPD-Loser Martin Schulz findet, Grenell benehme sich „wie ein rechtsextremer Kolonialoffizier“ und sollte so schnell wie möglich abgezogen werden, die Linke Sahra Wagenknecht fordert seine sofortige Ausweisung, CDU-Kanzlerin Angela Merkel schweigt befremdet, FDPler Alexander Graf Lambsdorff erinnert Grenell daran, dass er sein Land vertrete und nicht eine Partei, und der Grüne Omid Nouripour mahnt den Botschafter ganz diplomatisch zur parteipolitischen Neutralität.

Fox News oder RT?

Einzig aus der AfD gab es Erfreutes: Gegenüber Compact sagte Petr Bystron, AfD-Obmann im Auswärtigen Ausschuss: „Die konservative Evolution hat in Europa endlich Fahrt aufgenommen. Dass Botschafter Grenell dieser Erneuerung seine Unterstützung zusagt, ist ein starkes und sehr erfreuliches Signal. In Berlin ist er uns sehr willkommen.“

Das wird jetzt interessant, was da mit den Rechten passiert. Mit Assad gegen Israel, mit Trump dafür, gleichzeitig gegen „importierten muslimischen Antisemitismus“ und die „Diktatur der Rothschilds“? Fox News oder RT? Breitbart oder Sputnik? In welch seltsamer Rolle stecken rechte Nationalisten plötzlich, wenn sie gleich von beiden konkurrierenden Supermächten umworben werden? Ein Tipp: Retter der deutschen Souveränität gehört nicht dazu.

Das könnte alles ganz spaßig sein. Aber es ist eben auch eines: eine gruselige, antidemokratische Zangenbewegung, die dafür sorgt, dass sich auch Europas Gesellschaften nicht einmal mehr über die faktischen Grundlagen dessen einig sind, worüber sie diskutieren. Im Verbreiten von Falschmeldungen über MigrantInnen etwa stehen sich Fox, Compact und die russischen Staatsmedien in nichts nach. Dass der neue US-Botschafter all das noch stärken will, ist, auf gut Amerikanisch, ganz schöner Bullshit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • "Im Verbreiten von Falschmeldungen über MigrantInnen etwa stehen sich Fox, Compact und die russischen Staatsmedien in nichts nach."

     

    Welche Falschmeldung meinen Sie? Eine schlichte Behauptung ohne einen einzigen Beweis.

  • Ich find' den Mangel an Selbsreflexion all der Politiker, die diversen europäischen (und nicht nur denen, siehe Venezuela oder Gaza) Wählern ständig nahelegen, wen sie doch am besten wählen sollten, wirklich bemerkenswert.

  • SPD-Loser Martin Schulz... Echt jetzt? zuviel Bild gelesen?

    • @Hakuna Matata:

      Ja, der hat auch schon über den trump so geflucht, wie über einen Präsidenten von der dunklen Mondseite, mit dem er ggf. nichts zu tun haben wird. Wenn es noch eines Beweises bedürfte, wie dumm der Mann ist...

      • @agerwiese:

        Mir war sein Satz Beweis genug. Als Journalist muss man erst recht darauf achten was und wie man es schreibt.

  • Auch hier wieder: volle Identifizierung mit dem transatlantisch-neoliberalen Establishment. Das soll jetzt "links" sein? Tiefer Staat, Weltwirtschaftsforum, Atlantikbrücke, privatisierte Politik der Oligarchen, TTIP etc? Und wenn man das nicht will, sondern lieber mehr Demokratie und Rechtsstaat, dann ist man "rechts" oder "strukturell antisemitisch"? Bedeuten diese Wörter noch irgendwas?

    • @El-ahrairah:

      Klar, für die Rechten sind Liberale und Kapitalisten "links".

       

      Bloss die Leute links von den Rechten lassen immer mit Begeisterung in tausend Verästelungen zerfasern, von denen einer mit den anderen nichts gemein haben will.

      • @Mustardman:

        Also sind völkerrechtswidrige Kriege, oligarchische Strukturen, Raubkonzerne, Kriegstreiberei, Imperialismus, Privatisierung der Politik, Neoliberalismus und Marktradikalismus okay, weil sie "nicht rechts" sind und jeder der etwas dagegen sagt ist entweder rechts oder "zerfasert"? Klingt nach ziemlich bequemer herrschaftsimmunisierung. Nur leider ist Neoliberalismus die absolute Definition von rechtsradikal.

  • 8G
    81622 (Profil gelöscht)

    Guter Artikel über die inneren Widersprüche von Ideologien..jedoch trifft das auch auf Teile der Linken, a la Wagenknecht, zu:

    einerseits sind die USA der Hauptfeind der Menschheit, andererseits unterstüzt gerade dieser als Einziger die linke YPG in Syrien militärisch gegen Erdogan und Assad.

    Einerseits wird RT und Putin (zum Beispiel in Syrien) als Referenz gegen den Westen gesehen, andereseits unterstützt gerade der nationalistische und faschistische Parteien Europas (die u.a. auch Assad unterstützen), um die EU zu spalten, nach dem Credo "teile und herrsche". Dass es hierbei Widersprüche gibt. liegt auf der Hand.

    Bullshit wird daher nicht nur auf der rechten, sondern auch auf der o.g. "linken" Seite produziert.

  • Was solls? Ich finde den Mann "cool" und unverfroren `ehrlich´! Er könnte als Diener der friedlichen EU Öffnung zur "Eurasischen Freihandelszone" (von Lissabon bis Vladivostok..) in die Geschichte eingehen ! freu*

  • Die Rechten würden verstehen, dass sie als "das Volk" immer nur die Hydraulikflüssigkeit für die Machtausübung derer sind, die um jeden Preis Macht wollen, wenn sie nicht so blöde wären und natürlich von Macht und Stärke so fasziniert, dass sie den Unterschied zwischen herrschen und benutzt werden gar nicht erkennen.

     

    Und das ist alles schon so lange und so gründlich erforscht worden, dass jeder es verstehen kann, der es verstehen will. Aber wer es nicht verstehen will, der versteht es natürlich nicht.

    • @Mustardman:

      Es geht bei "den Rechten" vor Allem um Gefühle und darum, sich innerhalb der Gesellschaft auf Kosten anderer Vorteile zu verschaffen.

      Die Rechten sind daher nicht "blöd".

  • Den Antiamerikanismus mit mit antisemitischem hautgout in Kombination mit Putin-Überhöhung ist leider nicht auf die Rechten beschränkt.

    • 9G
      99710 (Profil gelöscht)
      @Wurstprofessor:

      Bitte präzisieren Sie, gerne auch mit Beispielen:

      -Antiamerikanismus

      -antisemitischer hautgout

      -Putin-Überhöhung

      • @99710 (Profil gelöscht):

        nein.

  • Ach, die faschistische Lehre ist ein Wechselbalg. Großteilig wird man sich über die Unterstützung durch Trump freuen.

  • 8G
    87233 (Profil gelöscht)

    wer hat jemals gesagt dass eine Botschafter intelligent sein muss?