Vor der Klimakonferenz: Brasiliens fossiler Boom
Aktivist*innen sprechen von einer „Weltuntergangsauktion“: Die brasilianische Regierung lässt neue Lizenzen für Öl- und Gasföderung versteigern.

Die Umwelt-NGO Arayara hatte versucht, das mit Klagen zu verhindern. Ohne Erfolg: Am Dienstag gingen 34 Öllizenzblöcke an Bieter, dafür flossen umgerechnet rund 178 Millionen Euro. Neben Brasiliens halbstaatlichem Ölkonzern Petrobras bekamen die US-Firmen Chevron und ExxonMobil sowie der chinesische Ölriese CNPC Zuschläge.
Mit Hochdruck bereitet sich Brasilien derweil darauf vor, Gastgeber der nächsten Weltklimakonferenz COP30 zu sein. Diese soll im November in der Amazonas-Metropole Belém stattfinden. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva will deshalb international als ökologischer Musterschüler wahrgenommen werden – ist aber trotzdem für neue Ölbohrungen. Diese seien notwendig, um die Energiewende im Land zu finanzieren.
Schon während seiner ersten Amtszeiten setzte er auf die Umsetzung von Großprojekten, auch in Amazonien. Dafür zog er viel Unmut von Umweltschützer*innen und Indigenenvertreter*innen auf sich.
Die ANP-Generalsekretärin Patricia Baran zeigte sich zufrieden mit der Auktion. Sie zeige „das Vertrauen der Investoren in das Explorationspotenzial Brasiliens“. Auch Energieminister Alexandre Silveira sprach von einer Chance für regionale Entwicklung, Schaffung von Arbeitsplätzen und Abbau von Ungleichheiten. Kritik kommt von Indigenenvertreter*innen. Einige organisierten eine Demonstration vor dem Hotel in Rio de Janeiro, wo die Versteigerung stattfand. Sie nannten es eine „Weltuntergangsauktion“.
NGOs üben Kritik
Klara Butz von der deutschen NGO Urgewald, Partnerorgnisation von Arayara, sagte der taz: „Die Auktion ist ein weiterer Beweis dafür, wie bereitwillig die großen Öl- und Gaskonzerne um ihres Profits willen jeden Anstand und jede Verantwortung über Bord werfen.“
Besonders pikant ist dabei: Mehrere Offshore-Förderblöcke liegen in der Mündung des Amazonas, ein Onshore-Block im Amazonas-Hinterland. Diese Gebiete befinden sich in ökologisch äußerst sensiblen Gebieten, in der Nähe indigener Regionen.
Neben der geplanten Ausweitung der Ölförderung sorgen zwei Gesetzesentwürfe für Aufregung unter Umweltschützer*innen. Beide wurden bereits vom Senat angenommen, und dürften bald zur Abstimmung in die Abgeordnetenkammer gehen. Bei einem geht es darum, die Genehmigungsverfahren von kleineren und mittleren Agrarprojekten bundesweit zu standardisieren, zu vereinfachen und Genehmigungen für Projekte zu beschleunigen.
Die Initiative stammt aus der Feder von Abgeordneten, die der Agrarlobby nahestehen und viel Einfluss im Parlament haben. Der derzeitige „Dschungel“ aus rund 27.000 Einzelvorschriften soll beseitigt werden, heißt es. So sollen Sondergenehmigungen mit verkürzten Schritten möglich sein.
Kritiker*innen befürchten, dass dies Türöffner für umweltfeindliche Projekte in der Amazonas‑Region sein könnte. „Es ist ein Freipass für Missbrauch“, kritisiert Julia Büsser, Programmverantwortliche Amazonas bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) Schweiz. „Die aktuelle Politik stellt Brasiliens Ambitionen als Gastgeberin des Klimagipfels COP30 komplett infrage.“
Ein zweiter Gesetzesentwurf könnte die Anerkennung zweier indigener Schutzgebiete annullieren und den verfassungsmäßig garantierten Prozess für Landdemarkationen stark schwächen. Umweltgruppen planen im Falle einer Verabschiedung, das oberste Bundesgericht anzurufen.
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