Brandschutzstreit in der Rigaer Straße: Machtproben in der Konfliktzone

Wer darf überhaupt und wer soll zuerst? Die Brandschutzbegehung in der Rigaer 94 durch den Bezirk missfällt dem Senat.

Ein Rauchmelder, umgeben von Rauch

Wo Rauch ist, soll auch ein Rauchmelder sein. Brandschutz halt Foto: Peter Steffen/dpa

Zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode hat der Senat eine Mehrheitsentscheidung getroffen. Am Dienstag stimmten die Regierungsmitglieder von Grünen und SPD gegen die anwesenden Linken-SenatorInnen Elke Breitenbach und Sebastian Scheel für einen Antrag von Innensenator Andreas Geisel (SPD), der den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg aufforderte, den Eigentümervertretern der Rigaer 94 die Begehung des linksradikalen Hausprojekts zu ermöglichen.

Der ungewöhnliche Vorgang zeigt: Bei dem Konflikt geht es nicht in erster Linie darum, etwaige Brandschutzmängel in dem Haus zu beseitigen. Stattdessen ist die Rigaer 94 mal wieder zu einer Bühne für wahlkämpfende PolitikerInnen geworden. Dabei versuchen insbesondere Geisel, aber auch die im Hintergrund in alle wichtigen politischen Manöver eingebundene Bürgermeisterkandidatin Franziska Giffey, das Profil der SPD als Law-and-Order-Partei zu schärfen. Ihnen gegenüber steht der grün regierte Bezirk um seinen Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne), der nicht gewillt ist, sich von außen die Regeln bestimmen zu lassen.

Schmidt hatte die Eigentümerseite im Dezember aufgefordert, den Brandschutz sicherzustellen. Er handelte wohl in der Annahme, dass es dieser nicht gelingen würde, gerichtlich bestätigt zu bekommen, dass ihre Vertreter ausreichend legitimiert seien, das Haus zu betreten, was für den Senat wiederum die Bedingung dafür war, den notwendigen Polizeischutz zu gewähren.

Als der ominösen Briefkastenfirma dies wider Erwarten doch gelang und sich ein konfliktreicher Großeinsatz abzeichnete, war Schmidt am Dienstag vorgeprescht. In einer Geheimaktion hatte eine Mitarbeiterin seiner Bauaufsicht das Gebäude begangen – die Be­woh­ne­r*in­nen öffneten ihr freiwillig die Türen. Die festgestellten Mängel sollen sich, so ihre Einschätzung, allesamt beseitigen lassen.

Bei dem Konflikt geht es nicht in erster Linie um etwaige Brandschutzmängel

Als die Senatsmitglieder während ihrer Sitzung von der Nachricht überrascht wurden, hätten sie aufatmen können und sich wieder bedeutenderen Pro­blemen der Stadt zuwenden können. Das Gegenteil geschah. Geisel reagierte unwirsch auf Schmidts Coup und drängte jetzt erst recht auf seine Anordnung an den Bezirk, dieser möge den Eigentümervertretern und ihrem Gutachter den Weg ins Haus ebnen. Geisel wollte sich weder von einem Bezirkspolitiker vorführen lassen, noch öffentlich den Eindruck erwecken, nicht konsequent gegen die Linksradikalen vorzugehen.

Das Ergebnis dieser von den Grünen mitgetragenen Starrheit ist absurd: Womöglich folgt auf die problemlose Brandschutzbegehung vom Dienstag in den nächsten Wochen noch eine weitere, konflikthafte, die überdies weniger gründlich ausfallen dürfe. Denn die Eigentümer dürften laut neuerlicher, durch den Senat erzwungene Bezirksanordnung dann nur ausgewählte Wohnungen im Haus begutachten.

Für die Sicherstellung des Brandschutzes wäre das ein völlig überflüssiges Unterfangen. Nur für die wahlkämpfende SPD, die in ihrem Einsatz gegen die Linksextremisten mehr mediales Wohlwollen als in allen anderen Politikbereichen einheimst, scheint es ein wichtiger Schritt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.