Brandsatzwurf auf „Tag X“-Demo: Vorwurf versuchter Mord
2023 protestierten Hunderte in Leipzig wegen der Verurteilung der Antifa-Gruppe um Lina E., Brandsätze flogen. Nun wurde Anklage erhoben.
![Polizeibeamte und Demonstrierende im Juni 2023 bei der "Tag X" Demonstration in Leipzig Polizeibeamte und Demonstrierende im Juni 2023 bei der "Tag X" Demonstration in Leipzig](https://taz.de/picture/7067874/14/leipzig-kessel2-1.jpeg)
Bereits Anfang Januar hatte sich der 25-jährige Joris „Benni“ J. der Polizei gestellt – zuvor war er zur Fahndung ausgeschrieben worden. Seitdem befindet sich der Leipziger in U-Haft. Er soll sich an den Protesten am 3. Juni 2023 in Leipzig beteiligt und laut Anklage gleich zwei Brandsätze Richtung Polizeibeamte geworfen haben, danach auch noch zwei Steine und einen Böller. Trotz Vermummung wollen ihn die Ermittler identifiziert haben.
Tatsächlich landeten die Brandsätze damals auf einer Wiese und blieben folgenlos. Die Anklage konstatiert aber, „Benni“ J. habe mit den Würfen „zumindest billigend in Kauf genommen“, dass die Beamten tödlich verletzt werden könnten. Und laut Polizei wurden bei den Protesten insgesamt 18 Beamte verletzt. Auch diese Verletzungen werden nun dem Leipziger angerechnet, weil er „gemeinschaftlich“ aus der gewalttätigen Menge heraus gehandelt habe, so die Anklage.
Die Liste der Vorwürfe ist damit lang: Sie lautet auf versuchten Mord in zwei Fällen, Führen von verbotenen Gegenständen, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung in 18 Fällen, tätlichen Angriff und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Der Prozess soll vor dem Landgericht Leipzig verhandelt werden – das nun eine Zulassung der Anklage prüft.
Soli-Bündnis sieht „Racheakt der Justiz“
Ein Solidaritätsbündnis für „Benni“ J. bezeichnete die Anklage als überzogen, der Vorwurf des versuchten Mordes sei „hanebüchen“. Unter den damals Protestierenden habe es keine Bereitschaft gegeben, zu töten. Die Anklage wirke wie ein „Racheakte der Justiz“, die ein Exempel statuieren wolle, so das Bündnis. Es sei „eine weitere Eskalationsstufe der staatlichen Repression in Leipzig“. Kritisiert werden auch die Haftbedingungen von „Benni“ J.: Sein Postverkehr werde überwacht, Besuche würden erschwert.
Zu den anderen damals Eingekesselten oder anderweitig Festgenommenen laufen die Ermittlungen weiter. Laut den Behörden werden noch rund 1.300 Ermittlungsverfahren geführt. Nur zwei wurden bisher eingestellt, weil sie Minderjährige betrafen.
Die Proteste waren auf die Verurteilung der Leipzigerin Lina E. und drei Mitangeklagte zu mehrjährigen Haftstrafen im Mai 2023 vor dem Oberlandesgericht Dresden gefolgt. Das Quartett soll zuvor mit anderen Autonomen mehrere schwere Angriffe auf Rechtsextreme in Sachsen und Thüringen verübt haben. Die Anklage führte am Ende die Bundesanwaltschaft.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen